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Bischer läßt seinen A. E. schreiben: „Die Schwaben sind zornig
das Volk ist roh — Was ein rechter Schwab ist, wird nie ganz zahm."
Er erklärt ihn für „schwerblütig, unvermögend, sich aus sich herauszuleben,"
für einen Menschen, der meine, er habe „Gemütlichkeit gepachtet." Im
ganzen ist er nicht gut auf die Schwaben zu sprechen, er, der selbst einer
war. Mit alledem mag er recht haben — und Sailers Gestalten bieten ja
die köstlichsten Illustrationen zu solchen Worten — doch werden wir auch
ein anderes Wort desselben A. E. daneben halten dürfen: „Keinen ein
zigen blasierten Menschen habe ich (unter den Schwaben) gefunden, und
bin doch mit vielen umgegangen. Dies besagt nicht wenig." Gewiß, es be
sagt nicht wenig, denn es sagt, daß der störrische, mißtrauische, verschlossene,
„fremdelnde" Menschenschlag als Gewächs seiner Scholle möglicherweise
Verkrüppelungen, aber kein Angewelktsein kennt.
Sebastian Sailer ist nach der Vorrede der Buchauer Ausgabe von
1819 von Sirt Bachmann, der den Dichter noch persönlich gekannt hat, zu
Weißenhorn bei Ulm am 12. Februar im Jahre 1714 geboren. Er war
Pfarrer zu Dieterskirch im Oberamt Riedlingen und zugleich Kapitular
des Prämonstratenser Ordens im Kloster Obermarchtal. Sailer war ein
gelehrter Mann, der die griechischen, französischen und italienischen Klassiker
im Original las, Orientalisch und Spanisch verstand, und Deutsch und La
teinisch schrieb. Als bedeutender Kanzelredner hat er Schwaben, Franken,
Mähren, die Schweiz und den Allgäu bereist, ist auch 1767 nach Wien ge
kommen, und hat dort gepredigt. Dort erhielt er von seinen Verehrern
eine kostbare Dose mit den Worten in Gold „Liceroni «uevicv". Seine Zeit
wußte ihn demnach als Redner zu würdigen. Von seinem allezeit schlag
fertigen Witz weiß eine kleine — wie mir vorkommt, auch in Verbindung
mit andern Personen kolportierte — Anekdote zu erzählen, nach der er
einem fränkischen Prälaten, in dessen Kloster er gepredigt hatte» auf dessen
nicht eben gebildet anmutendes Abschieds-Kompliment: „Nun sind wir alle
überzeugt, daß die Schwaben nicht so dumm sind, wie man bei uns in
Franken dafür hielt", entgegnet haben soll: „Und ich bin gänzlich überzeugt,
daß die Franken nicht so grob sind, wie man bei uns in Schwaben dafür
hielt." Man wird entschuldbar finden, wenn ein Volksmann in so fein
fühligen Tagen dem Buchhändler Rieger in Augsburg den Vorschlag machen
konnte, seinen Sonntagspredigten folgenden Titel vorzudrucken: „Geistlicher
Misthaufen, an Sonntägen auf die Herzen seiner Pfarrkinder ausgeführt von
Seb. Sailer . . . .", während man an einem andern von ihm vorgeschlagenen
Titel „Geistlicher Hosenträger, das ist: Vereinigung des untern mit dem
oberen Menschen" gewiß nichts auszusetzen finden dürfte. Es ist kaum anzu
nehmen, daß Rieger diesen wohlklingenden Titel nicht akzeptiert hat, falls
die dazu gehörigen Predigten wirklich zur Hand waren.
Seine Possen pflegte Sailer selbst aufzuführen, das heißt: er sang
die darin vorkommenden Arien nach eigenen Kompositionen und begleitete