Volltext: Braunauer Heimatkalender 1931 (1931)

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seiner Rechten sitzt blaß und hager die einzige Schwester der 
Heimgegangenen, ein stilles verblühtes Mädchen, alternd — 
ohne je jung gewesen zu sein. Daran gewöhnt, im Haushalt 
der langsam hinsterbenden Schwester wie eine Magd helfend 
und dienend einzugreifen, hatte sie ihr Selbst im Laufe der 
Jahre völlig vergessen. 
Hie und da streift sie nun ein Blick des Witwers flüchtig 
von der Seite; dann -greift er zögernd, wie sinnend, zum Bier¬ 
glas, dann wieder — und wieder. Der Großbauer hat schon wäh¬ 
rend des langen Krankenlagers seiner Frau daran denken müs¬ 
sen, ihr einmal eine Nachfolgerin zu geben, sobald sich die Erd¬ 
schollen über ihrem Sarge geschlossen und man ihr alle Ohren 
angetan, wie sie eben einer Großbäuerin würdig sind. So 
hatte er denn im Stillen längst Umschau gehalten — mit klarer 
Ueberlegung, mit kühler Berechnung. Kein Mensch hatte daran 
gedacht, — am wenigsten wohl sie selbst —, daß. die ledige 
Schwägerin das Ziel seiner Pläne fein könnte. Wie sollte man 
auch! Niemand hatte sie je beachtet; und sie selbst hatte ja ihr 
reizloses Ich freiwillig in den Hintergrund gerückt. Das Auf¬ 
gehen in ihren zahlreichen Pflichten hatte ihr niemals Zeit ge¬ 
lassen, etwas zu wünschen — sich- auf sich! selbst zu besinnen. 
Kurze Zeit nach der Beerdigung war's, als der Bauer mit 
der Zenzi, seiner Schwägerin gesprochen. Er wollte seine Sache 
rasch in Ordnung bringen. 
Schwer und voll hingen die reifen Früchte an den srch unter 
ihrer Last biegenden Aesten. Felder und Wiesen erfüllten mit 
ihrem satten, reinen Duft die weite Landschaft — die Grillen 
zirpten ihre Melodie dazu .Von jauchzendem Bogelgezwit;cher 
begleitet, hatten die Abendglocken zum Gebete geladen. Noch 
immer steht die Zenzi mit gefalteten Händen. Wie seltsam 
und friedvoll ist ihr heute ums Herz., Ist dies das Glück? 
Kommt es noch zu ihr so spät, das Glück? Völlig verwirrt 
steht sie im rosigen Licht des Spätsommerabends. Fast jugend¬ 
lich ist sie anzuschauen, wie verklärt im späten Erfassen des kom¬ 
menden Weibtums — 
Klar, ohne lange Umschweife und Vorbereitungen, hatte 
der Tobelhofbauer seiner Zukünftigen auseinandergefetzt, was 
er wünsche und von ihr erwarte. Im Hause, so meinte er, würde 
sich nichts ändern. Das Hauswesen würde ihr wie bisher unter¬ 
stellt sein mit allem Gesinde. Er erwarte auch die Betreuung 
seines nojf) schulpflichtigen Sohnes, und zwar — dies sagte 
er mit langsamer, fester Betonung — mit all der erdenklichen 
Liebe und Fürsorge, wie sie dies ihm und ihrer Schwester, der 
verstorbenen Großbäuerin, schuldig sei. Und er gab ihr zu ver¬ 
stehen, daß dieser Sohn — der Sinn unid Inhalt seines ganzen 
Sorgens und Lebens — der dttzige Nachkomme bleiben werde. 
Denn, so fügte er hinzu, — für behagliche Wochenbetten und fest¬ 
liche Kindstaufen sei keine Zeit und habe er auch keinen Sinn 
mehr. Er würde nun also das Aufgebot bestellen, — sie würde 
sein angetrantes Weib sein und seinen Namen tragen. Im 
übrigen bliebe alles beim alten.
	        
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