Volltext: Nr. 69 (69. 1920)

Nr. 69 
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Kasematten waren seine Hände und .Füße gichtbrüehig 
geworden, und so lag* er den Rest seines Lebens dar¬ 
nieder, wie du ilm noch gesehen hast, eingewickelt in 
Kampf erkiesen und von seinem treuen Weibe gepflegt 
wie ein/ krankes Kind. Die Familie steuerte eine be 
scheidene Jahresrente zusammen, die durch Vermittlung 
der Mädchen dem kleinen Haushalte zugute kann. 
„Kurz nachdem du unsere Stadt verlassen hattest, 
ward er von seinem Leiden erlöst. Die Lebensaufgabe 
der Dulderin war vollendet; da sie nichts mehr auf 
Erden zu tun hatte, rief sie Gott bald darauf in seinen 
Vaterschoß zurück. Die älteste Tochter ist Lehrerin in 
einer Arbeitsschule geworden, die jüngere hat .einen 
Landlehrer geheiratet. 
„Das ist die Geschichte der Heiligen, die unter 
diesem Steine ruht." 
Die Mutter erhob sieh ; hinter dem Eichenwäldchen 
sank die Sonne und sendete einen letzten Strahl, der 
sich in dem tränenfeuchten Auge der Mutter spiegelte. 
„Gibt es noch solche Weiber in Israel (u fragte sie. 
Ich sah sie schweigend an und * drückte ihr dio 
geliebten Hände. 
Jüdischer Turn- und Sportverein, Linz. 
Wie nicht anders zu erwarten war, hat die Frequenz 
der Turnstunden in den Sommermonaten nachgelassen. 
Nunmehr mehi sich die Tunxleitung veranlaßt, neuer¬ 
dings an alle Turner und Turnerinnen, sowie an jene, 
die es. werden wollen, den Appell zu richten, die Turn¬ 
stunden regelmäßig zu besuchen, sowie stets pünkt¬ 
lich zu erscheinen. 
Es turnen: Mädchen jeden Donnerstag von 5 bis 
V-'T Uhr, Knaben jeden Donnerstag von 5 bis« %,7 Uhr, 
Damen jeden Dienstag von y^7 bis ^9 Uhr, Herren 
jeden Donnerstag von :i/j7 bis 1 i>9 Uhr, Vorturner jeden 
Montag von ^6^>is '!/>$ Uhr. 
Gleichzeitig wird mitgeteilt daß in der kommenden 
Woche infolge- der hohen Feiertage der Turnbetrieb 
erst Donnerstag, den 16. Sept. wieder aufgenommen wird. 
Für die Turnleitung: 
Theo Weiß, Turnwart. 
8 n Eingesendet. □ □ 
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Im nachfolgenden veröffentlichen wir eine Zuschrift, 
mit deren Inhalt wir uns wohl nicht voll identifizieren 
können, die wir jedoch im allgemeinen Interesse wieder¬ 
zugeben litis verpflichtet halten. Wir würden uns freuen. 
wen}n diese Einsendung ein weiteres Echo finden würde. 
Die Redaktion. 
V erelir 1 i eh e R ed a k t i o n ! 
Wie die vorige Nummer der ,,Jüdischen Nach¬ 
richten" fzeigte, rüstet man wieder unserer kleinen 
Judenkhile zum Wahlkampfe. — „Kampf !iW — Ilaben 
denn unisere Feinde wirklich recht, wenn sie sagen: 
..Wo zwei Juden, dort wird.gestritten!k> Denn es ist doch 
sonnenklar, daß jeder Wahlkämpf reich an unerquick¬ 
lichen, häßlichen Szenen, Verleumdungen, Bosheiten und 
ähnlichen schmutzigen Dingen ist. Wir Linzer können 
ja schon davon ein „schönes" Liedehen singen, es ist da¬ 
her überflüssig, all die Schattenseiten eines Wahl¬ 
kampfes aufzuzählen. Naiv wäre der zu nennen, dei*diese 
Tatsachen bei noch, sq ehrlich denkenden Parteien außer 
Acht lassen würde. Und trotzdem der Wahlkampf ! 
Ks ist richtig, daß die in den Vorstand der Kultus¬ 
gemeinde entsendeten Männer« ihr Amt mit mehr Sicher¬ 
heit ausfüllen könnten, wenn sie klar und eindeutig die 
Zahl der Wähler wüßten, die auf die oder jene Partei¬ 
gruppe entfallen und anderseits würde bei ciliar statt ge¬ 
fundenen Wahl nie der Vorwurf einer ifngereehten Zu¬ 
sammensetzung aufkommen. Dies ^»ind die Gründe, die 
für eine Wald sprechen würden. Doch seien wir uns 
über Eines klar. Ganz abgesehen davon, daß genannte 
Umstände nie die Agenden der Vorstehung so beein- 
Uussey körmlen, daß die Gemeindeangelegenheiten da¬ 
durch Sehaden leiden würden, muß doch die Frage auf¬ 
geworfen werden, ob dies dann wirklich so viel Aufwand 
von Zeit, Geld und Kräfte wert ist! Scheinbar wird auch 
die Bedeutung des Vorstandes auf beiden Seiten gewal¬ 
tig überschätzt. Glaubt man denn, daß die Vertretung 
dieses Gemeindchens in die Speichen des Schicksalrades 
unseres Volkes eingreifen kann? Wohl nicht! Und 
innerhalb unserer Stadtmauern? Die österreichischen 
Staatsbürger mit ihrem jüdischen Bekenntnis brauchen 
sicherlich nicht zu fürchten durch den Umstand, daß 
manchen Linzer Juden das Judentum viel, viel mehr als 
bloßes Bekenntnis ist, die oberösterreiehisehe Juden¬ 
sehaft in ihren Rechten geschmälert, in ihrer Bequem¬ 
lichkeit gestört wird, oder gar, daß von Seiten der 
„bösen" Zionisten etwa bei dem Landeshauptmann Häu¬ 
ser nationale Minderheitsrechte gefordert werden oder 
dergleichen. Sind sie doch davon überzeugt, daß Linz 
zu solchem Manöver weder der Boden ißt, noch daß die 
Linzer Zionisten irgendwelche Bestrebungen gegen des 
Gesamt wohl der jüdischen Bevölkerung verfolgen. Es 
soll vielleicht nicht die Wichtigkeit der Aufgaben einer 
Vertretung geschmälert werden, doch kann man mit Be¬ 
stimmtheit annehmen, daß in den. meisten Dingen die 
Parteien eines Sinnes nur im! Interesse der Gemeinde 
handeln werden. Schon deshalb spielt die Zahl der Man¬ 
date einer Partei nicht die wichtigste Rolle. In gegebenen 
Fallen wird nach wie vor die Meinung und Stimmung 
der Bevölkerung in G em eindeversammlungern ausschlag¬ 
gebend sein! 
Und nun zu den Zionisten! Hier wären noch viel 
schärf ere Worte am Platze. Heute, wo unsere Sehn¬ 
sucht, unsere Hoffnung vor der Erfüllung steht; heute, 
wo jeder- auf seinem Platze stehen muß, bereit, sein 
Letzteis zu opfern, urn die Idee, unsere Ideale zu reali¬ 
sieren; heute, wo jeder bewußte Jude sich voll und ganz 
als „jüdischen Menschen" — wie unser Buber sagt — 
dem Volke geben muß und diese Arbeit, Kraft und Zeit 
erfordert; heute, wo es heißt, die große Summe Geld 
aufzubringen, um „unseren" Boden zu erwerben, wo jede 
Krone zählt, die dem Jüdischen Nationalfonds verloren 
geht; heute, wo die Erlösung da ist; heute . . . wollen 
wir in unserer kleinen Galuthkhille einen Wahlkampf 
führen, der alle Kräfte konzentriert und dessen IvesuH 
tat jeder voraussagen kann, der mit der Struktur unserer 
Gemeinde nur halbwegs vertraut ist. Es hieße nur, die 
nicht kleine Zahl der Indifferenten, denen zum Teil 
v solche Dinge als „Hetz" willkommen sind, oder als 
Rev auch egelege»nheit persönlicher Differenzen betrach¬ 
ten, zu gewinnen und das würde man) dann als „Erfolg" 
oder „Mißerfolg" bezeichnen. 
Der Fehdehandschuh ist bereits gefallen. Die neu- 
gegründete Partei veröffentlichte ihr Programm. Die 
nächsten Wochen werden nun zeigen, ob man den Wahl¬ 
kam pf mit all seinen Folgen und Begleiterscheinungen 
will. Jüdische Bevölkerung von Oberösterreich, sprich 
auch du deim Wort! V. S.
	        
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