Volltext: Illustrierte Kriegsbeilage Nr. 20 1916 (Nr. 20 1916)

Briefes noch um 1850 mar, dafür 
gibt Otto Bähe in seiner trefflichen 
kulturgeschichtlichen Schilderung des 
deutschen Stadtlebens aus dieser Zeit 
ein charakteristisches Beispiel: Saß 
man abends im häuslichen Kreise um 
das brennende Talglicht, so bildete 
sich mitunter an dem Dochte des¬ 
selben eine rotglühende Schnuppe, 
einem roten Siegel vergleichbar. 
Dann prophezeite man scherzweise 
demjenigen, welchem dieses Phäno¬ 
men zugewandt war: „Du bekommst 
einen Brief!" Und daß ein Brief 
ein großes Ereignis war, das hatte 
seine guten Gründe, denn das Porto 
war teuer und die Beförderung 
schlecht. Zwar war jene Zeit längst 
vorbei, da die Metzger beim Vieh¬ 
einkauf zugleich die Briefbeförderung 
als Gewerbe betrieben, aber ihr 
Zeichen, das Blasen mit dem Horn, 
war von der Thnrn und Taxisschen 
Post übernommen worden, die den 
Briefverkehr als erbliches Reichslehen 
seit dem 16. Jahrhundert betrieb. 
In „Dichtung und Wahrheit" hebt 
Goethe bei der Schilderung des Brief¬ 
kultus zu Ende des 18. Jahrhunderts 
— „die durchgreifendeSchnelligkeit der Taxisschen Posten und 
I das leidliche Porto" hervor. Dem Kenner der damaligen 
Vermißte aus Oberöfterreid). | Verhältnisse erscheint dieses Lob als Gipfel der Genüg¬ 
samkeit. Ein Brief von Frankfurt nach Berlin brauchte 
neun Tage, einer von München nach Augsburg zwei 
Tage. Das „Postgeld" war so teuer, daß man seine 
Briese möglichst „durch Einschluß" beförderte, d. H. sie 
in andere Briefe einlegte, ober man benutzte den 
Gelegenheitsverkehr; Fuhrleute, Buchhändler, Reifende 
waren stets mit Briefen überladen, die sie an die ver¬ 
schiedenen Adressen abgeben sollten. Nach dem Vorgänge 
des Großen Kurfürsten, der die Ordnung des Post¬ 
wesens in seinem Lande kurzerhand selbst übernahm und 
die braudenburgisch-preußische Post gründete, hatten 
auch andere Staaten und freie Reichsstädte Deutsch¬ 
lands eigene Postanstalten errichtet, so daß es in den 
ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts nicht weniger 
als 30 selbständige Postinstitute neben der Taxisscheu 
Reichspost in Deutschland gab. Durch diese Zersplitterug 
war der Briefverkehr außerordentlich verteuert und er¬ 
schwert. Wollte der Absender den Brief selbst fran¬ 
kieren. so mußte er sich an den Postschalter begeben — 
Die Kriegserhöhung der Portogebühren, die in Briefkästen wurden erst nach 1848 eingeführt — um 
unserer in Dingen des Post- und Briefverkehres so ver- das Porto in bar zu erlegen. Nun begannen die ver¬ 
wöhnten Zeit gar manchem beschwerlich fallen mag, wickeltsten Berechnungen bei der Taxierung des Briefes, 
bringt uns doch letzten Endes zum Bewußtsein, wie die nie stimmten, so daß der Empfänger des Briefes immer 
billig das Porto geworden ist. Wirft man einen Blick noch nachzahlen mußte, weshalb man meistens die Fran- 
zurück in die nächste Vergangenheit von nur einem kierung ihm überließ. Zudem war man bei einer Nicht¬ 
halben Jahrhundert, bann erscheinen uns auch bie ver- frankierung auch sicherer, daß ber Brief wirklich beför- 
teuerten Gebühren gering; von ben unerträglichen dert wurde. Ein Brief von Frankfurt a.M. nach Danzig 
Schwierigkeiten und Hemmnissen, denen der Briefverkehr kostete 1840 150 Mark nach unserem Gelde. Einer von 
noch um die Mitte des vorigen Jahrhunderts begegnete, Königsberg nach Berlin 90 Pfennig, von Cassel nach Berlin 
haben heute nur noch die Urgroßväter eine Vorstellung, 75 Pfennig, von Kopenhagen nach Berlin 58 Schillinge 
für die ein Brief ein besonderes Ereignis bedeutete, gleich 1 37 Mark. Um das Porto zu sparen, verfiel man 
erzählen nur noch die Großmütter, die zur Frankierung auf die seltsamsten Auswege. Der Kaufmann schrieb 
eines wochenlang ersehnten Brieses tief, tief in die Tasche viele geschäftliche Mitteilungen an viele Personen in 
greisen mußten. Welche Seltenheit das Eintreffen eines derselben Gegend auf ein Blatt, das dann der erste 
Empfänger zerschnitt und ver- 
teilte. Oder man verweigerte die 
— Annahme des Briefes, nachdem 
Opfer des Krieges mm aus Oberösterreich. man die Nachricht von einem 
vereinbarten Zeichen auf dem 
~—-——————— : ■ , — " Umschlag abgelesen hatte. Der 
Wirrwarr auf postalischem Ge- 
Staaten zurzeit bestehenden 
Postnormen und Einrichtungen 
nicht besitze und daß ohne diese 
Kenntnis eine Reform nicht 
möglich fei". Der deutsch-öfter- 
reichische Posttiertrag von 1850 
war schon ein großer Fortschritt, 
weil er das Porto für den ein¬ 
fachen Brief aus einen Silber¬ 
groschen festsetzte. 
Es ist eine reichlich erprobte 
Wahrheit, daß bei unseren Feinden 
der abgrundtiefe, blutrünstige, breit 
zur Schau getragene Haß weit mehr 
im Hinterland als an der Front zu 
finden ist. Die Kämpfer, die im 
Schützengraben einander gegenüber 
liegen, die als Patrouillen ober 
Beobachter stünblich bem Tob ins 
Auge blicken, bie als Flieger bie 
schärfste Erprobung bes Mannes¬ 
mutes bestehen — sie alle üben bas 
Kriegshanbwerk als bittere Notwen- 
bigkeit im Dienste bes Vaterlandes 
und entweihen diesen Opferdienst 
nicht leicht durch Regungen eines 
unmenschlichen Sinnes. Daß es frei¬ 
lich auch an der Front abscheuliche 
Kriegsgreuel gibt, die durch keine 
Notwendigkeit des Kampfes gerecht¬ 
fertigt sind, ist leiöer nicht zu ver¬ 
kennen; erst vor kurzem hat der grau¬ 
same Befehl eines französischen Ge¬ 
nerals über die Behandlung kriegs- 
gefangeuer Feinde peinlichstes Aus¬ 
sehen erregt, und unvergessen werden die jüngst bekannt¬ 
gewordenen Mitteilungen über die serbischen Missetaten 
gegen Kriegsgefangene bleiben. Aber baneben hört man 
boch immer wieder von Betätigungen menschlicher Gesin¬ 
nung, von Schonung des kampfunfähig gewordenen Geg¬ 
ners, von rührender Pietät gegenüber dem gefallenen 
Feinde und man darf annehmen, daß solche vereinzelte 
Mitteilungen verschwindend gering sind gegenüber ber 
Zahl ber unbekannt bleibenben Regungen milben Sinnes. 
Denn im Krieg ist es wohl nicht anders als im Ver¬ 
laufe bes Gefellschaftslebens im Frieden; zumeist werden 
nur die Irregularitäten, die gröblichen Abweichungen 
von der sittlichen Norm bekannt, hingegen die zahllosen 
stillen Guttaten dringen nicht an die Oeffentüchkeit. Das 
ist ja der schöne Gedanke, der der Stiftung des fran¬ 
zösischen Tugendpreises, des Prix Monthyon, zugrunde 
liegt: das bescheidene, keusche Heldentum des Alltags 
soll ausgesucht und mit der Palme geehrt werden. 
Nebst den Kämpfern sind es die durch ben Verlust 
teurer Angehöriger am schwersten Betroffenen, aus beren 
Kreise immer wieber Zeugnisse einer Menschenliebe be¬ 
kannt werben, bie bie Schranken ber Kriegsfeinbfchaft 
nicht kennt. An solchen wirklich menschlichen Dokumenten 
richtet sich bas tiefgebeugte Kulturbewußtsein immer 
wieder auf, sie sind wie der blaffe Schimmer einer Hoff¬ 
nung, daß die schwer getroffene sittliche Gemeinschaft der 
Völker eines Tages doch wieder aufleben werde — trotz 
dem wahnsinnigen Geheul derer, die, mit bluttriefender 
Schreibfeder bewaffnet, im Hinterland ihren Amoklauf 
vollbringen. Gerade aus den letzten Tagen liegen wieber 
einige Zeugnisse solch herzerquickenden menschlichen Sinnes 
vor, bie es verdienen, festgehalten zu werden. 
Ein deutscher Kämpfer an der Westfront übersendet 
der „Kölnischen Zeitung" ein Gedicht, das ihm eine 
französische Dame, bei der er im Quartier gewesen, zum 
Abschied überreichte. Ihr einziger Sohn steht als Artillerie¬ 
offizier im Felde, aber seit den ersten Wochen des Krieges 
hat sie keine Nachricht mehr von ihm er¬ 
halten. Das Gedicht ist kein Kunstwerk, 
und nicht als solches Will es gewertet 
sein, sondern um des Gemütes willen, das 
sich darin ausspricht. Die Verse seien hier 
in deutscher Übertragung wiedergegeben: 
Nicht Frankreichs Mütter sind's allein, die heute 
So schmerzhaft leiden unter harter Geißel; 
Europas Mütter alle, eins im Kummer, 
Gemeinsam tragen sie die schwerste Bürde. 
Gefahr droht meinem Sohne, und ich seufze 
Und bete still für ihn; doch niemals wünsch' ich 
Den Tod der Krieger, die auf Feindes Seite; 
In Wehmut deut’ ich ihrer treuen Mütter. 
Wenn dem Soldaten, der zu Tod getroffen. 
Das Auge bricht und wenn er sterbend hinsinkt, 
Fliegt sein Gedanke hin zur guten Mutter, 
Und sie ist's, der die letzten Seufzer gelten. 
Die Mütter, die den teuren Sohn beweinen, 
Sie seien stolz auf den geliebten Helden, 
Fürs Vaterland ist kämpfend er gefallen. 
Fürs Vaterland hat er sein Blut gegeben. 
Die andern aber, die zu seliger Stunde 
Den heilen Sohn in ihre Arme schließen — 
Auch ihre Freud' ist trübe uud verdunkelt 
Durch ihres Volkes ungeheure Trauer. 
O Mütter, die ihr weint, in euren Tränen 
Blickt auf zu Gott, denn Er allein beschert euch 
Die Kraft, die menschlich' Maß weit übersteiget, 
Das ungeheure Leid zu überleben. 
Die militärische Konferenz der Ententemächte in Aaris. 
Wir zeigen auf unserem Bilde die vor einiger Zeit in Paris versammelten Alliierten, die zu einer Konferenz 
dort zusammentraten Von links nach rechts: General de Castelnau (Frankreich), General Sir Douglas Haig 
(Großbritannien), General Wielemans (Belgien), General Jilinsky (Rußland), General Joffre (Frankreich), 
General Porro (Italien)' und Colonel Vechitsch (Serbien). 
§Iosef Keiler 
Bauer am Kriechbaumergute in 
St. Thomas am Blasenstein 
Infanterist im k. k. LJR. Nr. 2, 
1. Feldkompacmie, 3. Zug 
Feldpost 56 
(33 Jahre alt). 
Hat seit 26. August 1914 
keine Nachricht von sich ge¬ 
geben. Kameraden, die etwas 
von ihm wissen, werden ge¬ 
beten, dies seiner besorgten 
Gattin Marie Reiter am Kriechbaumergute in 
St. Thomas am Blasenstein (Oberösterreich) bekannt¬ 
geben zu wollen. 
Alois Wrindl 
Bachmairsohn in Altenseng, Pfarre 
Alischwendt 
Mitglied des kathol. Jünglings¬ 
bundes 
beim k. u. k. JR. Nr. 14. 
t am 9. Dezember 1914 im 
k. k. Festuugsspitale in Krakau 
an den Folgen eines Brust¬ 
schusses im 29. Lebensjahre. 
Io»ef Hriiilsteidl 
Hausbesitzer in Dornach Nr. 21, 
Pfarre Saxen. 
t am 28. Juli 1915 infolge seiner 
Verwundung in Debreczin in Un¬ 
garn im 29. Lebensjahre. 
Johann Maurer 
Bauerssohn aus Mistelholz 12 
beim k. ii. k. IR. Nr. 91. 
Gefallen am 29. Juli 1915 
in Podhorodyszczem bei So- 
kal in Galizien im 20. Le¬ 
bensjahre.
	        
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