Volltext: Eckart Nr. 5 1913/14 (Nr 5 / 1913/14)

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Keil ist ohne Frage einer der interessantesten Charakterköpfe des 
deutschen Buchhandels gewesen. Äußerlich mahnte er mich, ich weiß nicht 
warum, an einen pensionierten Major. Von Haus aus ein Stotterer und 
darum im Verkehr zurückhaltend, war er zur Zeit bester Laune: die Ge 
brüder Dennhardt hatten eine so gute Kur mit ihm gemacht, daß er nach 
her die Redaktion eingeladen und ihr eine fließende Rede gehalten hatte. 
Überaus weich, gütig, feinfühlig, Idealist und Volksbeglücker vom acht- 
undvierziger Schlage, hat er damit das Wunder fertig gebracht, das klassische 
Familienblatt jener Zeit zu schaffen und auf 350 000 Abonnenten, d. h. 
iy 2 Millionen Leser zu bringen, ohne sich untreu zu werden. Er stand in 
einem wunderbaren Kontakt mit seinem Leserkreise, empfand gewisser 
maßen jeden einzelnen Abonnenten persönlich, ließ sich erzählen, wo Rot 
war, half und erfreute — wo das Geld für das Abonnement ausging, gab 
er die Zeitschrift umsonst bis auf bessere Zeiten. Nur in seiner Nähe wußte 
man von seiner Riesenkorrespondenz und den haufenweisen Sendungen, 
mit denen er Freude bereitete, besonders durch Kinderkisten zu Weihnachten, 
wofür er den alten Fritz Hofmann zum Adjutanten hatte. Dabei war er ein 
praktischer Geschäftsmann, und doch keiner der Geldmacher von heute. 
Er zahlte die höchsten Honorare, an alle seine Autoren gleichmäßig, bloß 
die Marlitt bekam ein wenig mehr. „Ich bringe nur, was für mich voll 
wertig ist, da gibts keinen Unterschied," sagte er. Er ließ in seiner Redaktion 
die Manuskripte aussieben, die Auswahl las er selber durch und strich dabei 
rücksichtslos, was ihm überflüssig oder langweilig vorkam, der Ausgleich war 
dann Sache der Redaktion. Am liebsten arbeitete er mit festen zugkräftigen 
Mitarbeitern, die er möglichst für sich monopolisierte — er bezahlte diesen 
auch, was er nicht benutzte, und gab ihnen jeden gewünschten Vorschuß. 
In seinem Testament hat er alle ihn überlebenden Kredite gestrichen: ich 
fand solche bis zu 10 000 Mark! Gegen Abrechnungen sträubte er sich sogar. 
Freilich waren die Honorar-Verhältnisse damals andre als heute — wenn 
ich mich recht erinnere, hatte die Marlitt für den gesamten Eartenlauben- 
Abdruck ihrer Romane nur etwa 40 000 Mark bekommen. 
Sein rotes Tuch war das Daheim; wer für dieses arbeitete, kam nie 
mit einer Zeile in die Gartenlaube. Das Daheim war eigens gegründet, 
um diese totzumachen. Hinter ihm stand besonders Roon. Der famose 
Bericht über die untergegangene Amazone hatte bereits den Vorwand ge 
geben, die Gartenlaube in Preußen zu verbieten, und als die Preußen 
1866 in Leipzig einzogen, wurde sie ganz unterdrückt. Da ging Keil in seiner 
Not an Bismarck, der sie von Böhmen aus frei gab und dauernd ihr Gönner 
blieb. Im Winter auf 1878 druckte sie den Anfang der Busch'schen Bismarck- 
Biographie, und Bismarck erhielt die Fahnen zur Korrektur; als sich heraus 
stellte, daß ein unmöglicher Bandwurm daraus wurde und abgebrochen 
werden mußte, da Busch zu einer kurzen Fassung für das Blatt nicht zu haben 
war, half der Fürst selber Busch beruhigen.
	        
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