Volltext: Braunauer Heimatkalender 1931 (1931)

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Menschen folgen dem schmucklosen Sarg und erweisen dem 
verstorbenen die letzte Ehre. 
ln Hrmut verging sein Leben und demgemäß wurde der 
arme Xaverl begraben! Dielen, die den gutmütigen und stets 
freundlichen Xaver Stecht gekannt haben, wird er nicht nur 
in freundlicher, sondern auch in achtbarer Erinnerung bleiben. 
Hls ehemaliger Bürgers- und Hausbesitzerssohn hatte er 
gewiß nie geträumt, einmal als Gemeindearmer fein Leben 
beschließen zu müssen. Mit seinem Vater, einem einstmals 
wohlhabenden Lederermeister, ging es nach dem Tode seiner 
Stau immer mehr bergab, lieberalt, im Hause und in der 
Wirtschaft, fehlte ihre sorgende Hand und vor allem dem 
Xaoerl die Mutter. Der Xaverl wuchs ohne führende (Obhut 
auf, niemand kümmerte sich um ihn. Sein Vater war in der 
sederei in Anspruch genommen und konnte sich der Erziehung 
seines Sohnes wenig widmen. Ein ztveitesmal zu heiraten, 
konnte sich der Le derer nicht entschließen. Er hing mit inniger 
Liebe an feinem einzigen Kinde un$ fürchtete, daß er für 
feinen geistig etwas zurückgebliebenen Sohn nicht die richtige 
Mutter finden werde. So wirtschaftete der Lederer so gut es 
ging, allein. Für die bescheidenen Ansprüche, die er an das 
Essen stellte, war feine Kochkunst hinreichend und die sonstigen 
häuslichen Arbeiten mußte der Xaverl, so gut ers eben konnte, 
verrichten. Für den Beruf des Vaters taugte der Xaverl nicht; 
für die Lederei war er viel zu schwach und für ein anderes 
Handwerk hätte sich auch schwer ein Meister gefunden, der 
die Geduld aufgebracht hätte, dem Xaverl etwas beizubringen. 
Xaverl war gefügig und gutmütig, aber schwer von 
Begriffen, was er in der Schule schon zur Genüge bewiesen 
hatte. Buch als der Xaverl schon lange der Schule entwachsen 
war, spielte er in kindlicher Unreife noch mit Vorliebe in Ge¬ 
sellschaft von Schulknaben in dem die Stadt umfassenden 
Schanzgraben. 
Dem alten Vater bereitete die Sorge um den Sohn und 
der immer, schlechter werdende Geschäftsgang viel Kummer. 
Trotz Fleiß und der bescheidensten Lebensweise konnte er bei 
der erdrückenden Konkurrenz mit vier Lederern und einem 
Meißgerber in dem kleinen, kaum 31/2 Taufend Einwohner 
zählenden Städtchen sich nicht mehr emporarbeiten. 6n einen 
Enkauf von Rohäuten konnte er schon lange nicht mehr 
denken, er war froh, wenn er von feinem alten Bestand an 
Leder so viel verkaufte, daß er notdürftig davon leben konnte. 
Schweren Herzens mußte er sehen, wie fein Haus immer mehr 
verlotterte und fein einstiger Wohlstand zu schwinden begann. 
Unter dem Drucke dieser nagenden Sorgen sonderte er sich 
auffällig von der Außenwelt ab. Huf der Straße war er feit 
langem schon nicht mehr zu sehen. Er blieb in feinem Haufe 
und mied soweit als möglich jeden Verkehr mit Menschen. 
Xederermeiftec Franz Stechl galt von jeher als etwas 
absonderlicher Charakter; er war immer schwermütig und
	        
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