Volltext: Braunauer Heimatkalender 1931 (1931)

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wortkarg gewesen, doch nie menschenscheu. Tlun aber sonderte 
er sich ganz von seinen Mitbürgern ab und hing nur seinem 
Kummer nach, oft bis tief in die Nacht, wie das Licht in seiner 
Stube den später Heimkommenden zeigte. 
Eines Hachts wurden die Bewohner des Städtchens durch 
Hornsignale der Feuerwehr und das Läuten der Kirchenglocken 
aus dem Schlafe geweckt. Ein riesiger Feuerschein erhellte die 
Straften, der schaurig in die flacht hinein tönende klang der 
Kirchenglocken erweckte schreckliches klngstgesuhl. „'s Stechl- 
Ledererhaus brennt! ’s Stechl-Ledererhaus brennt!" — ging 
es von mund zu mund; alles strömte hastend dem Brandplatz 
zu. Fiber dort gab es nichts mehr zu retten. Die fjolzfd)indel= 
dachung des zwei Stock hohen Hauses und die an der Rück- 
tvand des Hauses an jedem Stockwerk angebrachten hölzernen 
Gänge mit ebensolcher Ueberdachung sorgten dafür, daß sich 
das Feuer mit riesiger Schnelligkeit ausbreiten konnte, ln 
kürzester Zeit stand das ganze Haus in hellen Flammen. Nur 
der vollständigen Windstille war es zu danken, daß der Brand 
auf das eine Gebäude beschränkt blieb, sonst wäre vielleicht 
ein weiterer Stadtteil der uralten Festungsstadt Braunau dem 
Feuer zum Opfer gefallen, wie sich dies 1874 bei einem im 
Brauhaus des TTlicbael Stechl, Bruders des Lederers Stecht 
ereignete. Unweit des lichterloh brennenden Hauses stand der 
alte Lederer und schaute wie geistesabwesend in die sein Hab 
und Gut vernichtenden Flammen. Erst als der brennende 
Vachstuhl zu wanken begann und krachend einstürzte, stieß 
er einen verzweifelten, gellenden Schrei aus und wollte sich in 
das schon von allen Seiten vom Feuer eingeschlossene Haus 
stürzen. Diese Absicht wurde zwar vereitelt, doch war es nicht 
so leicht, den kräftigen mann zu überwältigen; es war ein 
Kampf mit einem Rasenden, mit unglaublicher Kraft wollte er 
sich von feinen Rettern losreißen. 
„Heists! helfts 1" brüllte er, „da Xaverl is no’ im Haus!" 
Das furchtbare Unglück das ihn getroffen, wirkte auf ihn mit 
solcher Wucht, daß er den verstand verloren hatte. 
Herzzerreißend war es zu sehen, als man ihn seinem 
Sohne gegenüberstellte, mit fürchterlich starrem Blick sah er 
seinen Sohn an, aber er konnte ihn nicht mehr erkennen. 
Nur seines Sohnes Stimme schien den armen mann zu be¬ 
ruhigen. Die verzweiflungsfurchen wichen allmählig aus feinem 
Gesicht, dann brach er erschöpft zusammen. Nicht lange her¬ 
nach verschied der Lederet im städtischen krankenhause. Fils 
Nachlaß nach feinem Vater blieb dem Xaverl die Trümmer¬ 
stätte seines Vaterhauses. 
„wo die Not am größten, ist Gottes Hilfe am nächsten!" 
sagt ein altes Sprichwort. Und dieses Sprichwort schien sich 
bei dem armen elternlosen Xaverl wirklich bewahrheiten zu 
sollen. Xaverl fand bei feinem ebenfalls in Braunau ansässigen 
und kinderlosen (Dnftel, dem Bierbrauer und Gutsbesitzer 
michael Stechl, freundliche Hufnahme. Jeder mensch gönnte
	        
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