Volltext: II. Jahrgang, 1897 (II. JG., 1897)

Nr. 11. 
OBERÖSTERREICHISCHE BAUZEITUNG. 
Seite 83. 
eine kurze unterirdische Rohrleitung für Regenwasser¬ 
fortführung herzustellen. Jedenfalls macht die Fortführung 
des gelten kommenden Regenwassers in Kleinstädten bei 
weitem nicht die Sorge wie die Fortführung des täglich 
und dauernd in den Haushaltungen erzeugten Wirtschafts-, 
Closet- und Gewerbewassers. Danach muss es genügen, 
wenn man eine Canalisation nur für diese Wässer ein¬ 
richtet, deren Menge in 1 Secunde der Stunde des 
grössten Wasserverbrauchs für 25.000 Einwohner nach 
Erfahrungssätzen nur auf rund 60 Liter zu schätzen ist 
oder auf 0*5 Secundenliter von 1 Hektar Stadtfläche. Es 
liegt auf der Hand, dass eine solche Canalisation nach 
dem Trennungssystem (Schwemmcanalisation ohne Regen¬ 
wasser) wegen ihrer geringfügigen Wassermengen erheb¬ 
lich billiger sein muss, als die nach dem Schwemmsystem 
mit den gewaltigen Regenwassermengen. In der That 
schwanken die Kosten des Trennungssystems für 1 Hektar 
Stadtfläche zwischen 2500 und 4500 Mk. und unsere Stadt 
würde dafür rund etwa 400.000 Mk. aufzuwenden haben. 
Die Amortisation und die Verzinsung einer solcher Summe 
kann aber jedes aufstrebende Gemeindewesen möglich 
machen. 
Nimmt man an, dass die jährliche Tilgung, Ver¬ 
zinsung und Betriebsführung des Trennungssystems 
34.000 Mk. kostet und dass 25.000 Einwohner auf 1700 
Grundstücken zu je 3 Familien wohnen, so hätte jedes 
Grundstück eine jährliche Oanalisationsabgabe von 20 Mk., 
jede Familie von kaum 7 Mk. aufzubringen, wofür alles 
Schmutzwasser und die Abtrittsstoffe auf der Stelle bequem 
und dauernd zum Abfluss kämen. Selbst wenn der Haus¬ 
besitzer noch den, auf die Mieter mit Recht theilweise 
abzuwälzenden, Wasserzins und die Verzinsung der Bau¬ 
kosten der Hauscanalisation (200 bis 600 Mk. für das 
Grundstück) in Rechnung stellte, so würde sich zeigen, 
dass mittels des gesteigerten Mietswertes der Häuser die 
Kosten eines Trennungssystems bequem bestritten werden 
können, — wenn man nur überhaupt seine Stadt an den 
Vortheilen einer zeitgemässen Gesundheitspflege und den 
häuslichen Annehmlichkeiten einer Canalisation Antheil 
nehmen lassen will. 
Im allgemeinen wird die Canalisition nach dem 
Trennungssystem so* ausfallen, dass in jeder Strasse ein 
oder zwei Strassenrohre liegen, deren mehrere sich in 
einem Zweigrohr vereinigen und dass mehrere Zweigrohre 
sich einem Stammrohr anschliessen. Dieses beginnt am 
abgelegensten Punkte des Entwässerungsgebietes, durch¬ 
zieht die Stadt der Länge nach und endigt am tiefsten 
Punkt der Stadtfläche. Die Canalisationsleitungen werden 
also wie die Verzweigungen eines.Baumes ausgelegt sein. 
Aber nicht immer ist ein solcher Plan leicht durch¬ 
führbar. In viel mehr Fällen, als man glauben möchte, 
wäre er fehlerhaft und würde dauernd die Interessen dei 
Stadtgemeinde schädigen. 
Es zeigt sich nämlich oft, dass das Stammrohr der 
Canalisation, wegen seiner Länge und wegen der horizon¬ 
talen Lage der Stadtfläche ein sehr schlechtes Sohien- 
gefäll erhalten muss, namentlich dann, wenn das Grund¬ 
wasser hoch steht und man mit dem unteren Ende des 
Stammrohrs nicht allzu tief unter Pflaster kommen will. 
Da bei solchen örtlichen Verhältnissen auch erhebliche 
Strecken der anderen Zweig- und Strassenrohre entweder 
schlechte Gefälle erhalten oder mit dem Stammrohr untei 
schwierigen Verhältnissen tiefer angeordnet' weiden 
müssen, so würde eine solche Canalisations anläge mit 
Nothwendigkeit stark erhöhte Bau- und Betriebskosten 
entstehen lassen, ohne dass sie als eine vollkommene 
bezeichnet werden könnte. 
Das Baumschema ist auch für den Fall unpassend, 
wenn die Stadt hoch und niedrig gelegene Flächen hat 
und wenn die Stadtwässer an der Pumpstation (am Tiefen¬ 
punkt) gehoben werden müssen: in solchem Falle müsste 
man diejenigen Wässer wieder heben, die in den hoch 
gelegenen Stadttheilen sich schon hoch befanden. Auch 
würden gute Gefälle mit schlechten wechseln, steile 
Zwischenleitungen würden die hoch gelegenen Rohre mit 
den tief gelegenen verbinden, und es würde in einem 
solchen Rohrsystem die durchaus gebotene Stetigkeit im 
Abfluss der Stadtwässer gehindert sein. 
Es können also erhebliche örtliche Schwierigkeiten 
vorliegen, die es recht unzweckmässig machen, die Stadt, 
wenn schon nach dem Trennungssystem, so doch nach 
dem besprochenen Schema (mit einem Tiefenpunkte) zu 
canalisieren. Dann aber überwindet man solche Schwierig¬ 
keiten, wie es flache und niedrige oder hügelige Stadt¬ 
oberflächen, hoher Grundwasserstaud, lange Sammler und 
Stammrohre mit schlechten Gefällen (1 :600 bis 1 :1500) 
sind, durch folgende Ausführungsart der Canalisation: 
Anstatt eines Tiefenpunktes ordnet man mehrere 
Tiefenpunkte im Stadtgebiet an; man zerlegt also die 
Stadtfläche, je nach den örtlichen Verhältnissen in vier, 
fünf und mehr Entwässerungsgebiete, deren jedes seinen 
Tiefenpunkt natürlich möglichst in seiner Mitte erhält. 
Dem centralen Tiefenpunkte jedes Gebietes fliessen von 
allen (vier) Seiten die in radial angeordneten Rohren 
ankommenden Schmutzwässer zu. Ein sofortiger Erfolg 
dieser Einrichtung ist dann der, dass die Stadtwässer 
nirgendwo zu erheblichen Wasseradern anschwellen und 
dass man den Strassenrohren wegen ihrer geringen Länge 
von 200 bis 600 Meter bei guten Gefällen (1 :200 bis 
1 :400) geringe Weiten (von 18 bis 25 Centimeter)'geben 
kann, die nicht nur billiger sind, sondern auch stets 
vortheilhafter, als unnütz grosse Rohrweiten von 25 bis 
50 Centimeter. Solche engen Leitungen mit starkem 
Gefälle lassen offenbar in betriebstechnischer und gesund¬ 
heitlicher Hinsicht nichts zu wünschen übrig. 
Der eben vorgeführte Plan der Canalisationsanlage 
hat, wie jeder zugeben wird, seine zweifellosen Vorzüge, 
— es fragt sich nur, auf welche einfache Weise inan die 
in den Tiefenpunkten ankommenden Wässer weiterbeför¬ 
dern kann. Offenbar muss in jedem Tiefenpunkt Raum für 
eine bestimmte Wassermenge, sodann ein Hebewerk zu 
deren Fortführung vorhanden sein; auch ist eine Betriebs¬ 
kraft nöthig, die im richtigen Augenblick das Hebewerk 
in Thätigkeif setzt. 
Als solche Betriebskraft ist nun aus technischen 
und praktischen Gründen allein die Druckluft geeignet. 
Dieses Medium wird an einer ganz beliebigen Stelle 
der Stadt erzeugt und mittels engen, eisernen Rohr¬ 
leitungen den an den einzelnen Tiefenpunkten der Stadt- 
canalisation vorhandenen Hebewerken zugeführt. Die 
Hebewerke selber, Ejectoren genannt, befinden sich unter 
dem Strassenpflaster in besteigbaren Kammern. 
Fassen wir das zu Gunsten einer Druckluftcanali- 
sation Vorgeführte zusammen und vergleichen wir sie mit 
der Schwemmcanalisation, so ergibt sich Folgendes: 
1. Die Schwemmcanalisation (mit Regenwasser) ist ein 
sehr theures Städtereinigungssystem, das namentlich 
sogleich eine kostspielige Stammanlage erfordert, 
deren technische und wirtschaftliche Ausnutzung 
erst nach langen Jahren erfolgen kann.
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.