Volltext: I. Jahrgang, 1896 (I. JG., 1896)

Nr. 5. OBERÖSTERREICHISCHE BAUZEITUNG. Seite 45. 
schnellen Zunahme der Bevölkerung, aus der verderb¬ 
lichen Saat der Grundstückspeculation, der Ueber- 
wucherung mit charakterlosen, durch ärmliches Schein¬ 
wesen aufgeputzten Mietskasernen erwachsen ist und 
in vielen Städten, abgesehen von beklagenswerten socialen 
und sittlichen Schäden, eine traurige ästhetische Ver¬ 
ödung hervorgerufen hat. Dieses Uebel einzudämmen, 
ist eine dankbare Aufgabe jedes Bauenden auch im 
politischen Sinne, weil damit die Freude an der Heimat 
und die Vaterlandsliebe gefördert wird. 
Wer dürfte sich der Wahrnehmung verschliessen, 
dass diese Freude und Liebe im Schwinden begriffen ist 
und dass in weiten Kreisen eine verdriessliclie Unzu¬ 
friedenheit, eine pessimistische Anschauung mehr und 
mehr die Herrschaft gewinnt. Wir, denen unser schöner 
Lebensberuf bisher so viele innere Befriedigung gewährt 
hat und künftig verspricht, haben wenig Ursache, diesem 
Strome der Zeit zu folgen. Auf der einen Seite mitten 
hinein gestellt in das praktische Leben mit seinen viel¬ 
seitigen Forderungen, schaffend und ausführend, oft mit 
weitgehenden Vollmachten, immer aber unter schwerer 
Verantwortung, im Dienste der mächtigsten Capitalkräfte 
und zugleich wieder in steter Berührung mit dem hart 
um sein Dasein ringenden Arbeiter — auf der anderen 
Seite aber gehoben in die freie Sphäre wissenschaftlichen 
Studiums und künstlicher Erfindung, hingewiesen in der 
Stille des Arbeitszimmers auf die innere Sammlung, in 
denen der fruchtbare Gedanke zur praktischen Verwirk¬ 
lichung reift, sind wir als Vermittler zwischen Realem 
und Idealem berechtigt und befähigt, auch an den grossen 
Fragen unserer Zeit thätigen Antheil zu nehmen. 
Lassen Sie es deshalb unser gemeinsames Ziel sein, 
jeder für sich in unseren Vereinen und in unserem Ver¬ 
bände den Gedanken zu hegen und zu pflegen, dass mit 
allen anderen staatserhaltenden Kräften auch wir berufen 
sind, daran mitzuarbeiten, dass unser theures deutsches 
Vaterland 
in Freiheit geeinigt, 
durch Oultur mächtig, 
durch Arbeit blühend 
und durch Wohlstand glücklich 
für fernste Zeiten bleibe. 
Herr Minister Thielen antwortete auf die treffliche 
Ansprache mit einigen herzlichen Worten, in denen er 
u. a. Folgendes bemerkte: Mit gerechtem Stolze kann 
der Verband auf seine bisherige Wirksamkeit zurück¬ 
blicken und die Reichs- wie die Staatsregierung erkennen 
dies mit aufrichtigem Danke an. Der Verband ist zu 
einem nutzbringenden, nothwendigen Organ des öffent¬ 
lichen Lebens geworden und die Regierungen erblicken 
in ihm auch ein nutzbringendes und nothwendiges Organ 
für die weitere Fortentwickelung der Technik. 
Technische Neuigkeiten. 
Mitgetheilt vom Internationalen Patentbureau K. Fr. Reichet in 
Berlin NW. 
Ein interessanter Fund aus der Römerzeit ist, wie 
die „Mittheilungen der kaiserlich königlichen Central¬ 
commission zur Erforschung und Erhaltung der Kunst- 
und historischen Denkmale“ berichten, in Kärnten in der 
Nähe des Gutes Hohenstein an der Strasse von Feistritz 
nach Pulst gemacht worden. Im August 1896 wurden 
daselbst die Grundmauern eines kleinen römischen Tempels 
freigelegt, der die Gestalt eines länglichen Rechtecks und 
eine Breite von 7*35 Meter, eine Länge von 12*50 Meter 
hat. Durch eine dünne Zwischenwand wird das Gebäude 
in zwei ungleiche Theile zerlegt, von denen der grössere, 
nach hinten gelegene an der Rückwand einen herdartigen 
Bau enthält, der vielleicht zur Aufstellung einer Statue 
bestimmt war. Der vordere Raum ist bedeutend kleiner 
und enthielt wahrscheinlich das Eingangsthor. Vor dem¬ 
selben lag ein gut gepflasterter Vorplatz, auf dem die das 
Portal tragenden Säulen gestanden haben mögen. In einiger 
Entfernung von den Grundmauern des Tempels, die eine 
Stärke von 1*50 Meter haben, fanden sich andere Grund¬ 
mauern, die bedeutend schwächer waren, wahrscheinlich 
Umfassungsmauern, welche eine Art Hofraum bildeten. 
Während sich nun innerhalb der Umfassungsmauern ausser 
Topfscherben und zertrümmerten Dachziegeln nichts Be¬ 
merkenswertes vorfand, wurden in einigem Abstand davon 
an der Böschung der heutigen Strasse mehrere Inschrift¬ 
steine, Säulenfragmente und ein Stück eines Postamentes 
mit der Fußpitze einer Statue entdeckt. Leider sind die 
Inschriftsteine, die aus krystallinischem Kalk bestehen, 
ziemlich schadhaft, so dass mehrere Stellen der Schrift 
abbröckelten; nur die eine Inschrift lässt sich noch einiger¬ 
maßen wieder hersteilen. Sie besteht aus drei Zeilen und 
dürfte die Inschrift des Tempels gebildet haben. Die erste 
Zeile enthielt die Worte Aug(usto) sacrum, die zweite 
den Namen Olaudi Patorni Olementiani proc(onsulis) 
Aug(usti), der auch aus dem Corpus inscriptionum bekannt 
ist. Von den Säulenfragmenten sind zwei besser erhalten; 
das grössere ist rund und bildete wahrscheinlich das 
Capitäl einer Säule, die vor dem Tempel stand und das 
Vordach trug; das kleinere dagegen ist vierkantig und 
flach und stand wahrscheinlich innen an der Wand als 
Balkenträger. Ausserdem wurden im Schutt der Strassen- 
böschung noch einige Gegenstände gefunden, die aus 
einem prähistorischen Grabe zu stammen soheinen, darunter 
das Bruchstück einer Fibel aus Bronze aus der La Tenezeit 
und eine blaue Glasperle mit vier durch gelbe Schnecken¬ 
windungen verzierten Ecken. 
Aus den G-emeinderaths-Sitzungen in Linz. 
In der am 14. October 1896, unter Vorsitz des Bürger¬ 
meisters Poche, stattgehabten Sitzung des Gemeinderathes 
wurden folgende Bauangelegenheiten erledigt. 
Gemeinderath Dr. Jäger hat seinerzeit eine Aenderung 
der §§ 7 und 12 der Bauordnung für die Landeshauptstadt 
Linz in Vorschlag gebracht, und stellt nun in der diesbe¬ 
züglichen Angelegenheit folgenden Antrag: 
Der Gemeinderath spricht die Ueberzeugung aus, dass 
die §§ 7 und 12 der Bauordnung für die Landeshauptstadt 
Linz vom 1. August 1867 (L.-G.-Bl. Nr. 22) hinsichtlich 
der Hausbesitzer in nachstehender Weise zu interpre¬ 
tieren seien: 
1. Die Umgestaltung eines Schindeldaches in ein Dach 
mit feuersicherer Eindeckung ist zwar stets als eine Aus¬ 
besserung, zu der die behördliche Bewilligung erforderlich 
ist, anzusehen, jedoch, falls ein anderweitiger Anstand 
nicht besteht, als eine solche, für welche bei Häusern, die 
über die Regulierungslinie hinausgehen, selbst bei Auf¬ 
stellung eines neuen Dachstuhles die Vornahme dann nicht 
verweigert werden darf, wenn die Umgestaltung des 
Daches, beziehungsweise die Aufstellung des neuen Dach-
	        
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