Volltext: Braunauer Heimatkalender 1930 (1930)

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die Atmosphäre entsprechend vorbereitet. Der darauf folgende 
echte Pfaffftättner-Derein, im verein mit hausbackenen Süßig¬ 
keiten serviert, taten das Ihrige, um die Stimmung um ein 
beträchtliches zu erhöhen. Nun konnte der Polstertanz, auf den 
Tante Eulalia ihre kühnsten Pläne gefetzt Hatte, beginnen. Bei 
diesem fröhlichen Anlaß — so Hatte Tante Eulalia kalkuliert 
— wird doch eines von den beiden jungen Leuten Gelegenheit 
Haben, dem anderen Teil den Polster zuzuwerfen, und der da¬ 
rauffolgende Kuß wird wohl mehr als alle Worte dem lieben¬ 
den Herzen das sagen, was es eben will. Nachdem einige 
gleichgültige Gnkel, Vettern und Basen sich den Polster zuge¬ 
worfen Hatten, war endlich die Reihe an Klara gekommen. 
Erleichtert seufzte Tante Eulalia auf. Nun hatte die Nichte doch 
endlich Gelegenheit, in ehrbar-bürgerlicher Form ihrem schwer¬ 
fälligen Anbeter einen entsprechenden wink zu geben. Als 
Klara den Polster ergriff, hingen die Blicke aller wissenden — 
und deren gab es in diesem kreise nicht wenige — mit ge¬ 
spannter Aufmerksamkeit an Klara. Die kleine errötete wie 
eine Pfingstrose, aber schwenkte doch mit deutlich erkennbarer 
Absicht nach der Richtung, wo Franz zitternden und bebenden 
Herzens stand. Unglücklicher weife stand jedoch Paula daneben. 
Ihre überlegen-ironische Miene irritierte das Mädchen derart, 
daß es den Polster mit unsicherer Hand warf, fodaß er zwischen 
Stanz und Gnkel Joses fiel. Der schüchterne Franz war trotz 
der aufmunternden Blicke Tante Eulalias nicht imstande, die 
Entscheidung zu feinem Gunsten auszulegen. Um so behender 
war Gnkel Josef, der nichts von diesem Spiel wußte. Mit über¬ 
raschender Geschwindigkeit plazierte er die Last von zweihun¬ 
dert Pfund Lebendgewicht auf dem Polster und küßte die 
widerstrebende Klara, die vor Hetzleid beinahe umzusinken 
drohte, während Franz den Stachel tödlicher Eifersucht in 
seiner Brust verspürte. 
Auch die Tante war einen Augenblick lang konsterniert. 
Aber rasch fand sie ihre Fassung wieder. Noch im richtigen 
Augenblick erwischte sie Franz, der fchmerzbebend enteilen 
wollte, bei feinem Frackschößel und spedierte ihn in das Zim¬ 
mer zurück. Auf diese weise rettete sie wenigstens die Situation, 
wenngleich Franz und Klara geflissentlich bemüht waren, an¬ 
einander vorüberzusehen. Als dann die Gäste allmählich auf¬ 
brachen, wußte sie es so geschickt einzurichten, daß Franz und 
Klara beim Weggehen mit ihr allein im Hausflur standen. 
Mit der linken Hand hielt die Tante Klara, während ihre 
rechte den noch immer widerstrebenden Franz bannte. Der 
matte Schein eines (Oellämpchens beleuchtete die Szene. Sie 
sprach angelegentlich auf die Liebenden ein, die, mit ihren 
Gedanken beschäftigt, des Geredes kaum achteten. Aber wäh¬ 
rend die Tante immer eifriger sprach und das Gellämpchen 
immer matter zuckte, ließ sie gütig und listig allmählich die 
beiden Hände der beiden Liebenden ineinander gleiten, und
	        
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