Volltext: I. Jahrgang, 1896 (I. JG., 1896)

Seite 68. 
OBERÖSTERREICHISCHE BAUZEITUNG. 
Nr. 8. 
Testalin, ein neues Steinschutz- und Erhär- 
tungsmittel. 
Ueberall, wo grössere Feuerungsanlagen in der Nähe 
sind, gibt die Einwirkung von Steinkohlenruss und Rauch 
auf die Baumaterialien Veranlassung zu immer wieder¬ 
kehrenden Klagen. Das schöne Sandsteinmaterial unserer 
Fagaden, die Kunststeine, Cement etc. und ebenso die 
Backsteine, soweit sie nicht durch Glasur unangreifbar 
gemacht sind, noch mehr aber die im Freien aufgestellten 
Bildwerke aus Sandstein oder Marmor, alles unterliegt 
dem zerstörenden und entstellenden Einflüsse des Russes, 
der sich von Regen und Feuchtigkeit unterstützt, in die 
feinsten Poren einfrisst, und durch kein Abwaschen mehr 
zu entfernen ist. 
Wohin man sieht, überall bieten sich deutliche Be¬ 
weise dieser unheilvollen Einwirkung und deshalb ist das 
Bestreben, ein wirksames Gegenmittel dafür zu finden, 
fast eben so alt, wie die Steinkohlenfeuerung selbst, hat 
aber bisher noch zu verhältnismässig wenig Resultaten 
geführt. 
Es darf daher ein Mittel, welches, wie die Bauge- 
werks-Zeitung berichtet, thatsächliche Abhilfe gegen dieses 
Uebel verspricht, auf das Interesse aller Baugewerbe¬ 
treibenden mit ziemlicher Sicherheit rechnen. Als solches 
wird in neuerer Zeit das Testalin, Steinschutz- und Er¬ 
härtungsmittei der Firma Hartmann & H a u e r s, D.-R.-P. 
78.607, in Hannover, empfohlen. 
Ueber dessen Eigenschaften hielt Herr Geh. Bau¬ 
rath a. D. Schuster in Hannover im dortigen Archi¬ 
tekten- und Ingenieur-Verein einen Vortrag, den wir nach 
der Zeitschrift dieses Vereines unseren Lesern im Nach¬ 
stehenden mittheilen wollen. 
„Als das nächstliegende Mittel zur Verhütung des 
Uebels erscheint ein Anstrich, der den Stein mit einem 
undurchlässigen Ueberzuge versieht. Als solchen hat man 
Schellack- und Leinölfirnisanstrich, auch holzessigsaure 
Eisenlösung verwendet. Alle diese Anstriche haben sich 
als ziemlich nutzlos erwiesen. Besser als diese ist die 
Erzeugung von im Wasser unlöslichen Verbindungen 
innerhalb der Oberflächenporen des Materials. So werden 
gewisse Arten des sächsischen Sandsteines durch den 
Anstrich mit Lösungen von Wasserglas und Thonerde¬ 
sulfat weniger fähig zur Aufnahme von Wasser; bei 
anderen Sandsteinen, z. B. von Obernkirchen, Burg- 
preppach, vom Nesselberge etc., soll sich der Anstrich 
mit einer Lösung von Wasserglas und Chlorbaryum oder 
Ohlorcalcium gut bewährt haben. Andere seifenartige 
Mittel, die allerdings die Steine vor allzu grosser Auf¬ 
nahme von Wasser schützten, konnten nicht allgemein 
zur Verwendung kommen, weil sie das Sandsteinmaterial 
schwärzten. 
Alle diese Mitteln eigneten sich vorzugsweise für 
Sandsteine mit thonigem Bindemittel, nicht für Kalksteine 
oder Sandsteine mit kalkigem Bindemittel. Für Kalksteine 
geeignet erwies sich das Tränken mit Wasserglaslösung, 
oder das „Silikatisieren“. Der kohlensaure Kalk wird 
durch Umwandlung in kieselsauren Kalk an der Ober¬ 
fläche zwar wetterbeständig, doch tritt der Nachtheil ein, 
dass die Poren der Steine vollständig verschlossen werden, 
und dass infolgedessen die entstandene dichte Kruste 
häufig abblättert. 
Dies zuletzt ausgeführte Verfahren der Härtung fand 
vorzugsweise in Frankreich Anwendung; besser hat sich 
die von Kessler in Clermont-Ferrand erfundene Methode 
— „Fluatation“ — bewährt. Die von Kessler benutzten 
wasserlöslichen Salze bestehen aus einem Metalle, be¬ 
sonders Magnesium oder Aluminium, aus Silicium und 
Fluor, sind der Kieselfluor-Wasserstoffsäure entsprechend 
zusammengesetzt und haben saure Eigenschaften. Der 
grosse Vortheil bei diesen Härtungsverfahren ist in dem 
Umstande zu erblicken, dass die Poren der Steine nicht 
geschlossen werden. Um bei den Sandsteinen mit nicht 
kalkigem Bindemittel das Fluorieren anwendbar zu machen, 
trägt Kessler zuerst sein „Avant-Fluat“ genanntes Mittel 
auf, das wahrscheinlich nur aus Natron-Wasserglas be¬ 
steht. Auch auf Cement und Gips scheint das Kessler’sche 
Mittel gut verwendbar zu sein, doch sind die einschlagen¬ 
den Versuche noch nicht als abgeschlossen zu betrachten. 
Für Kalksteine sind ohne Frage die Kessler’schen 
Fluate bis heute noch nicht übertroffen, für alle anderen 
Materialien aber verdient das Hartmann & Hauer’sche 
Mittel „Testalin“, auch abgesehen von den geringen 
Kosten der Behandlung, unbedingt den Vorzug. Dasselbe 
hat die merkwürdige Eigenschaft, dass von den mit ihm 
behandelten Flächen das darauf gelangende Wasser ab¬ 
läuft, als ob die Oberfläche fettig wäre. Auch nach 
wiederholtem Abbürston, Abwaschen, ja selbst nach 
Frieren der Steine wird die Wirksamkeit des Mittels 
kaum geschwächt. Der dem durch Testalin gehärteten 
Materiale anhaftende Schmutz, der durch Staub und Russ 
entstanden ist, kann durch einfaches Abspritzen mit dem 
Druckwasser der Wasserleitung leicht beseitigt werden. 
Erst nach längerer Zeit vermindert sich die Wirksamkeit 
des Schutzmittels an der Oberfläche, was aber wenig 
Bedeutung hat, da es bis zu mehreren Millimetern tief 
in das Material eindringt; erforderlichenfalls kann das 
Mauerwerk nach Jahren einen neuen Anstrich mit 
Testalin erhalten. 
Das Testalin besteht aus zwei Lösungen, nämlich: 
1. aus einer alkoholischen Lösung einer ganz besonderen 
Oelsäurekaliseife und 2. aus einer essigsauren Lösung von 
essigsaurer Thonerde. 
Die beiden Lösungen, die übrigens wasserklar sind, 
werden auf das zu behandelnde Material nach einander 
aufgetragen; ist die zuerst aufgetragene Lösung (blaue 
Etiquette) eingezogen, so dass die Struktur des Materiales 
wieder ganz hervortritt (je nach Witterung und Gefüge 
nach 2—3 Stunden), so wird die zweite Lösung (rothe 
Etiquette) in derselben Weise aufgebracht. Der Auftrag 
erfolgt — bei schmutzigem Materiale nach vorheriger 
Reinigung ohne Anwendung von Säure — mit einem 
Pinsel in wagrechter und senkrechter Streichweise. 
Der chemische Vorgang bei dem nacheinander statt¬ 
findenden Tränken vollzieht sich in den Poren des Steines, 
indem durch Wechselzersetzung unlösliche Thonerdeseife 
(ölsaure Thonerde) — ein ganz eigenartiger, durchsichtiger, 
elastischer Körper — und im Wasser sehr leicht lösliches 
essigsaures Kali entstehen. Die Thonerdeseife überzieht 
die Innenwandlungen der als Röhrchen aufzufassenden 
Poren, ohne sie zu schliessen, während das unschädliche 
essigsaure Kali theilweise in den Stein zieht, auch theil- 
weise durch den Regen weggewaschen wird. 
Diese Thonerdeseife hat im höchsten Grade eine 
wasserabweisende Kraft und hindert das Eindringen des 
Regenwassers in den Stein; da die Poren trotzdem ge¬ 
öffnet bleiben, so ist der Luft der Zutritt gestattet und 
dem Steine bleibt die hochwichtige Ausathmungsfähigkeit 
erhalten. Eine Färbung des Sandsteines erfolgt durch das
	        
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