Volltext: II. Jahrgang, 1897 (II. JG., 1897)

ÖBERÖSTERREICHISCHE BAUZEITUNG. 
Die Wände sind in der vornehmen Weise der sogenannten 
dritten (jüngsten) Periode decoriert. 
Noch grösseres Interesse erweckten die Zimmer, denn 
sie enthalten einen ganz ungewöhnlichen Reichthum an 
grossen Wandgemälden, die auf dem Untergründe des 
dunklen Roth der Wände in den frischesten Farben prangen. 
Eins am Atrium enthält Darstellungen des Cyparissus mit 
der sterbenden Hirschkuh und eines Kampfes zwischen 
Eros und einem kleinen Pan (Paniscus), dem Bacchus 
zuschaut. Zwei andere, ziemlich grosse Räume stossen an 
das .Peristyl. Das eine, schon vollständig ausgegrabene, 
ist mit Gemälden aus dem thebanischen Sagenkreise ge¬ 
schmückt und von diesen fesselte eins rechts vom Ein¬ 
gang die Aufmerksamkeit Aller im höchsten Grade, denn 
es stellt die aus der Kolossalgruppe des sogenannten 
farnesischen Stiers in Neapel allbekannte Scene in einer 
dieser sehr ähnlichen Auffassung dar, wie ja auch das 
neapolitanische Museum das Bruchstück eines Bildes ent¬ 
hält, das den Gegenstand der Laokoongruppe behandelt, 
beides Beispiele des engen Zusammenhanges zwischen 
Plastik und Malerei. Das zweite Zimmer war, als ich das 
Haus zum erstenmale besuchte, noch nicht vollständig 
ausgegraben: noch deckte eine schwarzgraue, bis über 
die Mitte des Raumes vorgeschobene Schuttmasse die 
Rückwand, während die rechte und die linke Seite bereits 
frei lagen und ebenfalls prachtvoll erhaltene Fresken zeig¬ 
ten. Um so grösser war die Spannung der Besucher am 
nächsten Tage, denn jetzt war jene Schuttmasse ver¬ 
schwunden und unter der sorgsam säubernden Hand eines 
Arbeiters trat in leuchtenden Farben ein neues, grosses 
figurenreiches Bild hervor, das, soweit sich der Gegenstand 
schon erkennen liess, Merkur in einer Abschiedsscene 
darstellt. Gleichzeitig sah man, dass die nach dem Ver¬ 
bindungsgange zwischen Peristyl und Atrium liegende 
Wand des Raumes an zwei Stellen unten weit genug 
durchstossen war, um einen Menschen kriechend durch¬ 
zulassen. Es ist also doch wohl vom Besitzer des Hauses 
oder auch von unberechtigter Seite, wie anderwärts in 
Pompeji, nach der Verschüttung der Versuch gemacht 
worden, manches herauszuholen und vielleicht hängt es 
damit zusammen, dass die Zahl der Geräthe und Schmuck¬ 
sachen, die man bis jetzt in diesem reichen Hause ge¬ 
funden hat, nur gering ist; sie beschränken sich auf eine 
mit Bronze und Eisen beschlagene Gasse, ein Siegel, ein 
Ring mit Karneol, eine Kette, Schalen, Glaskaraffen u. a. 
dergl. Einen Wunsch kann man gerade bei diesem un¬ 
gewöhnlich schönen und wohlerhaltenen Hause, das wir 
am liebsten nach dem Gemälde des farnesischen Stiers 
benannt sehen möchten, nicht unterdrücken, den nämlich, 
man möge es ganz in dem Zustande lassen, in dem es 
gefunden worden ist, oder gar den vollkommen neuen 
Versuch machen, es in seinem früheren Zustande wieder 
herzustellen, was unendlich anschaulicher wirken würde 
als die immerhin magazinartige Aufstapelung von Kunst¬ 
werken und Gebrauchsgegenständen in einem Museum. 
Otto Kaemmel. 
sich bis zu 500 Mark steigernden Strafe der von der 
Klägerin beanstandeten Fabrikation von Gasglühlicht- 
brennern sowie des Verkaufs, Indenverkqhrbringens etc. 
derselben enthalten sollten. Gleichzeitig war dahin ent¬ 
schieden worden, dass das Urfcheil sofort vollstreckbar 
sein solle, wenn die Klägerin in jedem einzelnen Proeess- 
fall 25.000 Mark hinterlege. Die Verklagten hatten hier¬ 
gegen Berufung bei dem Kammergericht eingelegt, welches 
die Publication der Entscheidung auf den 23. December 
festgesetzt hatte. Die Entscheidung geht dahin, dass die 
in erster Instanz eventuell gestattete sofortige Vollstreck¬ 
barkeit des Urtheils in allen hier genannten Fällen auf¬ 
gehoben wird, während in der Sache selbst noch erweiterte 
umfangreiche Beweisaufnahme beschlossen wurde, durch 
Vernehmung von Zeugen über die Vorbenutzung des 
patentierten Brenners und durch Vernehmung von Sach¬ 
verständigen über das, was an dem patentierten Brenner 
seinerzeit neu war, und falls die Sachverständigen sich 
widersprechen, durch Obergutachten des Patentamts. 
Technische Neuigkeiten. 
Mitgetheilt vom Patent- und technischen Bureau von Richard 
Lüders in Görlitz. 
Die Verschiebung einer in vollem Betriebe befind¬ 
lichen Fabrik ist die neueste Leistung amerikanischer 
Ingenieurkunst, welche vor einigen Tagen in Boston zur 
Ausführung gelangte. Das betreffende Gebäude, welches 
in der Trace einer projectierten Eisenbahnlinie lag und 
deshalb verschoben werden musste, bedeckt einen Flächen¬ 
raum von 350 X 50 Fuss und ist aus Ziegelsteinen er¬ 
baut. Es besitzt zur Hälfte eine Höhe von 3 Stockwerken, 
während der übrige Theil nur 2 Stock hoch ist. Um aus 
der Baulinie heraus zu kommen, musste der ganze Bau 
nach einer Mittheilung des Patent- und technischen 
Bureaus von Richard Lüders in Görlitz nach einer Rich¬ 
tung urn 300, nach der anderen um 50 Fuss verschoben 
werden, wobei infolge dringender Aufträge der Betrieb 
nicht unterbrochen werden durfte. Das kühne Unter¬ 
nehmen gelang in so vollkommenem Maße, dass nicht 
eine einzige Fensterscheibe während der Reise zerbrach. 
Schutzvorrichtung für Daehdeckungsarbeiten. (D. 
R.-P. Nr. 86.802). Durch neue, unter Patentschutz ge¬ 
stellte Schutzvorrichtung für Dachdeckungsarbeiten des 
R. Semmler sen. in Siegmar bei Chemnitz wird den Ar¬ 
beitern und Handwerkern, welche bei Dacharbeiten zu 
thun haben, ein wirklicher und verlässlicher Schutz gegen 
Abstürzen gewährt. Die neue Schutzvorrichtung besteht 
aus einer Fangvorrichtung, welche an der Dachkante 
befestigt wird. Um die Fangvorrichtung möglichst hoch 
zu machen und doch durch die * gewöhnlichen kleinen 
Dachfenster hinausbringen zu können, empfiehlt es sich? 
dieselben zum Zusammenklappen einzurichten. Die Schutz¬ 
vorrichtung lässt sich zweifach zusammenklappen. Wenn 
die Dach- und Bodenverhältnisse es erfordern, kann man 
sie auch schliesslich so einrichten, dass sie sich vierfach 
Zusammenlegen lässt. Die einzelnen Theile bilden dann 
Rahmen, welche durch Scharniere mit einander verbun¬ 
den und mit Netz oder Drahtgeflecht ausgefüllt sind. Die 
beiden Rahmenhälften der Vorrichtung sind durch Schar¬ 
niere verbunden und mit Schutznetzen versehen. Die 
untere Rahmenhälfte ist an den Enden etwas breiter, 
als die obere, um hier die Befestigungsbolzen für die 
Haltetaue anbringen zu können. Der untere Rahmen trägt 
ausserdem zwei oder mehrere Arme, an deren Enden 
Gasglühlicht-Industrie. 
In den Processen, welche die Deutsche Gasglühlicht- 
Actiengesellschaft (Auer) gegen eine grössere Anzahl von 
Concurrenzfirmen wegen Patentverletzung angestrengt 
hatte, war bekanntlich in erster Instanz durch Theilurtheil 
dahin erkannt worden, dass die Verklagten bei Vermei¬ 
dung einer für jeden einzelnen Fall der Uebertretung
	        
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