Volltext: II. Jahrgang, 1897 (II. JG., 1897)

Seite 172. 
OBERÖSTERREICHISCHE BAUZEITUNG. 
Nr. 22. 
reizende Schattenwirkungen hervorgebracht werden. Doch 
auch dem Humor wurde Thor und Thür geöffnet, z. B. 
über dem Eingang zum Pferdestall befindet sich eine 
halbrunde Füllung, in der ein Stallbursche mit der Stall¬ 
laterne in der Hand eingeordnet wurde, dem aber, weil 
er die Zeit verschlafen, zur Strafe für diese Uebelthat 
vom Pferde gerüffelt und die Mütze vom Kopfe gezogen 
wird. Dieser Vorgang ist so originell und humoristisch 
dargestellt, dass ein jeder bei der Besichtigung dieser 
Füllung heiter gestimmt wird. Auf der anderen Seite 
befindet sich ein Balken von Sandstein, in dessen Mitte 
nachträglich, auf Anordnung der Baupolizei, noch eine 
eiserne Schiene eingezogen werden musste, was keines¬ 
wegs an diesem Bau, der ein solider, schöner und inter¬ 
essanter genannt werden muss, gut aussieht. Um nun 
diesen Schönheitsfehler zu erklären, hat der Bildhauer 
flugs unter der Füllung dieser Balken einen Polizisten 
in halber Grösse, etwa bis zum Gürtel mit Ornament 
umschlungen, angebracht, der, mit einem tüchtigen 
Schnauzbart versehen, mit strengem Blick und beiden 
Händen nach oben, eben auf die nachträglich eingezogene 
unschöne Schiene zeigt. Die Innenräume der Villa wurden 
auch nicht in der üblichen Weise mit gezogenen oder 
gegossenen Gliederungen und Ornamenten von Gips, wie 
sich solche hundertfach überall vorfinden und in der lang¬ 
weiligsten geometrischen Eintlieilung angebracht werden, 
ausgeschmückt, sondern dies neue Verfahren wurde auch 
hier angewendet, doch nur mit dem Unterschiede, dass 
zu dem Kalk nicht Cement, sondern Gips gemischt wurde. 
— So wurden, um Beispiele anzuführen, im Speisezimmer 
ein Apfelzweig als Motiv verwendet, der sich in der 
ungezwungendsten Weise, vielfach verschlungen, mit 
Blättern und Früchten versehen, in der Mitte der Saal¬ 
decke um den elektrisches Licht spendenden Kronleuchter 
herumwindet und denselben in der geschmackvollsten 
Weise einfasst, während aus den vier Ecken Wein-, 
Hopfen-, Gersten- und Weizenzweige heraus durch Gliede¬ 
rungen, die die Wand von der Decke scheiden, hindurch¬ 
wachsen und sich über dieselbe nach der Mitte zu aus¬ 
breiten. Im Wohnzimmer wurde die Rose als Motiv ver¬ 
wendet. In einem anderen kleinen Raum finden wir die 
Buche mit sammt ihren Blättern, Blüten uud Früchten 
und im Treppenhause sehen wir, wie auch an der ge¬ 
wölbten Erkerdecke Epheu-, Winden- und Mispelzweige, 
sowie wilder Wein und andere Pflanzen lustig aus Phantasie¬ 
köpfen emporwachsen. — Nachdem wurden diese plasti¬ 
schen Verzierungen von einem Maler in der geschicktesten 
Weise, der Natur entsprechend, gemalt, und machen 
•dieselben, weil flott entworfen und ausgeführt, den an¬ 
genehmsten und originellsten Eindruck und gereichen 
auch dem ausführenden Kunstgewerbetreibenden, wie 
auch dem Architekten, der die Idee gab, zur Ehre, und 
wird an diesem Bau auch wieder einmal bewiesen, dass 
da, wo ein geschickter, feinsinniger und kunstgeübter 
Architekt mitwirkt, das Kunstgewerbe, zunächst Bild¬ 
hauerei und Malerei, dann aber auch alle übrigen Fächer 
(Schmiede, Tischler, Gürtler, Holzschnitzer, Drechsler) 
wohl gehoben werden können. In den letzten Tagen 
wurde ein weiterer Bau (ein Bäckerhaus am Georgplatz 
in Dresden) fertiggestellt, den der schon genannte Architekt 
Grothe auch gezeichnet hatte. Bei dem Entwurf des 
Schmuckes dieses Baues wurde Rücksicht auf das Ge werbe, 
das in seinem unteren Raum betrieben wird, Bäckerei 
und Conditorei, genommen, und man sieht dementsprechend 
Weizen- und Kornähren, Wein- und anderes Laub, ver¬ 
schiedene Embleme und Initialen angebracht, auch Gnomen, 
welche in den verschiedensten Stellungen und Situationen 
das Bäcker- und Conditoreigewerbe flott betreiben. Die 
ganze Decoration macht einen malerischen und guten 
Eindruck und gereicht nicht nur dem betreffenden Hause, 
sondern auch dem ganzen Platze zur Zierde, wie auch 
den Künstlern zur Ehre, und würde noch etwas mehr 
Zeit und Geld auf dieselbe verwendet worden sein, so ist 
bestimmt anzunehmen, dass diese Decoration eine noch 
schönere und zu einer Sehenswürdigkeit, zu einem Wahr¬ 
zeichen von Dresden, geworden wäre. — Immerhin ist 
dieselbe, so wie sie ist, auch bemerkens- und sehenswert 
und sollten dergleichen Fagaden doch recht oft und 
überall, zum Nutzen der Bildhauer, zur Zierde der be¬ 
treffenden Gebäude und zur Ehre der Auftraggeber, aus¬ 
geführt werden, dies um so mehr, als es auch möglich 
ist, schon bestehende Gebäude mit diesen neuen Decora- 
tionen auszuschmücken. 
Die Beurtheilung des Eisens in der Praxis. 
Unter „Eisen“ im landläufigen Sinne werden von den 
drei verschiedenen Arten dieses Metalles — Roheisen, 
Schmiedeeisen und Stahl — nur die beiden ersteren ver¬ 
standen; über diese sollen im Nachstehenden, und zwar 
im Hinblick darauf, wie sie in der Praxis zu beurtheilen 
sind, einige Angaben folgen. 
Beim Roheisen unterscheidet man: weisses Roheisen 
(silberweissglänzend), graues Roheisen (hell und dunkel¬ 
schwarzgrau) und halbiertes Eisen. Beim Einkauf muss 
man sich vorerst über den Zweck klar sein, zu dem das 
Eisen verwendet werden soll. Weisses Roheisen kann als 
Gusseisen nicht verwendet werden, weil es nicht dünn¬ 
flüssig wird, mit stumpfen Ecken und concaver Ober¬ 
fläche erstarrt und sich wegen seiner Härte schlecht ver¬ 
arbeiten lässt. Das beste weisse Roheisen ist das Spiegel- 
eisen, das schön krystallinisch, härter, glänzender und 
dünnflüssiger als die anderen Sorten ist und bis 30 Per¬ 
cent Mangan enthält, wodurch es sich leichter zu Stahl 
verarbeiten lässt. Weisses Roheisen (Schmelzpunkt 1400 
bis 1500° 0.) wird in der Regel nur zur Herstellung von 
Schmiedeeisen und Stahl verwendet, niemals jedoch als 
Gusseisen. Graues Roheisen ist das eigentliche Giesserei- 
eisen (Schmelzpunkt 1100 bis 1200° G.), das behufs Her¬ 
stellung von Schmiedeeisen und Stahl gefeint, d. h. zu 
weissem Roheisen umgewandelt werden muss. Eine 
Legierung beider Eisenarten ist das halbierte (Forellen-) 
Eisen. Dieses ist billiger, wie graues Roheisen. 
Das Schmiedeeisen, welches auch Stabeisen genannt 
wird, weil es im Handel in Gestalt von Stäben vorkommt, 
ist von sehnigem, körnigem Gefüge und erst bei 2100° C. 
schmelzbar. Es enthält 0*1 bis 0’5 Percent Kohlenstoff 
chemisch gebunden. Je weniger Kohlenstoff das Eisen 
besitzt, desto weicher ist es, zuviel bewirkt Rothbruch. 
Rothbruch gestattet Verarbeitung in der Kälte, aber 
nicht in der Wärme. Der umgekehrte Fall findet bei Kalt¬ 
bruch statt, der das Schmieden zulässt. Faulbruch erlaubt 
weder das eine, noch das andere. Das neutrale Eisen ist 
frei von diesen üblen Eigenschaften. Ferner unterscheidet 
sich das Schmiedeeisen noch als „trocken“ und „schlackig“. 
Alles Eisen hat mehr oder weniger Schlacke, und zwar 
von 1 bis 3 Percent. Hat es zu wenig Schlacke, dann 
ist das Eisen krystallinisch anstatt sehnig und es wird 
als trockenes Eisen bezeichnet. Trockenes Eisen hat 
manchmal eine ziemlich hohe .Bruchgrenze, aber geringe
	        
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