Volltext: IX. Jahrgang, 1904 (IX. JG., 1904)

Seite 116. 
Oberösterreichische Bauzeitung. 
Nr. 15. 
ratsreferenten Dr. Krenn und Zatzka, des Magistrats¬ 
direktors Dr. Weiskirchner, des Magistratsreferenten 
Dr. Dont, des Bauvizedirektors Rudolf Helmreich und 
des städtischen Architekten Johann Scheizinger, von dem 
die Pläne zur ganzen Anlage herrühren. Sechs Glocken 
in Cis-moll- Akkord gestimmt, von Gössner in Simmering 
gegossen, sorgen für das Geläute. Auf jeder Glocke ist 
das Bild eines Heiligen, das Wappen der Stadt Wien, 
das Bild eines Gemeindefunktionärs, eine Widmungs¬ 
inschrift und ein Glockenspruch von Dr. Jakob Dont 
angebracht. Die Kirche enthält ein 10 Meter breites 
Hauptschiff, 2,3 Meter breite Seitenschiffe, ein Kreuz¬ 
schiff, einen Sakristeianbau und als Gegenstück einen 
kapellenartigen Anbau und hat eine Achsenlänge von 
fast 38 Meter und eine innere Höhe von rund 16 Meter. 
Altar und Seitenaltäre sind aus Marmor. Den Haupt¬ 
altar schmückt das bereits bekannte Triptychon des 
akademischen Malers Hans Zatzka. Ausserordentlich 
geschmackvoll repräsentiert sich die Marmorkanzel samt 
der Schalldecke, ein Geschenk des Hofsteinmetzmeisters 
Ed. Hauser. Besondere Erwähnung verdient das an 
10 Meter lange, vom Kunstschlosser Alexander Nehr aus 
Messing geschmiedete prachtvolle Abschlussgitter des 
Hochaltars, eine Spende der Wiener Schlossergenossen¬ 
schaft. Es muss hier betont werden, dass nahezu die 
ganze Ausstattung der Kirche mit samt den prächtigen 
Glasmalereien, welche die Fenster schmücken, bis auf 
einzelne kleine Geräte herab, Geschenke sind. Auch die 
Orgel, die erst in nächster Zeit aufgestellt werden wird, 
ist ein gemeinsames Geschenk einer ganzen Reihe von 
Wohltätern. An den Kirchenfenstern und an den Kirchen¬ 
stühlen sind die Namen der Spender verewigt. Eine 
interessante Zierde bildet der heraldische Schmuck der 
Kirche. Auf den beiden Türmen sind die 20 Bezirks¬ 
wappen in Majolika angebracht. Im Innern der Kirche 
befindet sich eine ganze Reihe von Genossenschaftswappen. 
Von den fünf Männer- und den fünf Frauenheimen sind 
bei der Eröffnung nur vier Frauen- und drei Männer¬ 
heime der Benützung übergeben worden. Jedes Heim 
bietet in acht Geschossen Raum zur Unterbringung von 
280 Pfleglingen. Ein 126 Meter grosser, doppelt be¬ 
lichteter Tagraum, zugleich Speisesaal, dem eine offene 
Loggia vorgelagert ist, trennt jedes Stockwerk in zwei 
Teile, die eigene Stiegenaufgänge besitzen. Neben jedem 
Speisesaal befindet sich ein Raum zur Speisenausgabe 
mit einem Speisenaufzug, die Abwaschkammer und der 
Aufbewahrungsraum für das Speisegeschirr. Von den 
Speisesälen führen heizbare Wandelbahnen, die jedes 
Stockwerk in der ganzen Länge durchlaufen, einerseits 
zu den Schlafräumen, anderseits zu den Veranden, Bädern 
und den Wasch-, Putz- und anderen Nebenräumen. 
Sämtliche Schlafräume liegen gegen Osten und haben 
eine lichte Zimmerhöhe von 4 Meter. Jedes Geschoss 
enthält Zimmer mit 8, 6 und 4 Betten und zwei Zimmer 
mit je einem Bette, zwei Bäder, zwei Waschräume mit 
je 20 Waschplätzen, zwei Putzräume etc. Im Erdgeschoss 
ist gleich neben dem Eingang eine Wohnung für den 
Hausaufseher untergebracht. 
Die Ehepaarheime haben im allgemeinen dieselbe 
Einteilung. Jedes Heim hat Raum zur Unterbringung 
von 55 Ehepaaren. Der Tag- und Speiseraum hat einen 
Flächeninhalt von 70 Quadratmeter. Die Zimmer haben 
durchwegs zwei Betten; die gemeinsamen Waschräume 
entfallen hier; dafür ist jedes Zimmer mit einem eisernen 
Waschtisch samt Einrichtung ausgestattet. Jedes der 
beiden Krankenheime bietet Raum für 178 Betten. Die 
Raumverteilung und Ausstattung ist nach den neuesten 
Vorschriften durchgeführt. 
Das grosse Zentralküchen-Gebäude ist mit den 
neuesten Maschinen und Kochvorrichtungen ausgestattet. 
Die meisten Maschinen werden durch Elektromotore be¬ 
trieben. Die zubereiteten Speisen werden auf der Roll¬ 
bahn zu den Speiseaufzügen bis in die einzelnen Gebäude 
geführt. Zum Warmhalten der Speisen dienen 201 Stück 
Thermophorgefässe mit je 25 Liter Inhalt. Die Einsegnungs¬ 
kapelle und das Leichenhaus liegen etwas abseits. 
Auf dem Grunde des Versorgungsheimes, inmitten 
eines abgefriedeten 2000 Quadratmeter grossen Gartens 
ist das Josef Wild’sche Stiftungshaus erbaut. Diese 
Stiftung rührt von dem am 2. Mai 1887 in Mauer bei 
Wien verstorbenen Gymnasialprofessor J o s e f W i 1 d her, 
welcher ein Kapital zum Ankäufe eines Hauses bestimmte, 
in welchem Hause „1. bedürftigen Personen, welche in 
einem der in der Stadt Wien befindlichen Spitäler Heilung 
gesucht haben und nach vollständiger Gesundung aus 
dem Spitale entlassen wurden; 2. nach Wien zugereisten 
und im Zeitpunkte ihrer Ankunft in Wien keinen Erwerb 
besitzenden, vermögenslosen Personen; 3. Personen, die 
ihren Ernährer verloren haben und kein zu ihrem Unter¬ 
halte genügendes Vermögen besitzen, Obdach und Ver¬ 
köstigung gewährt wird.“ An die Realisierung dieser 
Stiftung konnte bis jetzt nicht geschritten werden, da 
das Stiftungskapital von 254.771 Kronen 64 Heller nicht 
ausreichte, die Verwaltungskosten bei selbständigem Be¬ 
triebe des Stiftungshauses zu decken. Die Angliederung 
an das Wiener Versorgungsheim bot nun die Möglichkeit, 
die Verwaltungskosten auf das mindeste Ausmass herabzu¬ 
mindern. Das Haus hat Raum für 45 Betten. Im Vestibüle 
ist auf einer roten Marmorplatte das Relief des Stifters 
aus Bronze mit einer Widmungsinschrift angebracht. 
❖ * 
* 
Aus Anlass der Vollendung des städtischen Ver¬ 
sorgungsheimes hat die Gemeinde Wien eine ausführliche 
mit zahlreichen Abbildungen gezierte Festschrift heraus¬ 
gegeben, welche den Armenreferenten Magistratssekretär 
Dr. Jakob Dont zum Verfasser hat. Diese Festschrift 
ist im Verlage der Gemeinde Wien erschienen, kann aber 
auch durch den Kommissionsverlag Martin Gerlach & Ko., 
welcher die geschmackvolle Ausstattung der Festschrift 
besorgte, bezogen werden. 
Ueber Antrag des Bürgermeisters Dr. Lueger hat 
der Stadtrat genehmigt, dass das neue städtische Ver¬ 
sorgungsheim bis zur Belegung dieser Anstalt von Kor¬ 
porationen gegen vorherige Anmeldung beim Präsidium 
des Gemeinderates besichtigt werden kann. 
„ Wiener Kommunalblatt“. 
Technische Notizen. 
Holzstoff-Riemenscheiben. Nach verschiedenen Ver¬ 
suchen wurden im April 1902 die ersten Holzstoff-Riemen¬ 
scheiben zur Erprobung montiert und zur Kraftübertragung 
bei Maschinen angewendet, welche durch periodisch an¬ 
haltenden Zug oder momentanen Stoss eine besondere 
Festigkeit der Transmissionsscheibe erforderten. In 
solchen Kraftwirkungen zeigte sich, dass der Riemen 
weder abrutschte, noch ins Gleiten kam, wie dies bei 
Eisen- und anderen Scheiben der Fall war und dass die 
Holzstoffscheibe vollkommen intakt blieb. Nachdem auf
	        
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