Volltext: Heimatland Wort und Bild aus Oberösterreich Nr. 4 1933 (Nr. 4 / 1933)

Der sterbenoͤe Kachelofen 
Poetisches aus der Vergangenheit eines guten Freundes / Von Dr. Friedrich Morton 
Alsdann ist gut beim Ofen sitzen, Viel besser steht es ihr an, sich am Hackstocke zu 
Wenn Eiszapfen aus den Ziegeln schwitzen. üben, die Axt schwingen zu lernen und den Hunger 
(Ofeninschrift in Solothurn.) des Unersättlichen zu giuen, I een Od 
ichkeit die a Af Dafür darf sie auch an den eigenen denken. Oder 
— oin— 
zfen und Zentralheizungen immer kleiner. Es ist für Nen auf die Röhre. Knatternd pringen siguß un⸗ 
die Besitzenden nicht modern, in ihrer Wohnung solch elorgmer aspcher F— aft nii t ihren Wunden. 
ein bäuerliches Kachelungetüm stehen zu haben. — ud is ricnt zu * en, 
Wie arm ist doch durch diese Modernisierung das F n fen leicht zu bra en. 38 
Zeim vieler geworden, um welch schöne Erinnerungen So vermeldet eine Inschrift auf einem Schweizer 
ommen unsere Kinder, seit der gemütliche Alte im- Afen. Dann wieder kommen gelbliche Körnchen auf 
mer mehr die Stätte meidet! die Röhre, daß feiner Weihrauchduft die Feststim— 
Schon der Wall aus gelblichweißem, zu Bündeln Nung erhöht, und der Großvater läßt sich Papier und 
zusammengebundenem „Spandlholze“, das an Stelle Schere geben und setzt ein „Ofenkatzerl ins Leben, 
des Papieres die Zündung ermöglicht, aus klein- das oben, auf der Plattform des Vier⸗ oder Sechs— 
gehackten Fichtenscheitern und schweren Buchenklötzen cigen, in unermüdlichem Schwung sich dreht. Und 
erweckt Vertrauen. Mächtig und doch freundlich sieht datte der scheu Angestaunte eine Werkstatt, so über— 
er da — zwischen drinn auf seinen vier Holzbeinen, Aaschte er seine Enkel mit einem Glockenspiel, dessen 
zlänzt wie ein fettes Küchengesicht und lädi zum Ge- nelodisches Kling-Klang sie nie mehr vergaßen. 
zrauche ein. Wie die trockenen Späne prasselnd auf- Der Kachelofen erscheint oft im Prunkgewand. Auf 
lammen, daß gelber Schein das dunkelnde Zimmer bvielen alten Ofen werden die Begebenheiten der Bibel 
ourchflutet, wie die Scheiter zu glühen beginnen, daß n farbenbunten Bildern gemalt oder im Halbrelief 
es den Kacheln selber schwül wird, wie es knallt und en gläubigen Christen vor Augen geführt. In der 
zracht, wie es, selbst Leben, den erstarrten Menschen Burg zu Nürnberg steht ein Prachtstück dieser Art. 
helebt und ihn von neuer Liebe zu dem nie falschen Doch das Wort ist noch beredter. So zieren zahl— 
Hausfreunde erfüllt, daß er voller Ruhe und Gefühl Lse Sprüche den Vielseitigen und erzählen von 
das Schneetreiben und Wettern durch die blanken — des Menschen. Urdeutsches finden 
Scheiben betrachtet. Auch den Dichter regt er an: ir darunter: . 
— „Ein aet — stand — Erst die Last, 7Trag und „Jei still 
In der Ecke linker Hand. Dann die Rast. — J8 will. 
Recht als ein Turm tat er sich strecken Ver —388— ie ee 75* 
Mit seinem Gipfel bis zur Decken, 8 7ν ·. 
Mit Säulwerk, Blumwerk kraus und spitz. Snn der Schweiz sprechen sie von nüchternem 
D anmutsvoller Ruhesitz! I mne: e 
Betrachtet nur das is genau, Wenn Neid und Haß brennte wie Feuer, 
Mir deucht's ein ganzer Münsterbau: So wär' das Holz nicht halb so teuer. 
Mit Schildereien wohl geziert, ODder: — 
Mit Reimlein christlich ausstaffiert. Wer eh' kauft, eh' geboten wird, —æ 
Davon vernahm ich manches Wort, Eh' find't, eh' daß verloren wird, 
Dieweil der Ofen ein guter Hort Der stirbt, eh' er krank wird. 
Für Kind und alte Leut! 2 Die Liebe darf nicht vergessen werden. Manch ver— 
Zu plaudern, wenn es wind't und schneit.“ tohlener Kuß wird im Schutze des schmunzelnden 
Wörike.) Verbündeten getauscht, manch Bündnis geschlossen 
vorden sein:; R 
Zwei Herzen mit Lieben verbunden 
Vertreiben viel traurige Stunden. 
Ist's nicht schade um dieses Erbstück des deutschen 
Familienheimes, das den Menschen an der Wiege 
trahlend begrüßt, der den Buben mit Spiel und 
Atzung erfreut, Mann und Weib zusammenführt, ihr 
Leben weise lenken will, die Alternden mit Wärme 
imhüllt und erkaltend den Tod des Letzten begleitet? 
Sollen wir ihn nicht wieder hegen, nicht neue Kräfte 
aus ihm schöpfen, der so schön zu locken weiß: 
Ich bin dunkel, wenn's auch helle ist, 
Bin im Winter warm, 
Und im Sommer kalt, 
Und was in mir wallt, 
Verjagt dir den Harm. 
Für jung und alt ist er ein fürsorglicher Haus— 
zenosse. Großmütterchen sitzt auf der Ofenbank, lehnt 
den Rücken an den warmen Nachbarn, strickt und 
nickt und erzählt von alten Bräuchen aus ihrer Ju— 
gend. Von den Klage- und Zorneslauten des sterben— 
den Holzes, in denen der Schlüssel für die Zukunft 
ag. Von den kranken Kindern, die zu Urahnszeiten 
in den lauen Ofen kamen, von den feierlichen Ge⸗ 
oflogenheiten, die noch ihre eigene Brautzeit ver— 
chönten. I 
Aber die Jugend darf nicht ihr Leben auf der 
RNenbank verschlafen. Denn: 
Wer Lob und Ehr' erlangen will, 
Muß nicht am Ofen liegen still, 
Denn aus der faulen Rott' und Art 
Noch keiner zu einem Ritter ward. 
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