Volltext: Braunauer Heimatkalender 1926 (1926)

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dadurch entgegen, daß er sie Männerkleider anlegen ließ, und zwar 
in der Angst, daß ihr als Mädchen etwas Schlimmes Passieren 
könnte. Don Scanagatta gab seiner Tochter nebstbei so viel Lehren 
für die Zukunft mit, daß sie ein dickes Buch! gefüllt hätten. 
Er fftnt mit seinen beiden „Söhnen" aber nur bis 'Venedig, 
wv ihn Geschiäste aushielten. Da Giacomv überdies noch, leidend 
war, blieb er mit ihm in der Lagunenstadt zurück und vertraute 
„Francesco" dem thun bekannten Sekretär Giuliani an, welcher 
mit seiner Gattin nach! Wien reiste. Das Ehepaar hatte keine Ahn¬ 
ung, baß der Franz eigentlich! eine Franziska toter. 
Giuliani glaubte, daß „Franz" auch für Wiener-Neustadt be¬ 
stimmt sei, und ließ sich! daher von diesem überreden, ihn gleich 
dorthin zu bringen. Die junge Dame fand beim Oberarzt Haller 
Kost und Unterstand und bereitete sich! emsig für die Ausnahmsprüf¬ 
ung vor. Erst als sie diese glänzend bestanden hatte, verständigte 
sie vor allem ben Vater. 
Don (Scanagatta eilte auf bas höchste betroffen nach Wiener- 
Neustadt, um das Mädchen, welches er überaus liebte, aus den 
gefährlichen Mauern zu entfernen. Er fanb Franziska aber ent¬ 
schlossen, baß er um so weniger zu widersprechen vermochte, als 
dieselbe die süßesten Liebkosungen und Bitten ins Treffen führte. 
Gleichwohl stimmte der würdige Vater nicht ohneweiters zu. Er 
versprach! vielmehr bloß, baß er sich vor seiner Rückreise mit dem 
Oberarzt beraten wolle. Zitternd und bebend sah Franziska ber 
angekünbigten Unterredung entgegen, von ber ihre Zukunft abhän¬ 
gen sollte. s 
Doch sie hatte wieber Glück. Don Scanagatta verstand nicht 
deutsch, Dr. Haller nicht italienisch. Beide konvertierten daher in 
lateinischer Sprache, die sie nur sehr ungelenk handhabten. Dr. 
Haller setzte sich für die Wünsche des vom Soldatenstande sichtlich 
begeisterten „Franz", so gut er konnte, ein, prophezeite ihm eine 
glänzende Zukunft, da er selten noch1 einen so begeisterten, fleißi¬ 
gen Zögling gesehen habe, und wußte den Vater endlich! zur Ein¬ 
willigung zu bestimmen., Freilich fiel ejs; ihm auf, daß der Ita¬ 
liener bei der Ertoiähmmg „Frauzls" stets weibliche Endungen ge¬ 
brauchte, doch war der Arzt viel zu wenig sattelfest, um daraus 
Schlüsse zu ziehen, die doch weitab lagen. 
Am 1. Juli 1749 wurde Franziska definitiver Frequentant 
der Anstalt und verblieb bei Dr. Haller, dem sie tiefgefühlte Dank¬ 
barkeit entgegenbrachte. Merkwürdigerweise gelang1 es ihr, durch die 
ganze Zeit ihrer Studien das totehre Geschlecht selbst vor dem Arzte 
zu verbergen. Der Zögling Scanagatta gehörte zu den besten Schü¬ 
lern und wurde unter den ersten am 16. Jänner 1797 als Fähnrich 
zum Warasdiner St. George-Regiment Nr. 6 ausgemustert. Er macht« 
den Feldzug 1797 mit unb wurde am 17. August 1798 zum vierten' 
Bataillon ber Wenzel Kolloredo-Jnfanterie Nr. 56, am 10. April 
1799 aber zum Deutsch-Banater Grenzregiment Nr. 12 versetzt. 
Im Verbände dieses Truppenkörpers nahm Fähnrich Scanagatta 
an ber Blockade von Genna teil, zeichnete sich' hiebet am 9., und
	        
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