Volltext: Braunauer Heimatkalender 1921 (1921)

„Ein armer Bauer wurde durch den Bart und das Kinn an den 
Tisch genagelt und so lange und so viel an dieser Marter gelassen, bis 
er sich mit Geld losgekauft hatte." 
Wieder andere wurden in den „Bock gespannt" oder es sind ihnen 
die Hände am Genicke oder am Halse so fest als möglich zusammenge¬ 
bunden uud sie in diesem Zustande „erbärmlich gereidelt" worden. Wenn 
sie aber den Mund zur Klage öffneten, wurden sie grausam und tyrannisch 
mit Prügeln geschlagen. 
„Wein, Bier, Met, Gesottenes und Gebratenes mußte auf dem 
Tische stehen, wenn die Soldaten kamen. Uud unter jeden Teller mußte 
ein Gulden gelegt werden." 
„Aber man verlangte das Zehnfache! Bei solch unerhörten Un¬ 
bilden wurden wohl dem Bauern die heißen Tränen aus den Augen ge¬ 
trieben. Auf seine eigenen Unkosten mußte er für die Gastereien, die sich 
das Kriegsvolk gab, alles Nötige oft etliche Meilen weit herbeischaffen. 
Der Lohn dafür aber war meistens, daß alle auf dem Tisch gestandenen 
Speisen samt Schüsseln und Tellern- aus purer Bosheit dem Bauer auf 
deu Kopf oder hinter die Tür geworfen wurden. Die fruchtbare» Obst- 
bäume wurden verschnitten, Feldfrüchte mntwillig verdorben." 
(Lamprechts Chronik von Schärding, erster Teil, Seite 214.) 
Heute, vor und während des Krieges, wo die Kämpfe nach den 
Begriffen des Weltkrieges nur Scharmützel waren, zahlten nufere Sol- 
daten prompt nnd genau jede Ware. Wo ist die gute alte Zeit? Um¬ 
fangreiche Bücherschränke könnte man mit den Schilderungen der zweifel¬ 
hafte« Herrlichkeit dieser sehr zweifelhaften guten alten Zeit füllen. 
Wir müssen uns eine eingehende Beweisführung versagen. Doch 
ehe wir die Vorbemerkungen schließen, wollen wir noch ans der Zeit der 
Napoleonkriege — welche selbst die überzeugtesten Schätzer und Verteidiger 
der herrlichen Vergangenheit nicht als glückliche Daseinserscheinungen 
werten können — und zwar über den Staatsbankerott anno 1811, ein 
Wörtchen verlieren: 
Friedrich von Schmied, derzeit Generalsekretär der österreichisch- 
ungarischen Bank, schreibt in einer lichtvollen Darstellung „Die Gründung 
der Nationalbank" u. a.: 
„Im Jahre 1810 waren beiläufig 1000 Millionen Gulden Bauko- 
zettel im Umlauf; am 4. Dezember desselben Jahres war der Kurs der 
Zettel auf Augsburg auf 1240 gestiegen, das heißt, 100 Gulden Silber 
mußten mit 1240 Gulden in Bankozettel bezahlt werden. Eine ganz uu- 
glaubliche Teuerung war die Folge dieser Entwertung des Staatspapier- 
geldes. Besonders die städtische Bevölkerung und vor allen die ans feste 
Geldbezüge angewiesenen Beamten litten entsetzlich. Was half es, daß der 
Staat feinen Bediensteten Teuerungszulagen bis zur vollen Höhe ihres 
Gehaltes bewilligte, wenn die Preise der unentbehrlichen Lebensbedürfnisse 
auf das Zehn- nnd Fünfzehnfache gestiegen waren? Es kam vor, daß 
höhere Staatsbeamte nachts in den Borstadtgasthäusern zum Tanz auf-
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.