Volltext: Braunauer Heimatkalender 1930 (1930)

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Dache sein I Jetzt hoch in jenem Lindenbaum. letzt oben auf 
dem Kirchturm." Da sah er fern am Horizont im Süden die 
weiße Mauer ferner Berge. „Dort möchte ich fein," dachte er 
und stand auf Gletschern und Zelsgraten, sah unten ein Cal 
und wiesen — und lag schon bei dem Bache, flog über den 
See, glitt wie ein Pfeil den Strom hinab und faß am Ufer des 
Meeres. Drüben lockte eine Infel. „Ich will dort fein. (Oder 
auf dem Rücken jenes schnellen Vogels I In fremdem Erdteil, 
wo die bunten Vögel wohnen! Hm Ende der Welt!" Da stand 
er und blickte in einen blauen Flbgrund. weit, weit jenseits 
zogen schimmernde Welten, Sonnen und Gestirne ihre Bahnen, 
„warum soll ich hier auf Erden, hier an dieser armseligen 
Rüste bleiben? Tragt mich aufwärts auf jene Straße von Licht." 
Lind er landete auf Sonnen und Sternen. Er umflog Sonnen 
und Sterne und durchbrauste alle himmlischen Straßen des 
Weltalls. Jeder Wunsch schleuderte ihn weiter wie einen Ball, 
empfangen und abgestoßen. Seine wünsche wurden groß und 
immer gewaltiger, „jetzt," schrie er und streckte sich auf dem 
obersten Sterne aufwärts, „jetzt will ich vor dem Schoße des 
Gewaltigen und vor dem Throne Gottes stehen!" 
„Da bist du schon und von da bist du nie entkommen," 
sagte eine milde Stimme an feinem Ghr und ein gütiges An¬ 
gesicht beugte sich über ihn. Und er, Petrus, stand Klein, klein 
und kleiner wie eine Fliege auf der Handfläche des Herrn. 
„weiter bist du nicht gekommen auf meiner Hand," sprach 
der Herr, „mit all deinen Sprüngen, als zwei Singer breit von 
der Handwurzel abwärts." Und er stellte ihn neben sich auf 
die Landstraße und stand wieder da wie ein bestaubter Wan¬ 
derer und schritt vor ihm dem fernen Dorfe zu. Die Sonne 
war unterdessen eine Spanne weiter hinabgesunken und lag 
schon auf dem brennenden Horizont. 
Petrus nahm fein Bündel auf und ging schweigend und 
staunend hinter dem Herrn her. 
Christus, unser Herr, so zu uns spricht: 
„Ihr heißt mich Meister — und fragt mich nicht. 
Ihr heißt mich Licht — und seht mich nicht. 
Ihr heißt mich weg — und geht mich nicht. 
Ihr heißt mich Leben — und begehrt mich nicht. 
Ihr heißt mich weife — und folgt mir nicht. 
Ihr heißt mich schon — und liebt mich nicht. 
Ihr heißt mich reich — und bittet mich nicht. 
Ihr heißt mich ewig — und sucht mich nicht. 
Ihr heißt mich barmherzig — und traut mir nicht: 
Ihr heißt mich edel — und dient mir nicht. 
Ihr heißt mich allmächtig — und ehrt mich nicht. 
Ihr heißt mich gerecht — und fürchtet mich nicht, 
wenn ich euch verdamme — verdenkt mir’s nicht!" 
(Aus einer alten Landkirche in Bagern.)
	        
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