Sonntag, 10. September
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*Rud) ein Field.
Kriegserzählung aus dem Lande der Karpathen.
Von W. Al ex y. (Nachdr. Verb.) ,
Während der Krieg an der Grenze Ungarns
wütete und die Russen vor den Karpathen Stellung
genommen hatten, wurde besonders die Dees-
Bistrizer-Eisenbahn samt ihren Zweigen nach
Nagybanya, Klausenburg, Szigeth und anderen
Plätzen dazu benützt, Truppen und Kriegsmaterial
von einer Station zur anderen zu befördern. Sie
war deshalb zur Behauptung jenes Teiles des Lan¬
des unumgänglich notwendig.
Die mit den Russen sympathisierenden Russo-
philen — es befanden sich solche in diesem Teile
des Landes — benützten jede Gelegenheit, um die
Gleise dieser wichtigen Eisenbahn womöglich zu
zerstören, unbefahrbar zu machen.
Die Russophilen fürchteten, die Soldaten offen
anzugreifen, da sie schwach an Zahl waren, aber,
um eine Schiene zu verschieben, einen Baumstamm
über das Gleise zu legen oder eine Weiche falsch zu
stellen, in der Absicht einen Bahnzug, mit Soldaten
oder Kriegsmaterial beladen, in eine tiefe Schlucht zu
stürzen, deren es hier so viele gibt, dazu gehört
wahrlich kein großer Mut.
Die Bahn wurde so gut als möglich durch
kleine Truppen-Abteilungen bewacht, welche an
bestimmten Plätzen aufgestellt waren. Nichts¬
destoweniger gibt es manche einsame Orte an der
Bahn, manche Schluchten, wo der feige und ge¬
wissenlose Rebell sein böses Werk ohne Störung
vollbringen kann.
Zu der Zeit, von der ich rede, wohnte dort,
wo die Hauptbahn durch zwei andere Gleise durch-'
schnitten wird, der Bahnwächter Florian Cs...,
dessen Amt es war, die Gleise an jener wichtigen
Stelle für die verschiedenen Züge zu stellen.
Florian Cs... ist Ungar mit Leib und Seele,
wie auch einer der ältesten und treuesten Bahn¬
wärter. Er kennt fast jeden Zoll der Bahn inner¬
halb eines Umkreises von über 100 Meilen wie
ein Biber seinen Bau.
Florian wohnte allein mit seiner kränklichen
Frau und seinem Jüngsten, dem 13jährigen
Stephan.
Obgleich „Florians Hotel", wie die Leute das
Häuschen nennen, völlig einsam liegt, so war und wird
es heute noch von den Leuten der Umgegend oft auf¬
gesucht, da Florian allerlei Getränke, Speck, Brot und
Tabak verkauft. Seine einfache Wohnung ist bisweilen
so gesteckt voll mit Leuten wie eine Dorfschenke.
An einem bitterkalten Abend, nachdem Florian den
ganzen Tag an der Bahn beschäftigt gewesen war, in¬
dem ein Zug nach dem anderen, mit Soldaten beladen,
das Wächterhäuschen passiert hatte, versammelten sich
eine Anzahl von Männern in dem größten Zimmer des
Häuschens, das als Trinkstube galt. Da sah man Bahn¬
arbeiter, Holzknechte und Bauern. Sie besprachen die
militärischen Bewegungen.
Der alte Florian stand hinter dem langen Tische,
der ihm als Schenktisch diente und reichte seinen Gästen
Branntwein. Seine Frau kochte im anstoßenden Zimmer
und der kleine Stephan saß, halb schlafend, in der Ecke
des Kamins. Er hatte fast den ganzen Tag seinem
Vater bei der Arbeit geholfen, war daher sehr müde
und schläfrig, als die Ofenwärme seinen Körper an¬
genehm erwärmte.
Stephan kümmerte sich nicht um das laute Gespräch
um ihn herum. Doch plötzlich wurde seine Aufmerksam¬
keit durch das leise Geflüster zweier Männer gefesselt,
welche nahe bei ihm saßen.
Er war ein schlauer Junge; ohne nur den Kopf zu
bewegen, schielte er nach den Männern hin und er¬
kannte in einem derselben Vojn Zwies, einen allgemein
bekannten Russophilen, der in der Nachbarschaft wohnte
und schon mehrere Male unter die strengste Aufsicht
der Behörden gestellt worden war. Stephan gab kein
Zeichen von sich, daß er aus seinem Schlummer erwacht
Das Kriegsfenster der Wfarre Koiflnzel.
: Artikel „Kriegerdenkmale".-
sei und so lauschte er auf das Gespräch der beiden,
welches in flüsterndem Tone fortgesetzt wurde.
„Ich sage dir", sagte der eine, „es kann nicht fehl¬
schlagen. Der Zug mit zwölf Wagen und mehr als
1200 Soldaten wird Sz... s Station in fünf Stunden
erreichen."
König Aerdinand von Anrnänien.
„Aber die Weiche, die ungebrauchte Bahn¬
weiche?" frug der andere.
„Ist vollkommen losgemacht, verlaß dich
drauf. Die Nägel, welche die Schienen an die
Querbalken befestigen, sind zerbrochen. Wenn der
Zug Sz...s Station erreicht, so wird er, anstatt
gradaus zu fahren, in das alte, zerbrochene
Gleise einbiegen, ungefähr 150 Meter darauf
weiterfahren und dann mit Sack und Pack in
den Abgrund rollen"
„Gut. Wollen wir hier bleiben?"
„Ja. Um Verdacht zu vermeiden, wird es
besser sein, daß wir hier sitzen bleiben, bis die
Geschichte vorüber ist."
Die Sprecher tranken ihre Gläser aus und
begaben sich an den langen Tisch, um sich die¬
selben von Florian tata füllen zu lassen.
Stephan kennt die Stelle, von der die
Männer sprachen, sehr gut, es ist dies eine ver¬
lassene Station auf der Hauptbahn, ungefähr
25 Kilometer von dem Wächterhäuschen entfernt.
Während des Baues der Eisenbahn wurde eine
Bahnweiche an diese Stelle angebracht, durch
die ein Zug von dem Hauptgleise auf ein kür¬
zeres geleitet werden konnte, um das Baumaterial
den Arbeitern an der Eisenbahn zuzuführen.
Dieses Seitengleise war nur 100 bis 150 Meter
lang und endete an dem Rande eines sehr steilen
und tiefen Abgrundes, in den die Arbeiter Steine
und Erde warfen, die ihnen bei der Arbeit hin¬
derlich waren. Das alte Gleise wurde zwar nicht
mehr gebraucht, als die Eisenbahn beendet war,
doch wurde es nicht aufgerissen, sondern samt
der Weiche, die es mit dem Hauptgleise verband,
beibehalten, um irgend einem Notfälle vorzu¬
beugen, der sich ereignen möchte, wie, um zerbro¬
chenen Wagen einen zeitweiligen Aufenthaltsort
zu geben, um Baumaterial zum Reparieren da
aufzubewahren und zu ähnlichen Zwecken. Die
Weiche samt den Kuppelstangen wurden da¬
gelassen, aber die Schienen der Hauptbahn da¬
durch unbeweglich gemacht, daß sie an die Quer¬
balken festgenagelt wurden, um das Knarren
und Schütteln zu vermeiden, welches verursacht
wird, wenn ein Zug über eine Weiche fährt.
Nach dem Geflüster zu schließen, welches Ste¬
phan erlauscht hatte, mußten die Verschworenen
die Schienen losgemacht, die Weiche geöffnet, da¬
durch die Verbindung der Hauptbahn unterbrochen und
das Gleise so verrückt haben, daß es mit dem alten,
ungebrauchten in Verbindung stand. Das Weiterfahren
auf demselben mußte natürlicherweise zur Folge haben,
daß der Zug mit einem Luftsprunge in den Abgrund
stürzt.
Man kann sich denken, welche Aufregung die Ent¬
deckung dieses teuflischen Anschlages in dem Gemüte
des treugesinnten Burschen hervorrief. Ihm stockte der
Herzschlag vor Schreck und Angst und er strengte seine
Gedanken an, auf welche Weise er die Untat hinter¬
treiben könne.
Stephan überdachte nochmals schnell das Gespräch,
stand dann gähnend auf, rieb sich die Augen, als ob
er soeben aus einem tiefen Schlafe erwacht sei und ging
langsam dem Tische zu, an dem sein Vater, mit dem
Ausschenken von Getränken beschäftigt, stand.
Es gelang ihm, seinen Vater, ohne Aufmerksamkeit
zu erregen, durch Zeichen verständlich zu machen, daß
er mit ihm sprechen wolle. Dann ging er hinaus.
Bald darauf folgte ihm der alte Florian. Er wurde
fast vom Schlage gerührt, als Stephan ihm das soeben
Gehörte mitteilte.
„Um des Himmels willen! Sie werden unfehlbar
alle getötet werden!"
„Es muß um jeden Preis die ungebrauchte Weiche
in Ordnung gebracht werden, ehe der Zug die Biegung
erreicht", sagte Stephan entschlossen.
„Das ist unmöglich. Es sind 25 Kilometer von
hier nach Sz . . . s Station. Jetzt ist es 7 Uhr; um
12 Uhr ist der Zug dort. Wir haben kein einziges
Pferd im Stalle, denn das Fouragierungskommando
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