Volltext: I. Jahrgang, 1896 (I. JG., 1896)

ÖBERÖSTERREICHISCHE BAUZEITUNG, 
hervorragendsten Zeitschriften des In- und Auslandes 
erschienen, die namentlich in kunstverständigen Kreisen 
mit Begeisterung gelesen wurden. So finden wir einen 
trefflichen Aufsatz „Palast-Architektur und Krämer-Deco- 
ration“ in der „Frankfurter Zeitung“ vom Jahre 1891, den 
wir seiner beissenden Satyre wegen hier wörtlich zum 
Abdrucke bringen. Dr. Albert Ilg schreibt: 
„Ein Neubau soll aufgeführt werden. Der Bauherr 
wird mit Fragen bestürmt. „In welchem Style soll es 
denn werden?“ — „Doch gewiss deutsche Renaissance? 
Das ist die Kunstweise der Nation!“ — „Nein gothisch! 
Das ist der poetischste aller Style!“ — „Was Ihnen nicht 
einfällt! Gothisch ist kirchlich-ultramontan, dem Zeitgeist 
entspricht nur flottes Rococo!“ — „Empire wäre vor¬ 
nehmer, es ist der eigentlich aristokratische Styl?“ End¬ 
lich entschliesst sich der Bedrängte für irgend etwas. 
Der Architekt nimmt sich zusammen, er will etwas recht 
Gediegenes, Tadelloses zuwege bringen und schneidet also 
seinen Palazzo nach den ausgezeichnetsten Vorbildern, 
aus sechzehn alten Mustern zusammen, in deren Gefäss 
er alle die Wünsche und Bedürfnisse seines Jahrhunderts, 
seines Bauherrn, einer modernen Zinskaserne und ihrer 
künftigen Bewohner mit sauerm Schweisse einzuschachteln 
und unterzubringen vermocht hat. Er hat sich dabei streng 
in Acht genommen, dass er nicht etwa gegen die rigorosen 
Gebote sich versündige, welche die Begriffe der modernen 
Stylreinheit dem Baukünstler vorschreiben, und nun steht 
auch ,ein Werk auf dem Papiere, das sogar dem streng¬ 
sten Kritiker entsprechen muss. Und bald steht es auch 
fertig da, in Stein und Ziegel, ein Document des echten 
richtigen Kunstsinnes der Gegenwart. 
Aber wie lange? — Als er dem Entwürfe einen Palazzo 
von Palla.dio oder Soamozzi zugrunde legte, hatte es den 
guten Architekten schon weidlich geniert, dass das Erd¬ 
geschoss in dem Zinshause zu Verkaufsläden eingerichtet 
werden solle. Dazu fand er im alten Palazzo kein Vorbild, 
zeichnete also ruhig eine Bogenreihe da unten hin mit 
dem Gedanken: „Sie werden sich schon darin einrichten, 
so gut sie können!“ Auf dem Papier sah es noch ganz 
hübsch aus. Nun stand aber das Gebäude fertig. — Die 
Wohnungen wurden vermietet und auch im Parterre 
verkündigten Zettel, dass hier „Gewölbe zu vermieten“ 
seien. Denn der Hausherr will doch aus seinem Bau etwas 
herausschlagen. Gleich kommt auch ein Geschäftsmann 
und nimmt so einen Bogen. „Ja, aber, um Gotteswillen! 
Wer kann denn da eine Auslage etablieren? Ich werde 
mich., doch nicht mit einer so schmalen Thür begnügen, 
durch die kein Mensch sieht, was im Laden ist?“ — „Ja, 
das erheischt die Architektur.“ — „Hol Der und Jener 
Ilire Architektur? Ich brauche Platz für einen Schaukasten, 
um meine Ware zu zeigen; sonst geht mir Niemand 
herein. Uebrigens sind da hübsch breite Pfeiler, da hat 
eine Auslage Raum I“ — „Das verunstaltet aber die Fagade!“ 
„Nun, dann ziehe ich nicht ein, bauen Sie Ihr Haus 
vernünftiger!“ Und die Auslage wird errichtet, das Pracht¬ 
haus, der Palazzo nach Palladio oder Scamozzi, muss ja 
„tragen“. — Der Maurer kommt, die schöne Rustica wird 
abgemeisselt, der Bogen höher gemacht. Dann bringt der 
„Portaltischler“ ein Ungeheuer von Gestell, welches vor¬ 
gelegt wird; seine Lisenen endigen in schwülstigen Barock- 
Hermen, die zu dem Hochrenaissance-Styl des Hauses 
gar nicht passen: das Holzwerk wird dunkelbraun ge¬ 
strichen, dazwischen kommt eine silberblanke Eisencour¬ 
tine und oben eine Firma von Glas mit Goldbuchstaben, 
welche anzeigt, dass hier Herren-Toilettenartikel verkauft 
erblühte Rose zu den schlichten Waldblumen passt, so 
wenig gehören solche Prunkbauten in die Gebirgsthäler. 
Diese Holzhäuschen haben doch manches aus guter 
Zeit herüber gerettet, sei es der offene Hausgang mit denk¬ 
bar einfachsten Zierbrettern oder der malerische Dachvor¬ 
sprung; Ausschmückungen, welche sich bei einiger Durch¬ 
bildung weiter zu zierlichen und dabei constructiv richtigen 
Holzbauten entwickeln Hessen. Vor einigen Jahren wurde 
der erste Versuch gemacht, meiner Idee eine greifbare 
Form zu schaffen. In der k. k. Fachschule für Holzbe¬ 
arbeitung in Ebensee hatte man einige Modelle solcher 
Holzbauten angefertigt. Dieser Versuch fand Unterstützung 
seitens eines hohen k. k. Ministeriums für Cultus und 
Unterricht, indem durch hohen Erlass vom 5. Juli 1894, 
Zahl 9015, die Activierung einer Abtheilung für Zimmerei 
in benannter Fachschule angeordnet wurde. Bei der 
ohnehin entwickelten Technik des Zimmergewerbes im 
Salzkammergute ist es nach meiner Auffassung in erster 
Linie nöthig, die charakteristischen alten Formen der 
Holzarchitektur kennen und auch in richtiger Weise ver¬ 
wenden zu lernen. Nicht im Entferntesten fällt es mir 
ein, mich für einen Reformator der Holzbauten im Salz¬ 
kammergute zu halten; befinden sich doch bei Villen 
vieler Orte, wie Ischl, Aussee, Gmunden u. a. unüber- 
treffbar schöne Decorationspartien, von berühmten Archi¬ 
tekten entworfen. Nicht nach Verbesserung, nur nach 
Heranziehung neuer Motive geht mein Streben; die 
schönen Formen der alten Holzbauten, wie sie in Gegenden 
Deutschlands, in Tirol und in der Schweiz existieren, 
sollen Eingang finden in das heimische Zimmergewerbe 
und praktisch verwendet werden. Freilich hat der Holzbau 
heute nicht mehr jene praktische Bedeutung und aus¬ 
gedehnte .Verwendung von einst, da in vielen Fällen das 
Holz das alleinige Baumaterial bildete, das bedingt ja 
schon die heutige Bauweise und besonders die gesetzliche 
Vorschrift der feuersicheren Ausführung. Künstlerische 
Bedeutung dagegen verdient es im hohen Grade. 
Gerade bei dem Bau der Villen möchte ich auf die 
alten Holzbauten des Berner Oberlandes hinweisen, welche 
durch ihre eigenthümliche' und sehr reiche Ausbildung 
einen allgemein anerkannten architektonischen Wert be¬ 
sitzen. Sie bieten einen reichen Schatz von Motiven, 
und stimmen trefflich zu der sie umgebenden Natur. 
Zwischen tiefgrünen Tannen ragt der zierliche Bau, um¬ 
rankt von Weinlaub, die originellen gemalten Schnitzereien 
verflochten mit sinnigen Sprüchen. Ein Hauch von ge- 
müthlicher Gastlichkeit liegt auf ihm, aus dem Beschauen 
erregt es den Gedanken: „Hier ist gut sein.“ So mögen 
die wackeren Zimmerleute im Salzkammergute, welche 
schon so viele Beweise ihres tüchtigen Könnens gegeben 
haben diese Bestrebungen unterstützen und Zusammen¬ 
wirken zu Nutz und Frommen des ehrsamen Handwerkes. 
H. G. 
Dr. Albert Ilg f. 
Vor kurzem verschied in Wien einer der bedeutendsten 
Kunsthistoriker Oesterreichs, der k. k. Regierungsrath 
Dr. Albert Ilg, dessen Hinscheiden allerorts tief betrauert 
wird. Der Verblichene war schriftstellerisch äusserst 
fruchtbar, denn ausser seinen grossartigen Werken: „Mo¬ 
nographie über Fischer v. Erlach“ und „Kunstgeschicht¬ 
liche Charakterbilder aus Oesterreich-Ungarn“ sind von 
ihm noch zahlreiche Aufsätze und Kunstkritiken in den 
	        
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