Volltext: I. Jahrgang, 1896 (I. JG., 1896)

Nr. 2. 
OBERÖSTERREICHISCHE BAUZEIT ENG. 
Seite 11. 
keits-Apparat mit automatischem Schrotzulauf, einen 
Böhme’schen Hammerapparat, eine hydraulische Presse bis 
zu 30.000 Kilogramm Druckbeanspruchung, ferner Wagen, 
Siebe etc. Für die Qualität des zur Verwendung gelang¬ 
ten Cementes waren die Vorschriften des ungarischen 
Ingenieur- und Architekten-Vereines maßgebend. 
Die Haltestellen sind, wie die meisten Haltestellen der 
Stadtbahnen in London und New-York, derart angeordnet, 
dass im Tunnel beiderseits ausserhalb der Geleise je eine 
Plattform von 3 bis 8 Meter Breite und 24 bis 32 Meter 
Länge, je nach der Bedeutung der Haltestelle, angelegt 
wurde. Jede Plattform dient also, ebenso wie das Geleise, 
an welchem sie liegt, nur für eine Fahrrichtung. Jede 
Plattform ist durch eine Treppe von P9 Meter Licht¬ 
weite vom Trottoir, beziehungsweise vom Reitweg oder 
Fuss weg im äusseren Theil der Andrässystrasse aus zu¬ 
gänglich gemacht. Die Treppenöffnungen erhielten ge¬ 
schmackvolle, in Eisen und Glas ausgeführte Ueberbauten. 
Die Details wurden nach dem Ergebnis einer im 
ungarischen Ingenieur- und Architekten-Verein ausge¬ 
schriebenen Ooncurrenz festgestellt. 
Die bestehenden Canäle, Gas- und Wasserrohre wurden, 
soweit sie mit der Untergrundbahn collidiören, verlegt. 
Auf dem grössten Th eile der Bahn, längs der ganzen 
Andrässystrasse, kommen Collisionen nicht vor, da jede 
Strassenseite einen separaten Strassencanal und separate 
Leitungen für Gas und Wasser besitzt. Der Fahrdamm 
der Andrässystrasse wird nur von dem Hauptrecipienten 
der Ringstrasse gekreuzt, während längs des Fahrdammes 
in der Strassenmitte keine Leitungen vorhanden sind. 
Der Hauptrecipient liegt so tief, dass die Untergrund¬ 
bahn, allerdings mit beschränkter Constructionshöhe, über 
denselben hinweggeführt werden konnte. Die Gas- und 
Wasserleitungsrohre sind bis zu 150 Millimeter Lichtweite 
durch besondere Kastenträger durch die Decke der Unter¬ 
grundbahn geführt. Grössere Rohrleitungen wurden in 
Canäle unter der Sohle der Untergrundbahn verlegt und 
durch Einsteigschächte zu beiden Seiten der Untergrund¬ 
bahn zugänglich gemacht. 
Das Project der elektrischen Untergrundbahn wurde 
von der Weltfirma Siemens & Halske ausgearbeitet und 
von ihr auch die ganze Bauleitung besorgt. Die Erd¬ 
arbeiten, Betonierung und Montagearbeiten führte aus 
die Cementbau-Unternehmung von R. Wünsch; die sämmt- 
lichen Abdeckungs- und Isolierungsarbeiten im ganzen 
Tunnelbau Hans Biehn. Die schrniedeisernen Träger sind 
zum grössten Theil vom Resiczaer Walzwerk und die 
genieteten Säulen von dem DiösgyörerWerk der Maschinen¬ 
fabrik der königl. ungar. Staatsbahnen geliefert worden. 
Als bauleitendes Oberhaupt wirkte der von der Firma 
Friedrich Siemens & Halske eigens dafür berufene tech¬ 
nische Director des Bahnbaues Herr Oberingenieur Adolf 
Wörner, dessen grösser Umsicht es zuzuschreiben ist, 
dass das schwierige und umfangreiche Werk in der kurzen 
Zeit vom 13. August 1894 bis 5. April 1896, also gerade 
600 Tage vollzogen wurde. Ueber die Ausrüstung der 
Bahn werden wir später berichten. Dr. A. Hell. 
Geschäfts- und Standesehre. 
Die Geschäftsehre, die wohl ein Hauptmerkmal jenes 
Handwerkes war, von dem man behauptete, es besitze 
einen goldenen Boden, ist mit dem Schwinden des Stan¬ 
desbewusstseins mehr und mehr zurückgegangen. Je 
mehr der Kampf ums Dasein erschwert wurde, je schwie¬ 
riger es für den Einzelnen wurde, seine Existenzberech¬ 
tigung zur Existenzanerkennung durchzudrücken, je mehr 
Fachgenossen als Bewerber in die Arena des Gewerbe¬ 
kampfes traten, desto mehr wuchs auch die Erbitterung, 
aus welcher der Coneurrenzhass mit unheimlicher Gewalt 
herausstieg. Zu dem Coneurrenzhass gesellte sich als 
zweite Folge des Daseinskampfes das Misstrauen, mit 
welchem man ängstlich die Maßnahmen der Fachgenossen 
beobachtete und beurtheilte und nach welchem man das 
eigene Vorgehen einrichtete. Dieses Misstrauen verhin¬ 
derte zunächst ein objectives Erfassen, eine objective 
Beurtheilung der Einigkeitsbestrebungen der Handwerker 
unter sich, und hat sich späterhin auch dauernd als jener 
Felsen im brandenden Meere herausgestellt, an welchem 
die Bestrebungen der Innungen scheitern sollten. Zu dem 
Coneurrenzhass und dem Misstrauen gesellte sich als 
dritter unheimlicher Geselle der Brotneid, und dieses 
Dreiblatt ist denn gemeinsam der Stein des Anstosses 
gewesen, an dem die Geschäftsehre zerschellte. Der Con- 
currenzhass zeigt oft wundersame Blüten, er äussert 
sich zuweilen sogar darin, dass unliebsame und unwahre 
Gerüchte über die Creditfähigkeit eines Fachgenossen 
ausgesprengt werden, um diesem die Einkaufsgelegen¬ 
heit in Bezug auf Rohstoffe zu erschweren. Der Concur- 
renzhass verzeichnet mit Befriedigung die Schäden, die 
ein Fachgenosse über sich ergehen lassen musste. Der 
Coneurrenzhass schämt sich nicht, zum Denuncianten za 
werden, ja er erniedrigt sich sogar zum Todtengräber. 
wenn es gilt, den Fachgenossen das Lebenslicht auszu¬ 
blasen. Diejenigen Handwerker, die auch nur einen ein¬ 
zigen dieser Factoren des Concurrenzhasses kennen und 
brauchen, haben keinen Anspruch darauf, Geschäftsehre 
zu besitzen. Der ehrenhafte Fachgenosse verschmäht 
diese Mittel, um sich einen Vortheil zu schaffen, er achtet 
die Existenzberechtigung seines Collegen selbst dann, 
wenn er durch die Ooncurrenz Nachtheile oder besser 
gesagt, Ausfälle in seinen Einnahmen zu verzeichnen hat. 
Bewusst wird er sich niemals dazu hergeben, seinen 
Fachgenossen absichtlich ausserhalb der beruflichen Wett¬ 
bewegung liegende Nachtheile zuzufügen. Das Misstrauen 
gegen andere Fachgenossen ist, sobald es die Grenze 
der gebotenen Vorsicht übersteigt, ebenfalls mit der Ge¬ 
schäftsehre nicht zu vereinbaren. Vertrauen zu sich 
selbst, erwirbt auch das Vertrauen zu anderen, und da 
nun einmal eine Interessengemeinschaft unter sämmt- 
lichen Handwerkern vorhanden ist, deren Ausbau auf 
allgemeine Anerkennung gerichtet sein muss, so wider¬ 
spricht es der Geschäftsehre, wenn man diesen dahin¬ 
gehenden Bestrebungen entgegenarbeitet. 
Wäre im deutschen Handwerkerstande der Begriff 
der Geschäftsehre noch so mächtig wie zur Zeit der 
Zünfte, so würden, wie schon gesagt, die Bestrebungen 
der Innungen weit mehr Erfolge erzielt haben. 
Das dritte Blatt dieses der Geschäftsehre feindlichen 
Dreiblattes bildet der Brotneid, er ist zugleich der ge¬ 
fährlichste Vertreter desselben, weil er die Triebfeder 
ist, den Fachgenossen auch dann zu schädigen, wenn 
diese Schädigung keinen eigenen Vortheil abwirft. Der 
Brotneid tritt insbesondere beim Submissionswesen in 
abscheulicher Weise zutage, macht sich überhaupt darin 
bemerkbar, dass er die Preise der Ware oder Arbeit ohne 
zwingenden Grund herabsetzt, es sei denn, dass män’ 
den Grund als zwingend ansieht, den Fächgenössen als' 
Feind zu betrachten, den man auf alle Fälle schädigen
	        
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