Volltext: III. Jahrgang, 1898 (III. JG., 1898)

Nr. 15. 
OBERÖSTERREICHISCHE BAUZEITUNG. 
Seite 115. 
Lasten aus diesem Titel neuerdings auf die Schultern der 
Unternehmer zu wälzen. Die Angst bewog viele zur Ein¬ 
gehung der Haftpflichtversicherung, aus der die Privat¬ 
versicherung die lucrativsten Geschäfte machte. That- 
sächlich finden sich in den acht Jahren des Bestandes 
der Anstalt aus 14.000 Uufällen nur 5, welche infolge einer 
vorausgegangenen strafgerichtlichen Verurtheilung einen 
Schadenersatz von zusammen 4000 fl. zur Folge hatten! 
Auch das Gutachten der k. k. Generalprocuratur über die 
strafrechtliche Qualification betrügerischer Beitragshinter¬ 
ziehungen wurde, obwohl seitens der gefertigten Anstalt 
bisher eine strafgerichtliche Anzeige noch niemals erstattet 
wurde, zu Agitationszwecken ausgenützt. Kurz alles ist 
darauf angelegt, die die Anstalten, deren Vorstände unter 
Mitwirkung gewählter Vertreter der Industrie und unter 
der Aufsicht der Staatsgewalt die Bestimmungen des 
Unfallversicherungsgesetzes zur Durchführung bringen, 
als Feinde der Industrie hinzustellen. 
Wir sind weit davon entfernt, die Reformbedürftigkeit 
des Unfallversicherungsgesetzes in Abrede zu stellen, wir 
sind bei jeder Gelegenheit mit allem Nachdrucke für die 
Reform eingetreten, anderseits aber erachten wir es als 
unsere Pflicht, das vorhandene Gute gegen unbegründete 
Vorwürfe zu vertheidigen. 
Nach diesen allgemeinen Erörterungen möge es uns 
gestattet sein, die näheren Details der Betriebsrechnung 
und Bilanz für das Jahr 1897 zu besprechen. 
Mit dem Beginne des Jahres 1897 sind nicht unbe¬ 
deutende Herabsetzungen der Gefahrengrade für gewisse 
Industriezweige (Granit-und Marmor-Industrie,Warenlager- 
und Mietwagen-Unternehmungen und dergl.) in Wirk¬ 
samkeit getreten, während im Uebrigen die Einreihungen 
sowie der Beitragstarif aufrecht erhalten blieben. Die be¬ 
deutende Steigerung der Prämieneinnahme — 491.891 fl. 
84 kr. — gegenüber dem Vorjahre 445.841 fl. 84 kr. — 
lässt sich also nur in der erhöhten Thätigkeit gewisser 
Betriebsgruppen erklären; welche derselben daran parti- 
cipieren, lässt sich heute noch nicht mit Sicherheit fest¬ 
stellen. Die später erscheinende Statistik, deren Bearbeitung 
wegen der schwebenden Revision der Gesamintstatistik 
aller früheren Jahrgänge aufgeschoben werden musste, 
wird hierüber näheren Aufschluss geben. Zu bemerken 
ist, dass neben der obligatorischen auch die freiwillige 
Versicherung eine nicht unerhebliche Steigerung erfahren 
hat, indem für 661 freiwillig versicherte Personen mit 
einer einbekannten Jahreslohnsumme von 216.279 fl. eine 
Beitragssumme von 2966 fl. 79 kr. (1896: 978 fl. 37 kr.) 
zur Vorschreibung gelangte. 
Zur Anzeige gelangten 2234 (2008*) Unfälle, darunter 
62 (51) Todesfälle, 326 (286) mit voraussichtlich dauernder 
Erwerbsbeeinträchtigung. Ueber die an die Anstalt ge¬ 
stellten Entschädigungsansprüche wurden 2891 (2596) 
beim Schiedsgerichte anfechtbare Bescheide hinausgegeben, 
davon betrafen: 2583 (2312) Bescheide die Zuerkonnung 
von Renten an Verletzte; 69(54) Bescheide die Zuerkennung 
von Renten an Hinterbliebene tödtlich Verugltickter ; 
99 (133) Bescheide die Ablehnung des Entschädigungs¬ 
anspruches mangels eines Betriebsunfalles; 140 (97) Be¬ 
scheide die Abweisung aus anderen Gründen z. B. wegen 
vollkommener Wiederherstellung. 
Gegen diese Bescheide wurden bei dem Schieds¬ 
gerichte der Anstalt 90 (81) Klagen eingebracht, hiezu 
kommen 3 (4) aus dem Vorjahre unerledigt gebliebene 
*) Die Klammern enthalten die bezüglichen Zahlen des Vorjahres. 
Klagen, sodass im Ganzen 93 (85) Klagen zu behandeln 
waren. Hievon wurden bisher 91 (82) erledigt und zwar 
wurde in 49 (45) Fällen unter Bestätigung der Entscheidung 
der Anstalt das Klagebegehren abgewiesen, in 33 (24) Fällen 
demselbem ganz oder theilweise stattgegeben; in einem 
Falle submittierte die Anstalt auf Grund des Resultates 
spät erer Erhebungen dem Klagebegehren, wogegenöKlagen 
von den Parteien zurückgezogen wurden; 5 Fälle (hier¬ 
unter 3 wegen Nichtauffindbarkeit des Klägers) sind noch 
anhängig. Die immer weiter dringende Anschauung, dass 
der Kläger aus dem schiedsgerichtlichen Verfahren nur 
gewinnen nichts aber verlieren könne — die Kosten des 
Verfahrens treffen ohne Rücksicht auf den Ausgang des 
Processes fast ausnahmslos die Anstalt — trägt nicht 
wenig dazu bei, dass die Klagen trotz des grösstmöglichen 
Entgegenkommens der Anstalt beim Rentenzuspruche 
zunehmen. 
Die grosse Zahl der abändernden Entscheidungen 
des Schiedsgerichtes könnte zu der Anschauung führen, 
dass die Anstalt in ihrem Rentenzuspruche nicht ent¬ 
sprechend vorgehe. Wir glauben dies dadurch aufklären 
zu können, dass die Rentenzuerkennung sich hauptsächlich 
auf das Gutachten der Aerzte stützt. Während nun die 
Anstalt im Stadium des Erhebungsverfahrens durch § 31 
U.-G. an die Administrativbehörde gewiesen die k. k. Be¬ 
zirksärzte, in besonderen Fällen Specialisten zu Rathe 
zieht, kommen im schiedsgerichtlichen Verfahren nur die 
am Gerichtsorte sesshaften Gerichtsärzte zur Verwendung, 
welche mit dem Wesen und den Zielen der Unfallver¬ 
sicherung zumeist wenig vertraut sind. So beklagenswert 
dieser Umstand der Rechtsfindung sein mag, hält es die 
Anstalt im Hinblicke auf die bestehenden Vorschriften 
nicht für thunlich, von ihrer Gepflogenheit abzugehen und 
geben wir uns der Hoffnung hin, dass die Erfahrungen 
allmählich einen Ausgleich der divergierenden Anschau¬ 
ungen bewirken werden. 
An baren Entschädigungen wurden im Rechnungsjahre 
insgesammt 206.287 fl. 88 kr. (174.512 fl. 36 kr.) veraus¬ 
gabt und gibt über deren Art die Betriebsrechnung detail¬ 
lierten Aufschluss. 
Dauernde Renten wurden an 210 (204) Invalide bei 
einem versicherten Jahreslohne von 75.873 fl. 51 kr. 
Jahresrenten im Betrage von 17.347 fl. 73 kr., an 38 (25) 
Witwen bei einem versicherten Jahreslohne von 14.648 fl. 
08 kr. Jahresrenten im Betrage von 2608 fl. 73 kr., und 
an 75 (37) Kinder bei einem versicherten Jahreslohne von 
27.716 fl. 34 kr. Jahresrenten im Betrage von 2974 fl. 
17 kr. zuerkannt. 
Es standen somit mit Schluss des Rechnungsjahres 
im Bezüge dauernder Renten: 1065 Invalide mit einem 
Deckungscapital-Erfordernisse von 1,075.382 fl. 28 kr., 
196 Witwen mit einem Deckungscapital-Erfordernisse von 
192.471 fl. 21 kr., 332 Kinder mit einem Deckungscapital- 
Erfordernisse von 92.438 fl. 82 kr., 26 Ascendenten mit 
einem Deckungscapital-Erfordernisse von 12.292 fl. 14 kr.; 
zusammen 1619 Anspruchsberechtigte mit einem Deckungs¬ 
capital-Erfordernisse von 1,372.684 fl. 45 kr. 
Hierzu war noch die im Wege der Einschätzung er¬ 
mittelte Reserve für 1659 bereits im Rentenbezuge stehen¬ 
den Invalide zu hinterlegen, bezüglich welcher die end- 
giltige Feststellung der allfällig dauernd verbleibenden 
Folgen dermalen noch nicht erfolgen konnte; hiefür er¬ 
gab sich als voraussichtliches Erfordernis der Betrag von 
732.959 fl. 75 kr. Die gesammte zur Deckung der künftigen 
Rentenleistung aus den bereits angefallenen Unfällen er-
	        
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