Volltext: Illustrierte Kriegsbeilage Nr. 34 1915 (Nr. 34 1915)

die Belgier waren niemals 
von Belgiern getroffen, die 
Sonntag, 26. September 
Mr. 34. 
1915. 
Aas k. k. Motrelervespital Mr. HB Areinöerg bei Linz mit AHefarzt Dr. »ou der Koya. 
Aus meinem belgischen lagebudi. 
Von W. Erich Spa et he (zurzeit im Felde). 
(Nachdruck verboten.) 
Dieser große Krieg ist unser aller Lehrmeister. Viel¬ 
leicht mehr, als wir alle ahnen. Aber hier draußen fühlt 
man es, lernt täglich um. Vor Jahren, auf einer meiner 
Europareisen, kam ich einmal nach Belgien. Damals war 
Belgien für mich ein Begriff, heute, wo ich bald zwölf 
Monde in Belgien weile, ist es mir mehr geworden: 
ein tiefsinniges Problem, dessen Erfassen mir täglich 
neue Perspektiven eröffnet. 
Geographisch genommen ist Belgien ein Land von 
28.456 Quadratkilometer Flächeninhalt mit 6,799.999 
Einwohnern, darunter nur 15.000 Protestanten und 
3000 Juden. Im Jahre 1477 kam das Land an das 
Haus Habsburg. Von 1555 an stand es unter spanischer 
Oberherrschaft. Von 1740 an bildete es als österreichische 
Niederlande einen Teil des österreichischen Staates. Von 
1794 bis 1814 war das Land französisch, von 1814 
bis 1830 mit Holland vereinigt. Die Revolution vom 
September 1830 trennte Belgien gewaltsam von Holland. 
Am 4. Juni 1831 wurde 
der Prinz von Sachsen- 
Kobnrg von einem Natio¬ 
nalkongreß zum König 
der Belgier gewählt. 
Darüber belehrt mich 
der Baedeker. Worüber er 
mir aber nichts zu sagen 
weiß, das ist die Seele des 
Landes und die zu stu¬ 
dieren habe ich mir be¬ 
sonders angelegen sein 
laffen. Hier, wo der Krieg 
tobt, denkt man vielleicht 
ruhiger (so paradox es 
zwar klingt), man hat mehr 
Empfinden mit dem Gegner. Draußen donnern die Ka¬ 
nonen; kämpft man doch an der Linie Ipern—Dix- 
muiden—Nienport um das letzte Stückchen belgischer 
Erde. Und die belgische Armee, von der Cäsar sagte, 
daß sie die tapferste unter den Galliern sei, liegt hier 
in den letzten Zügen. Aber die Gerechtigkeit dessen, der 
weiß, daß er sich selbst ehrt, wenn er dem achtnngs- 
werteu Gegner soviel Ehre gibt, wie ihm gebührt, muß 
anerkennen, daß die belgische und französische Artillerie 
auf dem letzten Stückchen belgischer Erde ein Heldenstück 
leisten, wenn sie den deutschen Kanonen noch länger 
Widerstand entgegensetzen. 
Wie ein eigensinniges Kind widersetzen sich die Bel¬ 
gier dem Gang der Weltgeschichte. Sie wollen ihren 
Untergang nicht begreifen, weil sie bis heute nicht be¬ 
griffen haben, daß nur ein einiger Staat noch Lebens¬ 
berechtigung hat. Und einig waren die Belgier noch nie. 
„L’union fait la force“ lautet der belgische Wahl¬ 
spruch, aber er war ein Widersinn von allem Anfang 
an, denn er wurde gewählt, als sich Belgien von den 
Niederlanden losriß. Und die H 
einig. Ich habe 1 
Sorapiß 
Croda da lago Nuvolan 
Monte Pelmo 
Torre bi Averau 
Geliirgspanorama von Kortina d'Ampezzo aus gesehen 
auf die Frage, ob sie Belgier seien, erwiderten: „Nein, 
wir sind Flämen!" — „Dann seid ihr doch Belgier?" 
— „Nein, wir sind Flamen! Belgien, das ist nur der 
Staat!" 
Kann das ein Deutscher verstehen? Nein, niemals! 
Das ganze Deutschland ist sein Vaterland und die 
Devise lautet: „Einigkeit macht stark!" Der Belgier 
schreibt es auf Grenzpfähle und Briefmarken, aber hat 
es nie in fein Herz geschrieben. Denn ähnlich wie die 
Flämen geben die Wallonen den Staat preis, der unter 
den wuchtigen Schritten der deutschen Truppen so schnell 
zusammenbrach. Und niemand kann es ihnen klar machen, 
daß sie mit der Aufgabe ihres Staates sich selbst auf¬ 
geben. 
Nun ist der Krieg anders ausgegangen, als sie ge¬ 
hofft haben unb nun ist es ihnen leid. Es sind mir 
zahlreiche Beispiele von Belgiern selbst erzählt worben, 
baß Solbaten aus ben von uns besetzten Gebieten, bie 
sich zuerst sehr tapfer geschlagen haben — als ob bas 
alte Kriegerblut, bas Cäsar belobte, in ihnen wieber er- 
• ' _ bann aber, als bas kriegerische Unternehmen 
: geworden, in Zivilkleibern 
still wieber zu ihrem hei¬ 
mischen Herde zurück¬ 
kehrten. Sie zogen sich 
vom Kriegsgeschäfte zu¬ 
rück. Ja, das ist nun 
freilich eine Auffassung, 
bie kein deutscher Krieger 
jemals vertreten wirb. 
Unb was tierhalf zu 
diesem Niebergang? Wenn 
einmal bie große Schulb- 
frage gelöst werben wirb, 
bann mögen bie Chronisten 
ein Kapitel nichtübersehen: 
bie Presse! Auch für bie 
Belgier wird es in biefer 
Civetta
	        
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