Volltext: Braunauer Heimatkalender 1921 (1921)

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„Fröhliche Ostern, Fräulein Seifen!" 
Und wie ihre Hand nicht sogleich sich hebt, erfaßt und drückt er 
?te mit ferner warmen Rechten und lächelt ihr noch einmal ins Gesicht. 
„Fröhliche Ostern, Fräulein Anna! So ftohe und kelle, wie sie 
da zu Ihnen heraufblühen." 
”p° — weiße, ja," sagt sie und jetzt ringt sich ihr aus der 
würgenden Kehle das bittere Lachen los. Dabei wurde sie rot in er- 
glühender Scham, denn der da vor ihr steht, der kennt die Schmach, die 
chr angetan, weiß um ihre verachtete und verschmähte Liebe, von allen 
Menschen vielleicht nur er allein. Weil er selbst mit Augen der Liebe 
??! ste geblickt. Der still festen Liebe des ernsten Mannes, der nicht viel 
schöne Worte um feine Gefühle macht, der nur kommt — 
„Alles, was ich bin und habe, dir leg ich's in die Hände, wenn 
du es willst." 
Doch ihre Hände hatten ihm gewehrt, denn ihre Augen hatten den 
Edern gesehen und in ihrem Herzen war der Frühlings sturm auf- 
gebraust, darunter das kaum auskeimende PflSnzlein ehrlichen Gutseins, 
das dem ernsten Manne ertgegenfprvßte, wieder einsank und entblätterte. 
. Und als der andere sie verschmäht und sie in Dr. Branders Augen 
rmmal das tiefe Mitleid sah, da war sie ihm aus dem Wege gegangen, 
Mnel sie das in der kleinen Stadt nur vermochte. Auch er hatte ihren 
Weg. rmmer gemieden, denn er war keiner von den Aerzten, die ihre 
Med,zm aufdrängten, er wußte, daß, wenn ein gesunder Leib und eine 
gesunde Seele einmal erkrankten, sie euch in sich selber ihre beste Heil- 
kraft tragen. So hatte er abseits von ihr den Tagen ihrer Genesunq 
entgegengewartet. * 
Nicht immer still. Unter der ruhigen Oberfläche pulsierte auch ihm 
das Blut voll heißer Kraft und mehr als einmal, wenn er sie von ferne 
sah, war's ihm, als müßte er hinstürzen zu ihr und sie rütteln wie einen 
Mngen Baum, an dem das alte Herbstlaub das darunter dränoende neue 
Frühüngsgrün nicht zur Entfaltung kommen läßt? 
, Doch er hielt sich zurück, denn sie war scheu geworden und würde 
kein gewaltsames Anfassen vertragen. 
Run waren sie vor kurzem doch häufiger miteinander in Berührung 
gekommen. Der kleine Bub, dev sie erzog, war erkrankt und an feinem 
Beuchen trafen Arzt und Pflegerin täglich zusammen, sahen besorgt sich 
A als die Krankheit eine böse Wendung zu nehmen drohte, und lächelten 
sich wohl auch einmal an, wenn der kleine Rekonvaleszent eine feiner 
drolligen Fragen stellte. 
„Tante Anna, kann Onkel Doktor auch Eier legen?" 
Bei allem, was sie im Augenblick beklemmte, mußte sie plötzlich 
d«an denken, unwiderstehlich zwingt sich ihr die Komik der Frage auf. 
Dre Bitternis auf ihren Lippen wird davon verscheucht und ein be- 
wstigtes Lächeln, das sie zurückzuhalten sucht, spielt um ihre» Mund 
Em unendlich junger, lieblich schalliger Ausdruck liegt auf ihrem Gesicht
	        
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