Volltext: Heimatland Wort und Bild aus Oberösterreich Nr. 6 1933 (Nr. 6 / 1933)

Keine Marmorstatuen — sondern tiefverschneite Wettersichten, die seltsame Formen angenommen haben 
Aufnahme: Georg Haeckel 
Zauberer Winter 
Eine kleine Plauderei von einem großen Künstler 
Keine Jahreszeit verändert die Natur so sehr wie önigin, da es schneit. „Sie haben auch eine Königin, 
der Winter. Er gestaltet eigenwillig ihre Linien um, die fliegt immer dort, wo sie am dichtesten schwär— 
verwischt die scharfen Gegensätze zu sanft gleitenden nen. Sie ist die größte von allen Schneeflocken, nie 
Bildern und zaubert allerhand Geheimnisvolles. Wie st sie ruhig auf Erden, sie fliegt gleich wieder zu der 
oft geschieht es uns, daß wir eine Landschaft, die wir chwarzen Wolke empor. Manche Winternacht fliegt 
im Sommer ein paarmal gesehen, im Winterkleid ie durch die Straßen der Stadt und guckt zu den 
nicht wieder erkennen/ Frenstern hinein, und dann gefrieren diese so wunder— 
Allzulange ist er noch nicht „Mode“, der gestrenge dar, als wären sie mit Blumen besät.“ Sigrid Undset 
Herr, und jedes von uns erinnert sich noch, wie er hildert in ihren Büchern Winterlandschaften von 
den meisten Menschen als ein böser Schreckgeselle galt, merhörter — Glut, möchte man sagen, wenn es nicht 
der lauter unangenehme Dinge bringt, Kälte und Eis, o seltsam klänge, aber nicht nur die nordischen Dich—⸗ 
eine große Kohlenrechnuung und drei Monate er wissen des Winters Lied zu singen, kaum einer 
Schnupfen. Nur die Kinder liebten ihn immer schon, inserer deutschen Lyriker, der nicht versuchte, den 
und warteten unruhig mit ihren Schlitten auf den veißen Zauber in Versen einzufangen. Fanny 
ersten Schnee. Aber wie so Vieles, ist auch der Winter Wibmer-Pedit hat vor kurzem eine reizende Eis— 
„entdeckt· worden im neuen Erleben, im Sport, in Alumengeschichte geschrieben, die Geschichte vom armen 
der Photographie. Jedes kleine Kind lernt heute, lleinen Heini, der an den Eisblumen sein erstes und 
kaum kann es richtig gehen, auch schon Schifahren etztes Märchen erlebt. 
und auf jeden zehnten Hsterreicher kommen ein paar 
Brettel. An schönen Wintersonntagen ergießt die 
Stadt Scharen von schnee⸗, luft⸗ und sonnehungrigen 
Menschen in die Berge, sie selbst ist verlassen, zur 
Breisin geworden, zur Stadt der Alten. Schwung 
und Bereicherung hat der Winter auch der Photo— 
kunst gebracht und man kann fast sagen, daß unter 
den Winterbildern die schönsten Naturaufnahmen 
überhaupt zu finden sind, vielleicht deshalb, weil der 
ruhige Schwarzweißzauber der Winterlandschaft leich⸗ 
ter auf der Platte einzufangen ist, als das bunte, an 
die Farbe gebundene unruhige Bild des Sommers. 
Ach ja, Eisblumen! Zauberschrift des Winters an 
inseren Fenstern! Wie selig waren doch wir Kinder, 
venn wir morgens erwachten und die Fenster hatten 
ich über Nacht gar geheimnisvoll verwandelt in herr— 
iche Fluren, darauf die zierlichsten Farne wuchsen und 
Sternschnuppen nur so herumpurzelten! Am nächsten 
Tag gab es dann schon himmlisches Gefieder in schön 
geschwungener Linie sich aus einer Ecke bauschend 
oder, ja, dort war unser Märchenwald, Schachtelhälme 
wuchsen aus vorweltlichem Boden und wunderliche 
Tiere bewegten sich geschmeidig zwischen ihnen. Wir 
Kinder erzählten uns von den Eisblumen eine kleine 
Legende, ich weiß nicht mehr, hat eine gute Groß— 
mutter sie uns erzählt oder hat kindliche Liebe sie 
„Jetzt schwärmen die weißen Bienen“, sagt die alte 
Großmutter in Andersens Märchen von der Schnee— 
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