Volltext: Heimatland Wort und Bild aus Oberösterreich Nr. 6 1933 (Nr. 6 / 1933)

sehen haben und bald zufrieren. Das geht nun freilich 
naicht gar so rasch, wie unsere kleinen, ungeduldigen 
Schlittschuhläufer meinen, die schon von herrlichen 
Achtern und kühnen Bögen träumen. Das langsame 
Zufrieren unserer Gewässer ist eines der sinnreichen 
Geheimnisse der Natur. Da haben wir schön brav in 
der Schule gelernt: Wärme dehnt die Körper aus, 
Kälte zieht sie zusammen. Aber das Wasser tut hier 
nicht mit, es denkt nämlich nicht daran, sich bei einer 
Erwärmung von null bis vier Grad auszudehnen, 
sondern zieht sich in diesem Zustand zusammen. Erst 
wenn man ihm etwas heißer macht, bei Erwärmung 
über vier Grad schließt es sich dem Gesetz der an— 
deren Stoffe an. Es ist also bei vier Grad am dich— 
testen und nimmt den kleinsten Raum ein, ist also 
auch schwerer als bei jeder anderen Temperatur. 
Diese sogenannte „Anomalie des Wassers“ ist eine 
öchst weise Einrichtung, sie ist es, die das Wasser in 
inseren Gewässern nicht von Grund auf gefrieren 
äßt, sondern von der Oberfläche her. Im Winter er— 
altet die Oberfläche der Gewässer, die oberste Wasser— 
chicht wird dadurch schwerer und sinkt zu Boden, 
värmeres, leichteres Wasser steigt nach oben — so 
ihnlich wie ÖOl, das auch auf dem Wasser schwimmt. 
ßinge nun das Wasser nicht seine eigenen Wege, so 
vürde natürlich immer das kälteste, weil schwerste 
Wasser am Grunde des Gewässers zu finden sein, 
port, wenn der Gefrierpunkt erreicht ist, zu gefrieren 
»eginnen und langsam nach oben hin erstarren, bis 
illes Wasser zu Eis geworden wäre. So aber ist es 
uimgekehrt: wenn einmal die ganze Wassermasse auf 
vier Grad abgekühlt ist und wenn dann das Wasser 
an der Oberfläche weiter erkaltet, 
kann es nicht mehr zu Boden sin— 
ken, denn unter ihm befindet sich 
nun schwereres Wasser von vier 
Grad Wärme. So gefriert zuerst 
die Oberfläche und das Eis voll— 
ends, das noch leichter ist als Was— 
ser, bleibt hübsch artig an der Ober— 
fläche — es ist ein schlechter 
Wärmeleiter und damit eine 
schützende Decke für alles, was un— 
ter ihm sich rührt. Auf dem Boden 
unserer Gewässer sinkt auch im 
Winter die Temperatur nicht unter 
bvier Grad, ist also während des 
ganzen Jahres hindurch ziemlich 
zleich. So können Wassertierchen 
und grüne Algen unterm Eis vom 
Sommer träumen, während die 
Schlittschuhe der Kinder und der 
Großen mit leise flirrendem Klang 
über die prächtige Eisdecke sausen. 
Würde das Wasser dem allge— 
meinen Gesetz der Ausdehnung fol— 
gen, so würden unsere Seen und 
Teiche von unten herauf zu einer 
einzigen, starren Eismasse gefrie— 
ren, die- alles Leben auf dem 
Grunde erdrücken und vernichten 
würde. Und der ganze Sommer 
würde kaum ausreichen, daß die 
Sonne diese Eismassen zu schmel—⸗ 
zen vermöchte. Unwillkürlich denken 
wir da ob Gottes unendlicher Weis— 
heit an ein Wort bei Job: „Rede 
zur Erde und sie wird dir antwor— 
ten, die Fische des Meeres werden 
es dir erzählen: Wer weiß nicht, 
daß die Hand des Herrn all dies ge— 
macht hat!“ 
Langsamer geschieht des Win— 
ters Werk auf den fließenden Ge— 
wässern. Da setzt sich zuerst das Eis 
an den Rändern an, heut ein 
Stückerl, morgen ein Stückerl, wie 
ein kluger Baumeister oder ein un— 
verdrossener Feldherr schiebt es un— 
Eis auf dem Strom 
——VA 
stück des Zauberers Winter — Natur und Technik vermählen sich auf diesem 
Bilde zu eigenartiger Wirkung Aufnahme: Stenzel
	        
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