Volltext: Braunauer Heimatkalender 1921 (1921)

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An Lumpen fehlt es heute nicht — wer wollte es leugnen? Viele 
gibt es, große und kleine. Die ersteren läßt das Sprichwort laufen, die 
letzteren hängen. 
Aber auch in der hochgelobten guten alten Zeit hat es zweifelhafte 
Ehrenmänner genug gegeben, und wir wollen im nachfolgenden den 
Schätzern abgelebter Tage einiges vou ihnen und ihren Lumpereien er¬ 
zählen, damit sie das jetzige Leben etwas erträglicher finden sollen Nützt 
es nicht, so schadet es auch nicht; immerhin sollen die Notizen Ver¬ 
wertung finden, welche mir bei der Lesung von Fußnoten aus der 
Lamprecht'schen Chronik zuwuchsen. 
Es sind keine gewaltigen Verbrechen, keine Volk- und landvernichtenden 
Satanstaten, die ich im Geschichtenbuche von Schärding gefunden habe, 
es sind nur kleine, schmierige, dreckige Lumpereien, aber sie zeigen uns 
vielleicht schärfer und genauer das Leben früherer Zeiten, als die Schil¬ 
derungen hochpolitischer Vorgänge es vermögen. 
Doch vorher möchte ich noch über die holdselige gute alte Zeit 
ein Wort verliere«. 
Der Propst von Reichersberg, Jakob Christian, schreibt um das 
Jabr 1647 in einem Brief an den Lehensverwalter in Unterösterreich: 
„Freund! Die vielen Durchmärsche der Soldaten ruinieren das Land so 
abscheulich und machen es so menschenleer, daß man weit und breit 
herum keine Glocke mehr läuten hört. Die Hungersnot ist so groß, daß 
die Leute die stinkenden und madigteu Schafköpfe, Gedärme und Einge¬ 
weide, welche die Soldaten wegwarfen, sammeln und kochen. Dem Ab¬ 
decker kaufen sie das Pfund Rvßfleisch um 5 Pfennige, das Rindfleisch 
um 2 kr. ab. Von gestunkenen Ae fern, Kleien, Baumrinden müssen sich 
die armen Leute ernähren. Kein Wunder, daß nicht allein die Viehseuche, 
sondern auch die Pest unter den Leuten grassiert. In Schärding frißt 
sie alle Tage 7—8 Personen." 
Hier sehen wir — am Ausgange des Dreißigjährigen Krieges — 
die verfluchten „Schönheiten" der guten alten Zeit. 
57 Jahre später — man schrieb das Jahr des Heils Eintausend' 
sieben hundertfünf — hören wir eine ähnliche Jammermelodie, welche 
wahrlich nicht zum Lob und Preis der guten alten Zeit angestimmt 
wurde, aus einer „Borstellungsschrift", welche der Bauernkongreß zu 
Braunau an den Reichskouvent zu Regensburg richtete und in welcher 
die von der Soldateska drangsalierte Bauernschaft dartun will, warum 
sie zu den Waffen greisen mußte. Es war, wie wir schon andeuteten, 
die Zeit des großen bayrischen Bauernaufstandes anno 1705/06. 
Da lesen wir unter vielerlei anderen Klagen: 
„Die Soldaten des Wendtschen Regiments zu Fuß haben in einem 
Orte des Gerichtes Braunau neun Personen tu ein enges Höll- oder 
Stubenpödl zusammengeworfen und nach Verschluß der Türe mit Holz 
dermassen zugefeuert, daß sie beinahe sämtliche vor ungeheurer Hitz ver¬ 
schmachten oder sich mit einem Stück Geld loskaufen mußten, wie denn 
bald darauf einer ans diesen armen Leuten mit Tod abgegangen ist."
	        
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