Volltext: Illustrierte Kriegsbeilage Nr. 18 1915 (Nr. 18 1915)

Mr. 18. 
Sonntag, 6. Juni 
Glanz. Der Zwiebelknauf des Kirchturms, ober dem in 
einen lachend blauen Maienhimmel schneeige Lämmer¬ 
wölkchen hinziehen, schillert in einem wie von gleißenden 
Goldhaarsäden übernetzten Metallgrün. Die Kalktünche 
an den großsteinigen Mauern der Gehöfte färbt ein 
warmer, ockergelber und gleichsam belebter Ton, ja, und 
selbst die Schindeln wie die Granitstücke auf denselben, 
Und ein solches spielt auch ans dem Goldkreuz, das 
die Riedhofbäueriu um ben Hals trägt. Ein großes, 
massives Kreuz, bas au einer laugen, schweren Kette 
hängt — bie Riebhoferin kann sich mit ihrem Schmuck 
schon sehen lassen! Am Enbe just so wie mit allem, was 
ihr Eigentum ist: mit bem stattlichen Hos, den vollen 
Ställen und Vorratskammern und den siebenhundert 
Reimgefunden» 
Eine Erzählung von Julius Götz. 
(Nachdruck verboten.) 
Jus Latschenbühel, wie die Leute das liebliche, von 
immergrünen Nadelwäldern umschlossene Bergtal nennen, 
ist früh die Sonne gekommen und ihr hoher Schein hat 
Kaiser Kranz Iosef Bei den Werwnndeten: Der Monarch Bet einem Wesnche im Ueservespitale in Men, Kegelgasse. 
dort einen goldig fließenden Strahlenkranz um das 
Gebäube gewoben. 
Stämme und Astwerk der Tannen und Föhren 
droben in den Forsten blicken auf und über den 
taufeuchten Wiesen, die vom Wald herab in weiten 
sanften Wellenlinien den Dorfäckern zuwandern, 
stäubt das erwachte Licht des Tages wie ein 
schimmernder Nebel. Auf allen Gräsern und 
Blättern glitzert unb funkelt es von tansenb unb 
tansenb winzig kleinen Diamanten — in jebem 
Tautropfen spiegelt sich bie liebe Sonne. Unb ber 
plaubernbe Mühleubach, an bessen Rand nun so 
echte und rechte Lenzesblumen, Taubnessel, Seidel¬ 
bast, Traubenhyazinthen und derlei duftige Bunt¬ 
sterne blühen, ist ein einziges Silberband. 
Auch der kleine Ort, der zwischen tiefgrünen 
Wäldern, saftigen Weiden und braunen, damp¬ 
fenden Ernteschollen emporwächst, St. Jakob im 
Latschenbühel, liegt mitten in diesem prächtigen 
ganze die das Dach vor der Stnrmgewalt des Föhns bewahren 
sollen, sind in ein helles, blitzendes Leuchten getaucht. 
Joch Bestgrund im Latschenbühel. ... Die reiche Wittib 
im 
Aus dem Ueservespilal der barmherzigen Arüder in Linz. 
Gruppenbild, aufgenommen anläßlich der Dekorierung des Herrn Hauptmannes 
Dragotin mit dem Militär-Berdienstkreuz mit der Kriegsdekoration. 
knisternden, bauschrockigen Feiertagsstaat hält das 
Gebetbuch in der Rechten und auf dem schmalen 
Rainweg, der sich seitwärts des Mühlbaches 
zwischen jungem Korn und murmelnden Wellen 
dahinschlängelt, schreitet sie tüchtig aus. 
Die Riedhofbäueriu will sich nicht verspäten. 
Zweimal schallten die Glocken schon zum Hochamt, 
zur Pfingstsonntagsmesse. .. . Aber so eilig sie es 
auch hat, einmal bei der Johannessäule vor der 
Bachbrücke bleibt die Bäuerin doch noch ein wenig 
stehen und schaut auf ben Riedhof zurück. 
Der liegt in Verlassenheit und Ruhe vor 
ihrem Blick. Mit offenen Fensteraugen und einem 
Hof, in dem es heute keinen Arbeitslärm und 
kein Räderrollen gibt. Nichts regt sich dort und 
nur ein ganz klein wenig dünner Rauch zieht aus 
dem linken Schornstein heraus, ein Zeichen, daß 
die alte Magd bereits zum Mittagstisch vorrichtet.
	        
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