Volltext: I. Jahrgang, 1896 (I. JG., 1896)

Nr. 5. 
OBERÖSTERREICHISCHE BAUZEITUNG. 
Seite 43. 
Das Primärnetz besteht aus einer reichlich dimen¬ 
sionierten Fernleitung, von der Kraftstation zum Centrum 
der Stadt, welche Fernleitung mehrere reichlich dimen¬ 
sionierte Ringleitungen speist,, von welch letzteren wieder 
einzelne Vertheilungsstränge abzweigen. 
Das Leitungsnetz wird durchwegs unterirdisch ver¬ 
legt und wurde angenommen, dass die Kabel im Trottoir 
08 Meter unter dem Pflaster verlegt, in eine circa 
20 Centimeter hohe Sandschichte eingebettet und mit 
Mauerziegeln überdeckt werden. 
Die zur Verwendung gelangenden Kabel sind con- 
centrische Panzerbleikabel. 
Die Prüfung der Kabel erfolgt von Verlegung der¬ 
selben mit einer Spannung von 5000 Volt. 
Die Transformatoren sind pollose der Type Patent 
Zipernowsky-Deni-Blathy. Sie werden je nach den ört¬ 
lichen Verhältnissen, in Kellerräumen in Schutzkäst eh 
aufgestellt, welch letztere von Seite des Elektricitäts- 
werkes unter festen Verschluss gehalten werden. 
Der Bau der Kraftstation sowie der Kaminbau ist 
bereits soweit vorgeschritten, dass die endgiltige Fertig¬ 
stellung nur noch kurze Zeit in Anspruch nehmen dürfte. 
Mit der Legung der Kabel wird in den nächsten Tagen 
begonnen und wird das Kabelnetz in der ersten Bau¬ 
periode in der Ausdehnung von 10 Kilometer zur Aus¬ 
führung gebracht. Vorausgesetzt dass keine besonderen 
Zwischenfälle eintreten und namentlich noch lang anhal¬ 
tendes schönes Wetter die Arbeiten im Freien fördern, 
dürfte mit Ende Februar 1897 der Betrieb der Beleuch¬ 
tungsanlage aufgenommen werden können. E. F. 
Zum Schlüsse der Bausaison 1896. 
Die heurige Bausaison ist zu Ende und haben wir 
hier in Linz eine ziemlich rege Bauthätigkeit zu verzeichnen. 
Namentlich ist es die Neustadt, in welcher im laufenden 
Jahre eine Anzahl stattlicher Wohngebäude theils fertig, 
gestellt, theils in Angriff genommen wurde, und da die 
meisten Wohnungen in den fertigen Häusern bald ver¬ 
griffen waren, so zeigt es sich, dass das Linzer Publicum 
bereits anfängt, den Wert comfort eingerichteter Woh¬ 
nungen gebürend zu schätzen und sich lieber zu einem 
etwas höheren Mietzins versteht, als noch länger in alten, 
Licht und Luft entbehrenden Häusern Wohnung zu nehmen. 
Die schnelle Aufnahme der Wohnungen in Neubauten 
zeigt uns aber auch, dass ein Theil der Mieter, darunter 
namentlich Beamte oder Geschäftsinhaber, von der alten 
Gewohnheit bereits abgegangen ist, in nächster Nähe des 
Berufsortes wohnen zu müssen, sondern lieber eine kleine 
Strecke zurücklegt, um sich in seinem comfort einge¬ 
richteten Logis angenehm und behaglich fühlen zukönnen. 
Und wie erfreulich es in ästhetischer Beziehung ist, die 
Wahrnehmung zu machen, dass auch Linz gegen andere 
Städte gleichen Ranges nicht zurück bleibt sich baulich 
zu entwickeln, dass fühlt jeder, der in dieser von den 
herrlichsten Naturschönheiten umgebenen Stadt sein Do¬ 
micil aufgeschlagen hat und nur wünschen kann, dass 
das Wohnen in derselben für Arm und Reich gleich an¬ 
genehm und gesund sein möge. Laut unseres Ausweises 
sind vom 1. Jänner 1896 bis heute von der Baubehörde 
für 5 dreistöckige, 27 zweistöckige, 10 einstöckige und 
20 Parterre-Zinshäuser die Baubewilligungen ertheilt 
worden, was für Linz als eine nicht geringe Zahl bezeichnet 
werden muss. 
Rechnet man hiezu die zahlreichen Zubauten und 
Adaptierungen, so muss man die Bausumme, die dafür 
bestimmt ist, auf mindestens 1,000.000 fl. veranschlagen, 
die der Baüindustrie zur Belebung dienen. Aus Vor¬ 
stehendemist zu ersehen, dass die Tendenz unseres-Blattes, 
„die Baulust im Lande fördern zu helfen,“ keine partei¬ 
ische ist, denn ein Aufhören der Bauthätigkeit hiesse dem 
Aufschwung der Landeshauptstadt Oberösterreichs die 
Flügel lähmen, wenn nicht gar den Todesstoss ver¬ 
setzen. Können Leute, die Geldmittel besitzen, dies 
wünschen? Begreifen sie denn nicht, dass es keine sicherere 
Anlage von Vermögen gibt, als in Grund und Boden, 
in Realitäten und in zinstragenden Häusern? Nein, und 
abermals nein, der Fortschritt, der sich überall kund gibt, 
wird , baldigst auch hier als Gebot Auftreten, dass man 
für seinen schwer erringbaren Zinsbetrag überall Luft und 
Licht und jene sanitären Einrichtungen in seiner Be¬ 
hausung fordern könne, wie sie den Bewohnern der Neu¬ 
bauten in ausreichendem Maße geboten werden. 
Wir schliessen unsern kurzen Bericht in der Hoffnung, 
auch das nächste Jahr eine rege Bauthätigkeit verzeichnen 
zu können und mit dem Wunsche, dass nicht nur Private 
und Anstalten, sondern auch unsere höchsten Behörden 
zum Aufblühen der schönen Landeshauptstadt das Ihrige 
beitragen mögen. d. r. 
Die heutige Stellung der Technik. 
Ansprache des Verbandsvorsitzenden Geh. Baurath Hinckeldeyn 
zur Eröffnung der 12. Wanderversammlung in Berlin, gehalten im 
grossen Sitzungssaale des Reichstages am 31. August 1896.1) 
Die Stätte, an welcher wir uns befinden, der Raum, 
in welchem wir dank dem gütigen Entgegenkommen der 
Verwaltung dieses Hauses tagen dürfen, spricht ein¬ 
dringlich und erhebend zu uns. Eindringlich als ein 
Mahnwort in dem Sinne, wie es Heinrich von Treitschke 
in seiner Vorrede zur deutschen Geschichte im neunzehnten 
Jahrhundert mit dem Satze ausgesprochen hat: „Kein 
Volk hat besseren Grund als wir, das Andenken seiner 
hart kämpfenden Väter in Ehren zu halten, und kein 
Volk erinnert sich leider so selten, durch wieviel Blut 
und Thränen, durch wieviel Schweiss des Hirns und der 
Hände ihm der Segen seiner Einheit geschaffen wurde“ ; 
erhebend in dem Gedanken, dass sich über uns die goldig 
strahlende Kuppel als symbolische Krönung des Bau¬ 
werkes wölbt, in welchem die wiedererrungene Einheit 
unseres Vaterlandes, wie wir hoffen, die Jahrhunderte 
überdauert, in Stein und Erz verkörpert ist. Versamm¬ 
lungen wie die heutige sind gewiss recht geeignet zu 
solcher Erinnerung in gemeinsamer Empfindung. 
Aus dem Vorjahre klingt noch ein Nachhall von 
den Jubeltagen, in denen ganz Deutschland das Ge¬ 
dächtnis an die Grossthaten seiner siegreichen Heere 
nach 25 Jahren eines gesegneten Friedens erneuerte, 
und wir dürfen heute auf die gleiche Spanne Zeit im 
Bestehen unseres Verbandes zurückblicken, auf mehr 
als 50 Jahre aber, seit zuerst deutsche Architekten und 
Ingenieure sich zu Wanderversammlungen vereinigten. 
Mit Recht dürfen wir deshalb von einer Jubelfeier sprechen 
und die rechte Weihe einer Jubiläumsstimmung erhoffen 
in dankbarer Erinnerung an die Vergangenheit, in frohem 
9 Diese für das ganze Baufach hochbedeutsame und form¬ 
vollendete Rede des Geh. Baurath Hinckeldeyn liegt jetzt im Wort¬ 
laute vor.
	        
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