Volltext: IX. Jahrgang, 1904 (IX. JG., 1904)

Nr. 16. 
Öberösterreichische Bauzeitung. 
Seite 123, 
der Staatsbank Italiens, der „Banca d’ Italia“, gegründet 
wurde. Das Gründungskapital beträgt 12 Millionen Lire, 
die Aktie zu 200 Lire, die den Aktionären der Banca 
d’ Italia mit dem Vorbezugsrechte überlassen wurde. 
Der Besitzstand dieser Bank verzeichnet zahlreiche Häuser 
der Stadt Rom. Diese hat die Bank dem neuen Institute 
im Gesamtwerte von 11,500.000 Lire überlassen. Die 
neue Gesellschaft hat daher mit dem eigentlichen Bau¬ 
geschäft nichts zu tun. Ihre Tätigkeit wird sich auf die 
Verwaltung dieser zahlreichen Gebäude und die Aus¬ 
zahlung der Dividenden an die Aktionäre beschränken. 
Ist die Tätigkeit dieser neuen Institute auch eine ganz 
verschiedene, so werden doch beide als Hauptfaktoren 
der neuen Bauepoche zu begrüssen sein. Beide Gesell¬ 
schaften wurden von der Banca d’ Italia begründet, die 
zu sehr billigen Preisen den grössten Teil ihrer römischen 
Besitzungen beiden Gesellschaften überlassen hat. Gleich¬ 
zeitig hat sie sich dadurch Geschäften entledigt, schwierige 
nicht in ihren Rahmen passende Verwaltungen von, 
Immobilien zurückgelegt, die sie, mehr oder weniger ge¬ 
zwungen, anlässlich der Krisen übernehmen musste. Es 
ist zu erwarten, dass sich nunmehr die Bautätigkeit eines 
ruhigen Gedeihens und Erfolges erfreuen wird. 
Wie man in Amerika Häuser baut. 
Es ist bekannt, dass der Amerikaner sich nicht an 
das Hergekommene, Gewöhnliche hält, sondern nach dem 
Neuen, Absonderlichen strebt, wobei die Rücksicht auf 
die Nützlichkeit alle übrigen Rücksichten in den Hinter¬ 
grund drängt. Als Beweis für diese Behauptung können 
auch die bereits im 15. Jahrgange des „Neuen Universums“ 
besprochenen hohen Häuser dienen, welche zuerst in 
Chicago gebaut wurden und welche auf das Auge des 
Europäers keineswegs in ästhetischer Beziehung einen 
erfreulichen Eindruck machen, immerhin aber vom 
technischen Standpunkte aus als sehr beachtenswerte 
Werke der Baukunst Aufmerksamkeit verdienen. Der 
Amerikaner selbst hat diesen Bauwerken die nicht sehr 
wohllautende Bezeichnung „sky- scrapers“ (Himmels¬ 
kratzer) beigelegt, aber er ist stolz darauf, dass in seinem 
Lande solche seltsame, im Uebereinanderbau der Stock¬ 
werke alle Häuser der Welt übertreffende, an den baby¬ 
lonischen Turm erinnernde Bauwerke geschaffen werden 
konnten, die baupolizeilicher Vorschriften wegen in euro¬ 
päischen Städten nicht möglich sind. Zwischen den 
einzelnen amerikanischen Staaten, Städten und Individuen 
herrscht beständig das Bestreben, etwas Bewunderns¬ 
werteres zu schaffen als der Nachbar imstande ist und 
womöglich in irgend welcher Anziehung „the biggest 
thing of the worid“ zustande zu bringen. 
Im Hochhäuserbäu hat Chicago den Anfang gemacht; 
die übrigen Städte wollen nun noch höhere Häuser be¬ 
sitzen und da in dieser Beziehung polizeiliche Vorschriften 
keine Beschränkungen auferlegen, so kann man nicht 
sagen, in wie viel Stockwerken schliesslich diese Rivalität 
ihre Genugtuung oder ihre natürliche Grenze finden wird. 
Der Baugrund ist in Chicago solchen Bauten keines¬ 
wegs günstig, denn er ist wenig widerstandsfähig, weil 
die Stadt auf Sumpfboden steht. Unter dem Morast be¬ 
findet sich eine Tonschicht und darunter ist schwimmender 
Sand. Schon in 3 Meter Tiefe stösst man auf Wasser. 
Nur mit grösster Vorsicht sind daher jene Häuserkolosse 
auf diesem trügerischen Wasserboden zu errichten, denn 
die wenig mächtige feste Bodenschicht, auf welcher sie 
stehen, ist kaum ausreichend, das Gewicht dieser Bau¬ 
werke zu tragen. 
Um dem Boden die nötige Widerstandsfähigkeit zu 
geben, werden Eisenträger der Länge nach nebeneinander 
gelegt; auf die so gebildete erste Unterlage bettet man 
eine zweite Schicht von Eisenträgern in der Querrichtung. 
Das Ganze wird mit Beton bedeckt und zu einem soliden 
Fundament vereinigt. In dieser Weise werden mehrere 
Fundamentschichten übereinander gelegt, bis der Unter¬ 
grund die zum Aufbau des Hauses notwendige Stabilität 
erreicht hat. Die ersten „Himmelskratzer“ wurden wie 
gewöhnliche Häuser gebaut, indem man die Mauern aus 
Sandstein oder Granitblöcken herstellte. Später wurde 
jedoch diese Bauart abgeändert, indem man den Steinbau 
verwarf und zum Eisenbau überging, bei welchem das 
Steinwerk nur noch zur Ausfüllung des Eisengerippes 
dient und zur Solidität des Bauwerkes nichts beiträgt. 
Das Geripp wird aus eisernen Trägern und Stangen fest 
zusammen genietet und dieses stabile und dabei luftige 
Eisenfachwerk wird mit feuerfesten Ziegeln ausgefüllt, 
was in mehreren Stockwerken gleichzeitig geschieht, so 
dass nach Fertigstellung des Eisengerippes das Haus 
rasch vollendet wird. 
Das ganze Baumaterial wird durch geübte Techniker 
an Ort und Stelle Festigkeitsproben unterworfen; alle 
Stücke, welche nicht die nötige Sicherheit in dieser Be¬ 
ziehung bieten, werden zurückgelegt. Gewöhnlich setzt 
sich der Baumeister oder Architekt mit den Eisenwerken 
direkt in Verbindung, um eine Kontrolle über das ver¬ 
wendete Rohmaterial auszuüben. Bei der Ausführung 
wird alles Holzwerk, selbst zu inneren Dekorationszwecken, 
möglichst vermieden. Die Decken bestehen aus Eisen¬ 
trägern, die mit Platten aus gebranntem Ton belegt sind. 
In ähnlicher Weise werden die inneren Wände des Hauses 
hergestellt. Zur Ausschmückung der Zimmer wird 
Terracottamosaik und Marmor verwendet. 
Der Aufbau derartiger grosser Bauwerke vollzieht 
sich mit fast unbegreiflicher Schnelligkeit. Es wird dabei 
eine sehr grosse Zahl von Arbeitern beschäftigt, die in 
verschiedenen Stockwerken verteilt sind und die Arbeits¬ 
ausführung ist mit grosser Umsicht und praktischem 
Sinn organisiert. In zwei bis drei Monaten erhebt sich 
an einer Stelle, wo bisher ein altmodisches Haus ge¬ 
standen hat, ein riesiges Geschäftshaus von 15 bis 20 
und vielleicht auch noch mehr Stockwerken. 
Nachdem der eigentliche Bau vollendet ist, beginnt 
eine Schar von Mechanikern, von Heiz- und Elektro¬ 
technikern ihr Werk. Aufzüge und Dampfheizungen 
werden angelegt und ein Netzwerk von Leitungsdrähten 
für die Verteilung von elektrischem Strom für Beleuch- 
tungs- und Kraftleistungszwecke wird in hundert und 
mehr Kilometer Länge von unten bis oben durch das 
Gebäude gezogen. 
Auf diese Weise wird das Ideal eines amerikanischen 
Geschäftshauses erreicht, welches seinem glücklichen 
Besitzer das aufgewendete Kapital reichlich verzinst. 
Ein Techniker. 
Das Iroquois-Theater in Chicago 
und die Brandkatastrophe vom 30. Dezember 1903. 
Unter diesem Titel ist in Nr. 34 des laufenden Jahr¬ 
ganges der „Deutschen Bauzeitung“ ein Aufsatz von 
Louis Guenzel in Chicago erschienen, den wir für 
wünschenswert halten, unseren Lesern zur Kenntnis zu 
bringen.
	        
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