Volltext: Heimatland Wort und Bild aus Oberösterreich Nr. 4 1931 (Nr. 4 / 1931)

in Paris eintraf, und noch 226 andere Depeschen endhielt, 
war innerhallb wier Stunden vergrößerk und umgesetzt, und 
die mit Brkeftaubenpost beförderlen Telegramme abends 
11 Uhr schon in den Händen ihrer Adressaten. 7 
Auch bei dem letzten großen Völkerrinngen (1914 - 1918) 
haben die Brieftauben bei uns, wie auch auf der Gegenseite, 
Großes geleistet aind viele unserer Feldgrauen, die ihr Leben 
einer Brieftaube verdanken, haben sich nach dem Kriege dem 
Brieftaubensport zugewendet. Vor kurzem berichtete eine Pa— 
riser Zeitung, wie eine Brieftaubbe Verdun rettete. Es War 
in Jun 1o6 als sich der demsche Augrisse guf Vang, den 
Schlüssell von Verdun, konzentrierte. Alle Verbindumgen wa— 
ren unterbrochen, nicht einmal die Flieger konnten die Wol— 
ken von Pulverdampf und Giftgassen durchdringen, die sich 
auf Fort Vaux gelegt hatten. Major Raynald, der Komman— 
deur von Fort Vaux, nahm die letzte Brieftaube und sandte 
sie mit der Botschaft aus: „Wir halten aus, aber stehen unter 
gefährlichen Gas- und Rauchangriffen. Es ist dringend not— 
wendig, uns zu entsetzen. Gebt Nachricht durch optische Sta— 
tion Sonville, die auf unsere Zeichen nicht antwortet. Dies 
ist meine letzte Brieftauhe. Raynald.“ Dke Taube traf im 
framzösischen Hauptquartier ein, Alle verfügbaren Streitkräfte 
wurden nach Vaux geworfen und Verdun war gerettet. Diese 
Taube ist wor einigen Jahren verendet und durfte sich rüh— 
men, vom Marschall Foch selbst mit dem Ring des Croix de 
Guerre, das dem deutschen eisernen Kreuz enbspricht, qusge— 
zeichnet zu sein. Sie ist, sorgfältig ausgestopft, in einem Pa— 
riser Museum, als ein Stück aus der Gesschichte des Welt— 
krieges, zu sehen. J 
Wie alle anderen Sportarten, so hat auch der Brieftau— 
—— 
Europa erfahren. In Belgien, Frankreich und England ist 
der Brieftaubensport zum Nationalsport und zum Sport des 
kleinen Mannes geworden. Selbstverständlich stehen die Brief— 
dauben in diesen Ländern von Seite des Sdaates unter größ— 
tem Schutz und eigene Brieftaubenschutzgesetze tragen wiel 
zur Förderung und Verbreitung des Sportes bei. 
Deutschland bann sich rühmen, die größte Organisation 
Europas auf dem Gebiete der Brieftaubenzucht zu besihen. 
Der Verband deutscher Brieftaubenliebhabervereine in Han— 
nover-Linden ist eine Organisation, wie wir sie auch in Bel— 
gien, dem Heimatland der“ Brieftaube, nicht finnden. In 
Deutsschland tauchten die Brieftaubenzüchter zuerst in Aachen 
auf, wo auch 1830 der erste Verein gegründet wurde. Die da— 
maligen Verhältnisse waren für demn Brieftaubensport ganz 
hesonders erschwerend, denn es gab noch keine Eisenbahnen, 
so daß die Tauben im Körben von Trägern nach den Auflaß— 
orten getragen werden mußten. Es ist klar, daß unter solchen 
Umständen von bessoonderen Ergebnissen nicht die Rede sein 
konnte, denn die Träger waren vielle Tage, ja Wochen unter 
wegs, ehe sie das Ziel erreichten. Heute gibt es in. Deutschland 
nicht weniger als 6000 Brieftaubenzüchtervereine. — 
In Oesterve üch gab es schon wor sechzzig Jahren ein— 
zellne Brieftaubenzüchter und bereits vor elwa 40 Jahren ent— 
stand der noch heute bestehendde Klub der Wiener Brieftauben— 
züchter in Wien. Der Brieftaubensport entwickelke sich in un— 
serem Heimatland immer mehr und so wurde er auch in un— 
sere Donaustadt Linz getragen. Im Jahre 1925 wurde in Linz 
der erste Brieflaubenzüchterverein gegründet. Heute bestehen 
in Linz und Umgebung bereits drei Vereine und es werden 
alljährlich mit den Tauben der Mitglieder große Wettflüge 
veranstaltet, so ab Regensburg (185 Kilometer Lufftlinie), 
Würtßzburg (350 Kilometer), Siegen in Westfalen 540 Killo⸗ 
meter), Haag in Holland (850 Kilometer). Die österreichischen 
Vereine sind alle dem deutschen Verbande angeschlossen und 
es werden alljährlich für die besten Flugleistungen der Tau— 
ben vom Verband sehr wertwolle Preise wverliehhen. In un— 
serer Heimat kommen bei den ersten Flügen durchwegs hun— 
dert Tauben zusammen, welche um die Preise konkurrieren. 
Preisberechtigt ist jede fünnfte Taube. 
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Bekannblich trägt jede Taube an einen Fuß einen Me 
rallring, der außer der Nummer des Vereines und der Jah Brief 
reszahl der Geburt eine fortlaufendde Mummer enthält, wi gehen 
3. B. 06994 28 364, diese Taube trägt die Vereinssnumme wiede 
— 0 
die laufende Nummer, 364. Bei einem Wethflug ger w 
ommt eine jeder Taube außerdem noch einen Guumm urt wr 
congg won einer besonderen Kommission angelegt, F A 
»n Geheimzeichen und eine Nummer trägt. Diese Zeiche diend 
undd Nummer werden beim Einsetzen der Tauben besonder doch 
— — 
Linsatzstelle gebracht worden sind, werdem sie in Waggon nalen 
»erladen und dann geht es fork zum Auflaßort. Dort werd, Kilom 
ie Taubenkörbe alle auf einmal geöffnet und fort geht J 
er Heimat zu. Daheim haben unterdessen die Besitzer die tel tig 
raphische Nachricht bekommen: „Tauben um so und —— die m 
Ihr im Freiheit gesetzt,“ Man rechnet numn aue, wann ddurd 
Tauben eintrefffen könmen. Bei nicht zu starkem Gegenwin der— 
liegt in der Regel eine Taube in einer Minute 1000 Metel Scha 
Bei sschönem Wetter ist' die Geschwindigkeit alber bedeuten 
zrößer, und es kbommt nicht sellten wor, daß sie in einer M 
iute 1600 bis 1800 Meter zurücklegt. Kommt nun ) 
daube wieder zu Hause an, entfevnt der Besitzer den Gumn 
ing won dem Fuße der Taube, steckt düeseen in eine Messip 
hülhse und dann wird diese Hülse mit dem darin enthallen 
Hummiring in eine eigens für diesen Zweck angefertigte L 
gedreht. Nach der erfollgten Drehung zeigt die Uhr auf eine 
in ihr befindlichen Papierstreifen genau Tag, Stunde, WM 
nute und Sekunde der Ankunft der Taube an. 
Ueber die Frage des Orientierungssinnes der Brieftaub 
ist schon viell gestritten worden. Dr. Genoss, ein bekannt 
belgischer Taubenliebhaber, vertritt die Ansicht, daß die D 
ben in einer Art Selbsthypnose fliegen und gewisserma 
ebenden drahtlosen Telegrammen gleichen, wobei der bo 
Jangspunkt die Sende⸗ und der heimatliche Schlag die E 
angsstation ist. Ein spiralförmiger, mit Flüssigkeit gefülb 
Zanal im Ohr wirkt dabei vielleicht als Richtumgsweiser. 
Wuttall, ein englischer Sachkenner, hält dafür, daß sich 
igenartig gebauten Auge außer dem Sehapparat noch 
inderes Organ befindet und daß dieses der Sitz des Ori 
ierungssinnes ist. Mögen diese Ansichten im Laufe der 8 
hre Bestätigung finden oder nicht, es liegt klar auf der Han 
aß der Ausdruck „Instinkt“ gar nichts erklärt. Es isted 
Intelligentz der Vögel, die sie vorwärts führt, eine Inte' 
genzz, zusammengesetzt aus scharfer Beobachtungsgabe, Ad 
nerksamkeit, Erinnerungsvermögen, Wille und Orkssiv 
Rese Fähigkeiten beruhen auf der außerordentlichen Schẽ 
ewisser Sinne. Das ungewöhnlich bewegliche, Auge mite 
dristallinse und seiner großen Anpassungssfähigkeit sowie 
Inordnung der Wimpermuskelhn, die eine große Bannwei 
rmöglichen, ergeben eine bedeutende Sehweite und Scb 
chärfe. Die drei halbkreisförmigen Ohrkanäle dienen offen 
ichtlich zur Orientierung und verzeichnen genau selbst leich 
nagnetische und atmosphärische Schwankungen. Man hat näm 
u durch Versuche erwiesen, daß eine Verlehßung diüeser K 
räle den Richtungssinn aufhebt. Das riesige Fassungsven 
nögen der Lunge, noch erhöht durch sechs Luftsäcke unter d 
daut umd die kräftigen Muskeln des Körpers ermödglich 
rusgedehnte Flüge. Mittels dieser won der Natur ihr vey 
iehenen Hilfsmittel wollbringt die Brieflaube ihre erstaun 
ichen Leistungen. Aber selbst diese wernunftgemäßen Erkli 
ungen lassen die Leistungen des Vogels nicht weniger wun— 
erbar erscheinen. Wie Sachwverständige ffesttgestellt haben, flie— 
en die Tauihen weder bei Tag noch bei Nacht in direkter Luft 
inde dem Schlage zu, sondern wählen dem bequemsten Weg 
däßt man sie von Schiffen aufsteigen, so streben sie dem näch 
ten Lande zu und folgen dann der Küüste. Bei Ueberland 
lügen bevorzugen sie die Täler, da hier der Luftwiderstand 
zering ist. Es scheint, daß sie sich nach weithim sichtbbaren Land— 
marken richten und selbst wenn sie sich, vom Sturm umherge— 
worfen, verflogen haben, finden sie sich immer wieder zurecht.
	        
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