Nr. 5.
OBERÖSTERREICHISCHE BAUZEITUNG.
Seite 37.
Wie bei allem Neuen, so geht es auch hier: es will
eingeführt und bekanntgemacht sein ; man darf aber an¬
nehmen, dass sich diese Neuerung, die es vornehmlich auf
das Sparen abgesehen hat, rasch überall Geltung ver¬
schafft, denn bereits werden nach dem System in Nord
und Süd schon grössere Bauten ausgeführt. Zur Spar¬
samkeit kommt namentlich aber die Anpassungsfähigkeit
der Bauart an die verschiedenen Verhältnisse in Betracht.
Wie oft muss der Baustein meilenweit herbeige¬
schafft werden und wie manchmal kommt es vor, dass
die Backsteine ein rarer Artikel sind; wie schön ist’s da
und wie unabhängig ist man, wenn man mit dem in
nächster Nähe liegenden Bauschutt, Kies, Sand u. s. w.
die Bauten aufführen kann! Nach Billigkeit muss heute
überall getrachtet werden, und im Baufach erst recht.
Nicht an Luxusbauten fehlt es, aber an menschenwürdigen
Wohnstätten für den kleineren Stand und da kann einzig
nur noch durch Billigkeit der vielersehnte Erfolg erreicht
werden. L. Wagner.
Technische Mittheilungen.
Pariser Weltausstellung von 1900.
Unter den originellen Ideen, die der nächsten Pariser
Weltausstellung einen Anziehungspunkt ähnlich dem
Eiffelthurm der Ausstellung von 1889 geben sollen, ver¬
dient wohl keine eine höhere Beachtung als das Project
von Borgel-Court. Dieser beabsichtigt nämlich, wie uns
das Patentbureau von H. & W. Pataky in Berlin mit¬
theilt, einen Erdglobus aus Metall mit einem Durchmesser
von 150 Metern aufzustellen, der so angeordnet sein soll,
dass der Besucher in 80 Minuten die interessantesten
Länder der Erde durcheilen, ihre hauptsächlichsten Sehens¬
würdigkeiten bewundern, mit einem Blick ihre Industrien
überschauen und ihre Bewohner in Nationalcostüm bei
ihrer täglichen Beschäftigung beobachten kann; kurz,
man würde sich wie durch ein Wunder Tausende von
Meilen von Paris entfernt glauben, ohne die Unannehm¬
lichkeiten einer stürmischen Seereise mit in Kauf neh¬
men zu müssen.
Das Innere des Globus wird von zwei elektrischen
Bahnen umfahren, die alle hervorragenden Punkte nach
und nach zu besichtigen gestatten. Hierzu kommen noch
vier Aufzüge in der Mitte, wodurch man allmählich, von
Etage zu Etage, immer höher bis zur obersten Plattform
gelangt, von wo sich dem Beschauer ein überraschender
Anblick der Ausstellung und von ganz Paris aus der
Vogelperspective bietet. Vier Gallerien laufen rings um
den Globus, wodurch man in der Lage ist, die Versccie-
denheiten der Erdoberfläche zu studieren, die durch Ma¬
lerei auf der metallenen Umhüllung angedeutet sind. Die
Reise um die Erde soll mit einem Besuch der Stadt
Paris beginnen. Wir werden das echte Pariser Leben
kennen lernen, Magazine, Restaurants, Cafes, Concerte,
Theater und andere Sehenswürdigkeiten. Von Paris nach
London wird die Reise durch den Tunnel unter dem
Canal vor sich gehen. Die eine Seite des Tunnels soll
aus Glaswänden bestehen, so dass man während des
Fahrens die im Canal lebenden Fische beobachten kann,
wobei das Meer durch ein kolossales Aquarium nachge¬
ahmt ist. In der zweiten Etage sollen wir die Küste von
England, die Themse und ihre Schiffahrt, die Attractions-
punkte Londons die grosse Brücke des Westminster-
Palais, den Tower und auch das Londoner Leben in
seinen Hauptseiten kennen lernen. Hierauf begeben wir
uns nach Russland. Wir bestaunen Moskau und den
Kreml, seine Kathedralen und die fremdartigen Trachten
seiner Krämer und Bauern, wir lernen auf den Festen
seiner Bauern und Matrosen die malerischen Seiten russi¬
schen Lebens kennen. Auch das Innere einer sibirischen
Quecksilbermine soll uns gezeigt werden. Hierauf ver¬
lassen wir Europa und begeben uns nach den übrigen
Erdtheilen. Im Fluge durchqueren wir Algier und Tunis
und dringen ins dunkelste Afrika vor; Tuaregs, Suda¬
nesen, Marokkaner und Abessinier können wir in ihrem
häuslichen Leben beobachten. Dann kommen die süd¬
afrikanischen Gegenden, darunter die Cap-Colonie mit
ihren Diam inten- und Goldfeldern. Nachdem wir noch
Madagaskar besichtigt und dem Einzug der französischen
Truppen in die Hauptstadt Tananarivo beigewohnt haben,
werden wir nach Nord-Amerika versetzt, wo wir Chicago
mit seiner Weltausstellung und seinen zwanzigstöckigen
Häusern, den Far-West, New-York, den Niagara-Fall?
Californien mit St. Franzisko und endlich die Halbinsel
Florida zu sehen bekommen. Und so besuchen wir hinter¬
einander noch Süd-Amerika, China und Japan und end¬
lich Australien, hier besonders Sidney und Melbourne.
Sollte diese kühne Phantasie zur Wirklichkeit werden,
so wird es sicher für die Erziehung und Belehrung der
Massen von grossem Nutzen sein. Denn während einer
solchen Reise um die Erde in 80 Minuten wird ein kluges
Kind gewiss mehr Kenntnis von den fremden Ländern
erlangen, als sonst in jahrelangem Unterricht in der
Geographie. Die einzigen Länder, die wir bei diesem
Project vermissen, sind die Länder des Dreibundes; man
sieht, die Franzosen wollen uns auf jeden Fall todt-
schweigen. Es würde sie aber gewiss sehr unangenehm
berühren, wenn wir auch bei der Beschickung und dem
Besuch ihrer Ausstellung so thun würden, als wenn wir
nicht existierten.
Die höchste Schiessleistung.
Es dürfte unsere Leser interessieren, etwas über das
Geschütz zu vernehmen, das bis jetzt in Bezug auf weites
Schiessen dem Weltrecord erlangt hat. Es ist dies, wie
uns das Patentbureau von H. & W. Pataky in Berlin
mittheilt, eines der 18 Geschütze, die von der Firma
Krupp auf der Chicagoer Weltausstellung ausgestellt
waren und die Bewunderung aller Fachleute im höchsten
Grade erregten. Unter diesen Kanonen fielen damals be¬
sonders zwei auf, ein 33 Kaliber langes 42 Centimeter-
Geschütz mit einem Rohrgewicht von 190.400 Kilogramm
als das schwerste, und ein 40 Kaliber langes 24 Oenti-
meter-Geschütz als das am weitesten schiessende Geschütz
der Welt. Wird dieses letztere abgeschossen und zwar
bei einer Elevation des Geschützrohrs von 44 Grad, so
beträgt die Schussweite von der Geschützmündung bis
zum ersten Auftreffen des Geschosses auf den Boden
20.226 Meter, also beinahe 3 Meilen. Das Geschoss erreicht
als höchsten Punkt auf seiner Bahn die ansehnliche
Scheitelhöhe von 6540 Meter und gebraucht bis zum
ersten Auftreffen eine Flugzeit von 70*2 Sekunden. Um
sich hiervon eine rechte Vorstellung machen zu können,
denke man sich das Geschütz in dem 1000 Meter über
dem Meeresspiegel gelegenen Pre St. Didier mit der
Richtung auf die Spitze des Mont Blanc und der grösst-
möglichen Erhöhung von 44 Grad aufgestellt und abge¬
feuert. Der höchste Punkt der Flugbahn des Geschosses,
der Scheitelpunkt liegt in diesem Fall genau über dem