Volltext: Braunauer Heimatkalender 1920 (1920)

battete weniger vor betn Arbeiter als vor ben polizeilichen Belästigungen, denen man 
danach ausgesetzt war, daß man es oft, wenn auch mit schwerem Herzen vorzog, 
den Arbeitswilligen wieder zu entlassen. So wurde er bann Wteber aus bte Lan - 
strafte geworfen Und dem Hunger und dem Elend preisgegeben, statt auf ber -üat>n 
der Ordnung und der Rechtlichkeit festgehalten zu werden! Wer nie gehungert hat, 
ber Kat ja leicht zu verdammen und zu strafen. Wer aber werß, ttne weh Hunger 
und Kälte tun, der denkt in solchen Fällen ganz anders als btejentgen, bte sogar 
dem Mitleidigen verbieten möchten, einem Bedürftigen etwas zu geben. 
Nichts Neues unter der Sonne. Durch Mißernten unb Kriege waren 
des öfteren Länder unb ganze Reiche in vorübergehende, wirtschaftliche Notlagen ge- 
kommen, die nur dank einer geschickten Teuerungspolitik der betreffenden Regierungen 
qlücklich überstanden wurden. Selbst für die Lebensmitteldiktaturen tn ben kneg- 
fiifnenben Staaten, bie wir als eine Errungenschaft ber heutigen schweren Zeit be¬ 
trachten, lassen sich Beispiele in ferner Vergangenheit finben Zur Zett des Clobius 
Pülcher, des erbitterten Gegners von Cicero, sah sich das hartbedrangte Rom vow 
einer wirklichen Hungersnot bekohl Nach geschichtlichen Berichten kam tn bte|er 
Weltstabt kein Getreide an, ba bie Holzschiffe bas Opfer ber Piraten tm Mittel- 
länbischen Meere geworben waren, unb bie bittere Folge war eine unerträgliche 
Teuerung des Brotes. In tiefer schrecklichen Not entschloß sich der römische Senat, 
auf ben Vorschlag des Cicero einen mit außerordentlicher Vollmacht ausgestatteten 
Beamten für bie Lebensmittelregelung zu ernennen. Cicero fetzte durch, oatz man 
Pornpejus mit biefern Amte betraute; auf bie Dauer von fünf wahren wählte man 
ihn als „verantwortlichen Vertreter ber Potestas frumentaria", oem es oblag, 
„alle Häfen zu überwachen unb zu beaufsichtigen". Wie Plutnrch berichtet, war ferne 
Macht so groß und selbstherrlich, daß man ihn mit Fug und Recht ben unbedingten 
„Herrn ber Schiffahrt unb ber Landwirtschaft ber Welt" nennen kennte Auch gab 
es früher als bamals schon Kriegsbrot. Der Prophet Ezechiel (Kapitel 4, Vers 1) 
verkündete den Untergang Jerusalems; um das Elenb zu mttbern, bas bann über 
den Einwohnern ber Stabt lasten würde, führte er folgendes aus: • ^hr werdet 
all bas zusammentun. vermengen Weizen, Gerste, Bohnen unb Hafer, unb bat aus 
euer Brot backen..." Zu Beginn bes breizehnten Jahrhunberts erklärte ber gelehrte 
Kommentator unb Grammatiker Davib Kimchi biefe Stelle mit ben Worten: „4)er 
Prophet macht bamit die ungehorsamen Kinder Israels darauf aufmerksam, datz ste 
während der Belagerung Jerusalems ihr Brot nicht mehr wie üblich aus reinem 
Getreidemehl würden backen können, sondern daß sie allerlei Körner und Gemüse, 
die nicht zur Herstellung von Mehl gebraucht werden, beimengen müßten, um Der 
äußersten Not zu entgehen." Daß aber auch bas Anstellen "tchts Neues war, beweist 
eine Stelle in der Erzählung: „Abdallah, der Land mann, und Abdallah, der Meer¬ 
mann" aus „Tausendundeine Nacht". Dort steht: „Abdallah gelangte zum Ofen eines 
Bäckers, vor dem er ein großes G'bränge gewahrte; es war gerabe eine Zett Der 
Teuerung, unb bie Leute hatten wenig Lebensrnittel in jenen Tagen; tnfolgeDesjen 
hielten sie dem Bäcker.das Geld hin, doch achtete er wegen bes großen Gewühles 
aus »leiben. ö(m Hemsen für Lebensrnittel fanb in Kriegszeiten 
Anwendung. Unter beut römischen Kaiser Diokletian (von 285 bis 305 n. Chr.) 
würben Höchstpreise zur Bekämpfung ber Teuerung festgesetzt. Als im ^ahre 60^ 
infolge ber unausgesetzten Kriegszüge eine allgemeine Teuerung tut Römischen Reiche 
ausbrach unb überall Wucher mit Nahrungsmitteln um sich griff, erließ Kaiser Dio¬ 
kletian ein Dekret, worin bie Preise ber wichtigsten Lebensrnittel festgesetzt würben. 
Wer biefe Höchstpreise überschritt, verfiel in schwere Strafe. Die gutgemeinte Ver¬ 
ordnung wirkte schädlich, denn der Geschichtschreiber, der diesen kaiserlichen Erlaß e. -
	        
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