Volltext: IV. Jahrgang, 1899 (IV. JG., 1899)

Seite 66. 
OBERÖSTERREICHISCHE BAUZEITUÑGr. 
Nr. 9. 
Zur Erbauung einer städtischen Schwimm¬ 
schule in Linz. 
I. 
Die Stadtgemeinde Linz geht nun ernstlich daran, 
eine Schwimm schule zu errichten, um auch nach dieser 
Richtung hin die Landeshauptstadt mit einer Anlage zu 
versehen, die heutzutage schon in jeder Provinzstadt 
zweiten Ranges angetroffen wird. 
Ueber die Art und Weise, wie eine Schwimmanstalt 
beschaffen sein muss, soll sie auch den Anforderungen 
der Pädagogen entsprechen und daher als Lehr- und 
Uebungsplatz für die heranwachsende Jugend dienen, 
erhalten wir von einem mit derartigen Anlagen vertrauten 
Fachmanne folgende Zeilen. Eine Schwimmschule ist dort 
anzulegen, wo stilles, ruhiges, klares Wasser ist, und der 
Grund sich allmählich in die Tiefe senkt. Hat man keinen 
günstigen Grund, so muss ein Pussboden die Stelle des¬ 
selben vertreten. Ob die Anstalt auf Pfählen, Flossholz, 
Tonnen oder Schiffsgefässen errichtet werden muss, hängt 
ganz von der Strömung ab. In allen Gebirgsströmen wird 
man gezwungen sein, schwimmende Anstalten herzu¬ 
stellen, die im Herbste aufs Trockene zu bringen sind, 
auch nicht in Gefahr kommen, vom Hochwasser fort¬ 
gerissen zu werden. 
In Flüssen, die ein schwaches Gefälle haben, in 
Teichen und Seen, wird man .am besten die Anstalt auf 
Pfählen errichten. Der Umfang derselben richtet sich 
nach der Zahl der Einwohner und der schwimmfähigen 
Schüler. Hat ein Ort ein Gymnasium, welches von 400 
Schülern besucht wird, so sind von diesen immerhin 
wohl an 100 Schüler abzurechnen, die entweder noch 
nicht hinreichend entwickelt oder durch andere Fehler 
verhindert sind, am Schwimmen theilzunehmen. Ausser 
diesen Eleven der höheren Schule sind wohl vier- bis 
fünfmal soviel Knaben der Volksschule vorhanden, denen 
das Baden und der Schwimmunterricht zugänglich ge¬ 
macht werden muss, so dass, wenn die Hälfte schwimmen 
lernt, auch noch zu obigen 300 etwa 700 bis 800 hinzu¬ 
kommen. Halten wir nun einmal die Zahl 1000 fest, 
welche jährlich Unterricht erhalten sollen, und vertheilen 
diese auf sechs Schulanstalten mit sechs Lehrern, so 
wird sich der Schwimmunterricht am leichtesten so 
durchführen lassen, dass die Anstalt stets nur von einer 
Schule zu einer bestimmten Zeit benutzt wird. 
Jeder Schüler braucht in der Streckanlage 2'5 Meter 
Raum in der Länge, 1-5 Meter in der Breite, da er, wenn 
das Tempo richtig ausgeführt wird, etwa 94 Centimeter 
durchs Wasser streicht. 
Die Gänge zwischen den Schülern sind erforderlich, 
damit der Lehrer zu den einzelnen Schülern hintreten 
und ihm besonders corrigieren kann. Diese Läufer können 
47 Centimeter hoch über den Wasserspiegel hinführen, 
damit die Schüler unter denselben an ihren Uebungsort 
hingehen können. Das Wasser selbst hat eine Tiefe von 
0*94 bis 1*2 Meter. In dieser Abtheilung bleiben die Schüler 
so lange bis sie die Uebungen fehlerfrei ausführen. 
Ueber die Bauanlage der Anstalt als Bassin, Trapeze, 
Cabinen, Wäschetrockungsraum, Geräthekammer, Casse, 
Wohnung des Aufsehers etc. lässt sich nicht Bestimmtes 
angeben, da nicht nur die angewendeten Geldmittel eine 
grosse Rolle dabei spielen, sondern auch jede bedeutendere 
Stadtgemeinde eine technische Kraft in ihrem Bauamte 
besitzen wird, die den Bau einer Schwimmschule den 
neuesten Anforderungen gemäss fertig bringen kann. 
Schliesslich möchte ich den Projectanten einer solchen 
Anstalt auf einige scheinbar nebensächliche Dinge auf¬ 
merksam machen, die in keiner Schwimmschule fehlen 
dürfen. Dies sind die Einrichtungen zum Retten der Er¬ 
trinkenden. Gewöhnlich nimmt man an, dass der Schwimm¬ 
lehrer eine so grosse Fertigkeit in dieser Kunst besitzt, 
dass es ihm ein Leichtes ist, einen Untergesunkenen aus 
dem tiefen Wasser herauszuholen. Dies ist ein Irrthum, 
der für manchen Bademeister schon verhängnisvoll ge¬ 
worden ist. Wenn der Lehrer auch ein fertiger Schwimmer 
und Taucher ist, so bleibt die Rettung eines Unter¬ 
gesunkenen doch eine äusserst schwierige Sache, den der 
Lehrer kann und darf nur dann einem Ertrinkenden nach¬ 
springen, wenn er sich selbst zuvor gesichert hat. Zu¬ 
nächst müssen ihm eine ausreichende Anzahl Stangen zu 
Gebote stehen, von 5 bis 7*50 Meter Länge und 3 Centi¬ 
meter Stärke; einige müsssn mit eisernen Haken ver¬ 
sehen sein, die anderen nicht. Die Stangen legt man am 
zweckmässigsten an der inneren Seite des Bassins auf 
Haken, welche in die Pfähle einzuschlagen sind. Der 
Lehrer mag an irgend einem Punkte des Bassins sich 
befinden; bemerkt er, dass Jemand seiner Hilfe bedarf, so 
hat er sich nur zu bücken, um eine Stange zu fassen, 
um sie dem sich in Gefahr Befindenden hinzuhalten. Ge¬ 
lingt ihm in dieser Weise die Rettung nicht, so ist keine 
Zeit zu verlieren, und er muss dann dem Ertrinkenden 
nachspringen. Zuvor schnallt er sich einen Gurt nach 
Art der Feuerwehr um die Hüften ; derselbe ist an. einer 
Leine befestigt, die sich von einer Rolle abwickelt, und 
so lang ist, dass sie über das ganze Bassin hinreicht. 
Irgend Jemand wird doch zugegen sein, der im schlimmsten 
Falle den Retter mit dem Ertrinkenden heranzieht. An 
der inneren Seite des Schwimmbassins sind 0*3 Meter 
hoch horizontal über dem Wasserspiegel an den Pfählen 
sich hinziehende Latten zu befestigen, an welchen sich 
die Ermüdeten halten können. Mit diesen Einrichtungen 
versehen, unter der Aufsicht umsichtiger Lehrer, wird 
eine Schwimmanstalt selten ein Unglück zu beklagen 
haben. 
In einem nächsten Aufsatze werden wir die Bauanlage 
und Einrichtung der im Project stehenden städtischen 
Schwimmschule in Linz einer Besprechung unterziehen. 
: •' W. S. 
Die Bauernkunst. 
In den „Technischen Künsten", wie man die Aeusse- 
rung der Kunst in den handwerklichen Erzeugnissen 
bezeichnen kann und welche vorwiegend -auf architekto¬ 
nischer Grundlage beruhen, hat die Entwicklung und 
Weiterbildung, wie in der Architektur selbst, stets auf 
Vorhergegangenem stattgefunden. Die fortschreitenden 
Veränderungen betrafen zunächst den structiven Bau 
und an diesen schlössen sich sodann organisch die 
schmückenden Bestandteile in plastischer oder farbiger 
Darstellung an. Die Schmuckelemente sind daher in ihrer 
Selbständigkeit insofern beschränkt, als sie eine begleitende 
Zierde derjenigen Grundformen zu bilden haben, welche 
einerseits von der Natur und Bearbeitungsfähigkeit des 
Stoffes abhängig sind, andererseits durch Zweck und 
Gebrauch des Gegenstandes bedingt werden. 
In letzter Beziehung haben Sitten und Bedürfnisse 
der Zeit ihren mächtigen Einfluss geäussert. Sie sind es 
zunächst gewesen, die in ihrer stetigen Veränderlichkeit 
bestimmend wurden für die Umbildung der Formen in
	        
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