Volltext: Braunauer Heimatkalender 1931 (1931)

40 
Nachdem der Tobelhofbauer also gesprochen, gab er seiner 
Erwählten einen derben, ehrlichen Handschlag und trat seinen 
gewohnten einsamen Abembgang durch: die Felder an. 
Noch, immer steht ibie Zenzi mit gefalteten Händen im Schein 
feer versinkenden Sonne — wie eine Abbildung in alten from¬ 
men Büchern. Der milde Abendwind streift leise zärtlich ihre 
verblühten Wangen — die einzige Liebkosung, die sie nach. dieser 
Brautwerbung empfangen. Still und andächtig sinnt sie ben 
Worten des Bauern nach. — Die vierzig hatte sie schon über¬ 
schritten. Unbegehrt unb innerlich einsam war sie' burch bie 
strengen Arbeitsjahre ihrer Mädchenzeit gegangen; an eine 
Herrat konnte sie nie denken. Die Härten der Mutterschaft und 
ihre süße Seligkeit hatte sie niemals erfahren — in ihrem Ab¬ 
seitsstehen war bisher kein Schmerz gewesen. Aber wie sie 
letzt 'den Worten des Tobelhofbauerii nachsinnt, ist ihr, als käme 
ein weher, grausamer Schmerz über sie und griffe ihr ans 
Herz. Erst jetzt — wo das bisher Fernliegende zum bewußten 
Verzicht wurde — — erst jetzt. 
Als angesehene, rechtschaffene Braut des Großbauern ist 
die Zenzi zum Altar geschritten. Ein wenig verschämt, ein wenig 
verlegen — wie es zu ihrer anspruchslosen Art paßte. Aber 
das, was diesem Tage das Glückhafte und Geheimnisvolle gibt 
— das fehlt ihr, und das empfindet sie um1 so tiefer, als sie 
in ihrem Hetzen zum Weibe erwacht ist. 
Und weil sie sich dessen mehr und mehr bewußt wird 
umid weil sie es tiefer und tiefer empfindet, will das Glück in 
ihr nicht voll einsehten. Für ihr Feingefühl wurde das Weib sein 
nichts anderes als ein demütiges Weiterdienen. Und doch war 
noch ein spätes Erblühen übet die Bäuerin gekommen. Und 
doch- schien sie verjüngt und fast schön beim Schaffen im eigenen 
H eimwiesen . Litt sie auch: unter dem 2 ich beugen unter des 
Bauern knorrige, rauhe Art, er war nun ihr Mann — und 
sie hatte ihn lieb. 
Der Tobelhofbauet hatte lein Kind von seiner zweiten 
Frau gewollt. Allein auch der Bauer, ber kein Kind will, ver¬ 
achtet bas Weib, betn es versagt bleibt. Unb diese Nichtachtung 
gibt er seiner Bäuerin erst unmerklich, dann deutlicher, schlie߬ 
lich vor andern, ja selbst vor den Dienstboten zu verstehen. Nur 
mühsam erträgt das stille Weib all die demütigenden Kränkun¬ 
gen, die es erfährt. An allem weiß er es zu tadeln. 
Der aufwachsende Knabe, dem sie ihre ganze ungestillte 
Mutterliebe geschenkt, wird oft dreist und ungebärdig gegen 
sie — unb hängt doch stärker an ihr, als das herbe .Knaben-* 
herz zeigen will. Der Vater lacht zu seinen bubenhasten Un¬ 
arten, ja, er reüzt ihn förmlich dazu, seinen Stolz, seinen Ein¬ 
zigen, der nie mit jemandem wird teilen müssen. 
So weit war es gekommen, als sich Zenzis Herz in Bit¬ 
terkeit und tiefem Kummer zusammenziehen wollte. Aber ba 
geschah etwas völlig Unerwartetes. —
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.