Volltext: II. Jahrgang, 1897 (II. JG., 1897)

Nr. 4. 
OBERÖSTERREICHISCHE BAUZEITUNG. 
Seite 29. 
gekomraen; unter welchem der etwa beabsichtigte sinn¬ 
bildliche Gedanke der Pflanze beinahe verschwindet. 
Die Verwendung der Pflanze im Ornament ist daher 
nichts weniger als eine willkürliche, blos der Laune und 
der Zufälligkeit individuellen Geschmackes gehorchende. 
Sobald die Pflanze oder Bestandtheile derselben eine Ver¬ 
bindung mit anderen architektonischen Elementen, wie: 
Friesen, Füllungen, Profilierungen Bekrönungen, geraden 
und krummen Flächen etc., eingegangen ist, hat sie sich 
Bedingungen zu unterwerfen, die durch die Vernunft 
vorgeschrieben im Laufe der Zeiten zu Gesetzen gewor¬ 
den sind. Solche Bedingungen sind uns durch die Tra¬ 
dition, die Ueberlieferung, erhalten geblieben und ihre 
Berücksichtigung befähigt uns bei neuem geistigen Schaffen 
nicht nur die sinngemässe, sondern auch die stylgemässe 
Anwendung der Pflanzenformen auf Gegenstände der 
Kunst zur bildlichen Darstellung zu bringen. Alles Suchen 
und Tasten nach einer neuen Geschmacksrichtung ist 
vergeblich, wenn es nicht auf diesen Grundlagen ge¬ 
schieht, und auch in der Kunst gibt es ein allgemeines 
Entwicklungsgesetz, wie es in der Natur und der natür¬ 
lichen Pflanze vorhanden ist. d. r. 
Aus den Gemeinderaths-Sitzungen in Linz. 
In der am 5. d. M. unter dem Vorsitze des Bürger¬ 
meisters Poche abgehaltene Sitzung kamen folgende Bau¬ 
angelegenheiten zur Verhandlung. Ueber das Project für 
einen combinierten Entlastungs-Sammel- und Vorortecanal 
berichtet Vicebürgermeister König nnd beantragt: 
1. Der Gemeinderath beschliesse, das vom Stadtbau¬ 
amte ausgearbeitete generelle Project vom Jänner 1897 
über den Bau eines combinierten Entlastungs- und Vor- 
ortecanales wird im Principe dann genehmigt, wenn seitens 
der interessierten Körperschaften und Industrie-Unter¬ 
nehmungen entsprechende Beiträge, deren Gesammthöhe 
bei einer Baukostensumme von 350.000 fl. mit circa 100.000 fl. 
in Aussicht genommen wurde, zugesichert werden. 
2. Diese Interessenten, und zwar das Land Oberöster¬ 
reich nomine der Landesirrenanstalt, die Firma Heinrich 
Franck Söhne, die Locomotivfabrik Kraus & Comp., die 
Lackfabrik Lechler & Sohn, die Brauerei Poschacher und 
die Actiengesellschaft Union (Augsburg) sind unter Be¬ 
kanntgabe der Baukosten und des Bauprojectes, welches 
zu diesem Zwecke im Bureau (Rathhaus) aufzulegen ist, 
sowie unter Mittheilung des Gemeinderathsbeschlusses 
ad 1 einzuladen, ehethunlichst schriftliche Erklärungen 
bezüglich ihrer Beitragsleistung zu dem in Aussicht ge¬ 
nommenen Canalbaue abzugeben. 
3. Bei dem hohen Landtage, um allen etwa auftau¬ 
chenden Zweifeln bezüglich der Verpflichtung, in den 
Vororten bestehende oder neu zu erbauende Häuser an 
die zu erbauenden Strassencanäle anzuschliessen, zu be¬ 
gegnen, sofort eine Petition mit der Bitte zu überreichen, 
durch entsprechende Gesetze die Titel der Gesetze vom 
16. August 1875, vom 28. November 1884 und vom 25. April 
1894, sowie die §§ 1 der beiden letztgenannten Gesetze 
dahin abzuändern, dass an Stelle der Worte „der Landes¬ 
hauptstadt Linz“ die Worte „des Gemeindegebietes Linz“ 
zu ersetzen kommt. 
Auf eine Anfrage des Gemeinderathes Hassack, ob 
die Erbauung eines so grossartigen Canales in dem noch 
wenig entwickelten Stadttheile nicht zu verfrüht sei, er¬ 
widert der Referent Vicebürgermeister König, dass dieser 
Canal schon 1874 und noch früher projectiert war und 
zur Entwässerung des betreffenden Stadttheiles, in welchem 
sich nebst anderen humanitären Anstalten auch das neue 
Versorgungshaus befindet, und zur Entlastung des grossen 
Canales, also in sanitärer Beziehung nothwendig sei. Der 
Antrag des Referenten wird sohin einstimmig angenommen. 
Es folgt hierauf der Antrag des Gemeinderathes Heller, 
betreffs der Pflasterung des als öffentlich erklärten Pari- 
ficatweges beim Spindelbalkergute auf dem Freinberge, 
bezüglich dessen bekanntlich der Gemeinderath in der 
Sitzung vom 21. October 1896 beschlossen hatte, dass dieser 
Weg als ein Öffentlicher erklärt werde und die Stadtge- 
meinde die Herrichtung und Erhaltung desselben über¬ 
nehme und beantragt, es sei von obigem Gemeinderaths- 
beschlusse nicht abzugehen und Herrn Spindelbalker zu 
bedeuten, dass ihm der Recurs an den Landesausschuss 
offen stehe. 
Local-Baunachrichten. 
Betonbau-Geschäft und Ceinentwaren-Fabrik. Herr 
Josef Simon, Baumeister in Linz, hat die bekannte Cement- 
waren-Fabrik von weiland Johann Bauer, Göthest.rasse 22 
käuflich an sich gebracht und wird dieselbe mit dem neu 
von ihm errichteten Betonbau-Geschäfte unter der Firma 
Josef Simon, Baumeister (Johann Bauers Nachfolger) 
weiterführen. 
Wasserleitung im bischöflichen Knaben-Seminar in 
Urfahr. Auf mehrere Anfragen haben wir bekannt zu 
geben, dass die Einführung der Wasserleitung, sowie die 
Anlage der Closets und Pissoirs im bischöflichen Knaben- 
Seminar in Urfahr von der Wiener Firma J. Amman be¬ 
sorgt wird, die diese Arbeiten bei der im vorigen Sommer 
stattgehabten Offertverhandlung als Mindestfordernis er¬ 
standen hat. 
Velocipede-Schule. Im Neubau des Herrn Johann Jax, 
Ecke der Bürger- und Humboldtstrasse, kommt in dem 
für Geschäftszwecke bestimmten Theile eine grössere 
Localität zur Anlage, in welcher Unterricht im Radfahren 
ertheilt wird. 
Ein komischer Bauprocess wird uns aus einer Provinz¬ 
stadt Oberösterreichs gemeldet. Bei einem Neubau über¬ 
trug der Bauunternehmer, wir wollen ihn A nennen, dem 
Zimmermeister, er heisse B, mittelst Vertrag für das zu er¬ 
richtende Wohnhaus die gesammten Zimmermannsarbeiten 
für einen im Pausch und Bogen verabredeten Preis. B hat 
ausserdem auf dem Bauplatze eine Bauhütte, 30 Fuss 
lang, 16 Fuss tief und 15 Fuss hoch mit 2 verschliess- 
baren Thüren, errichtet, die erforderlichen Nägel dazu 
geliefert und beanspruchte dafür ausser dem stipulierten 
Gesammtpreis noch eine Entschädigung von 25 fl. Ferner 
hatte derselbe 2 interimistische Aborte hergestellt, für 
welche er per Stück 8 fl. in Anschlag brachte. Da A die 
Zahlung dieser Beträge verweigerte, so wurde B klagbar. 
Im Processe machte der Verklagte den Einwand, dass 
zu den gesammten Zimmermannsarbeiten auch die Zu¬ 
stellung einer Bauhütte und interimistischer Aborte ge¬ 
hört. Denn Beides sind Zimmermannsarbeiten und sind 
beim Baue unerlässlich. Das Gericht zog einen Sach¬ 
verständigen zu Rathe und verurtheilte den Geklagten 
zur Zahlung der Summe, indem er anführte, dass zu den 
im Pausch und Bogen übernommenen Zimmermanns¬ 
arbeiten weder die Herstellung einer Bauhütte, noch die 
Errichtung von Aborten gezahlt worden sei. Die Naivität 
des Herrn Provinz-Baumeisters wird in der Landeshaupt¬ 
stadt viel zu lachen geben.
	        
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