Volltext: Nr. 55 (55. 1920)

: Jüdisch e JSfach r i ckfeen 
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und Verhandlungen mit allen, zionistische ürgänis&tto- 
nen und Repräsent ein ten ist. Die wichtigste Frage, deren 
Erledigung noch in der Schwebe ist, kt abgesehen ,von. 
dem Mandat an sich die Frage der Grenzen. Über diese 
Frage sind von Seiten der zionistischen, Organist ion 
Verhandlungen mit allen 111 Betracht kommenden Regie¬ 
rungen gepflogen worden und es steht zu hoffen, daß das 
Resultat den Lebensnotwendigkeiten des Jüdischen :Na-' 
tionalheimes und einer gesunden Ökonomischen Entwick¬ 
lung des Landes entsprechen werden. Hier ail f buchtete*1 
Dr. Weizmann über die Lage in Palästina und betonte 
insbesondere, daß die wider alles Erwarten ausgedehnte 
Übergangszeit zu einer außerordentlich schwierigen öko 
nomischen Situäti'oh geführt hat. Es ist aber in der letz¬ 
ten Zeit gelungen, die Administration in Palastina zur 
Annahme bestimmter Pläne zu gewinnen, welche schon 
jetzt, also vor der endgültigen Regelung der politischen 
Fragen, die Inangriffnahme eines ausgedehnten Wieder¬ 
au fb a 11 werk es gestatten. Dadurch wird dem bisherigen 
unbefriedigenden Zustand ein Ende bereitet. Ein an¬ 
deres Zeichen für die Wendung zum Besseren, die in 
dem Stagnierungsprozeß eingetreten ist, ist die Mission 
Herbert Samuels, deren große Bedeutung Dr. Weizmann 
ausführt. 
Nahum S o k o l o w berichtete über seine Unter¬ 
handlungen mit der französischen Regierung. Er habe 
die erfreuliche Überzeugung gewonnen, daß dieselbe an 
der Deklaration festhalte. Im Laufe der Tagung traf 
auch ein Schreiben des französischen Ministerpräsidentpn 
Mill er and ein mit folgendem Wortlaut: 
,,Ich habe von Ihrer mir freundlich gemachten Mit¬ 
teilung vom 9. Feber, betreffend die Errichtung einer 
nationalen jüdischen Heimstätte in Palästina, Kenntnis 
genommen. 
Es bedarf keines Zweifels Ihrerseits, und es freut 
mich, Ihnen die Versicherung des Interesses der fran¬ 
zösischen Regierung an diesem Werke im Ursprungs¬ 
lande Ihres mit soviel Widerstandskraft und Intellek- 
tualität ausgestatteten Volkes zu erneuern. 
Alles, was getan werden kann, um bei der Schaffung 
einer derartigen Organisation behilflich zu sein — unter 
Berücksichtigung der gerechtfertigten Ansprüche und 
Interessen der in Ursprung und Religion verschiedenen 
Völkerschaften, welche die Geschichte in Vorderasien 
vereinigt und vermischt hat — wird die Unterstützung 
Frankreichs genießen." 
I11 der Generaldebatte, die in der Sitzung eröffnet 
wurde, sprachen zunächst die Herren Joeobus Kann, 
Jean Fische r, Dr. F riedm a 11 n und Dr. Alexander 
M armore k, welche kritische Bemerkungen zu den 
zionistischen Vorschlägen für das Palästina-Mandat 
machten. Herr Kann beschäftigte sich außerdem mit Be¬ 
obachtungen und Erfahrungen auf seiner letzten Reise 
durch Palästina. Dr. Marmorek brachte eine allgemeine 
Kritik gegen die Führung der zionistischen Politik vor. 
Die Redner betonten die Notwendigkeit guter Beziehun¬ 
gen zu den Arabern. Dr. W e i z m ann antwortete auf 
die vorgebrachten Argumente in einer ausführlichen 
Rede. Er beschäftigte sich ausführlich auch mit dem 
Verhältnr z *m arabischen Volk und seinen Führern und 
zeigte, welche Bedeutung der politische Rahmen ge¬ 
winnen wird, den der Friedensvertrag schaffen soll, wenn 
er durch die zielbewußte Arbeit der zionistischen Orga¬ 
nisation und des jüdischen Volkes ausgefüllt wird. 
Die 3. Sitzung wurde durch Herrn Sokolow eröffnet, 
welcher einerseits auf verschiedene Punkte in den Reden 
der Herren Marmorek, Fischer und Kann einging und 
im besonderen darlegte, in. welcher Weise die Leittm# 
außerhalb des Zionismus stehende jüdische Kräfte für 
, di$ Mitarbeit vge?w$nne*i |^t.^ix^&hlußteil seiner Redt* 
sprach Herr; Sokolow über das Verhältnis der palästinen¬ 
sischen Frage zum; gesamten jüdischen Problem. Hieram 
| sprach Herr Dr. Bodenheim er den Führern den 
Dank für die von ihnen geleistete Arbeit und die erreich 
ten Erfolgeiaitis, durch die-fie'sichj als würdige Nachfol 
ger Herzls erwiesen hätten. Er sprach den Wünsch aus, 
daß die Zionismen aller Lände# möglichst schnell dk» 
Möglichkeit erhalten, intensiv in Palästina an der Arbeit 
teilzunehmen. 
Noch eine Anzahl von Mitgliedern-des Aktionskoni! 
fees nahm zu dem vorliegenden Berichte in zustimmender* 
Weise Stellung. 
Die folgenden Beratungen galten der kulturellen! 
Position im Lande, insbesondere der zu gründenden j 
hebräischen Universität. 
In der Palästina debatte wurde insbesondere auf die 
ungeheure Bedeutung des j ü d i s c h e 11 N a t i o n a 1- 
i o rt d s> hingewiesen. Die Privatinitiative könne nicht 
ganz ausgeschaltet werden. Im Schlußwort wies Doktor 
Weizmann auf die Wichtigkeit der Nationalisierung des 
Bodens, auf die Araberfrage und auf die Tätigkeit der 
zionistischen Kommission in Palästina hin. Er schloß 
seine Bede, indem er nochmals betonte, daß es jetzt 
darauf ankommt, die Möglichkeit zur sofortigen kon¬ 
struktiven Arbeit zu schaffen. Diese Arbeit wird in 
geometrischer Progression den Raum für die Ausdehnung 
des Werkes in Palästina schaffen, wie sie den großzügig¬ 
sten Planen entspricht. Es ist aber notwendig, jetzt ohne 
Versäumnis die Vorbedingungen des guteu erfolgreichen 
Anfanges zu. schaffen, welche den Weg für die Zukunft 
bahnen. 
Die Behandlung der Volksfremden im 
jüdischen Staate. 
Von Alfred I r e i m a n 11. 
Im Gegensatze zu der wahrhaft brutalen Art, mit 
der selbst hochstehende Völker dem Judentum gegenüber 
treten, kann das jüdische Volk voll Stolz auf seine uralte 
ethische Auffassung von dem Fremden hinblicken. 
Die Volksfremdem, die sich innerhalb des jüdischen 
Staates niedergelassen hatten, ohne sich dem jüdischen 
Volke assimilieren zu wollen, genossen vor dem Gesetze 
völlige Gleichheit: „Ein Gesetz und ein Recht soll euch 
sein und dem Fremden, der bei euch wohut." (Levit. 24, 
22 Num. 15, 16.) Charakteristisch ist die ethische Be¬ 
gründung des Fremdenrechtes in der Thora: „Du sollst 
den Fremden lieben wie dich selbst, depn Fremde wäret 
ihr im Lande Ägypten." (Levit. 19, 34.) „Den Fremden 
bedrücket nicht, denn Ihr wisset, wie dem Fremden zu 
Mute ist, da Ihr Fremdlinge wäret im Lande Mizrajim." 
(Exod. 23, 9.) „Denn der Ewige, euer Gott, der Gott 
aller Götter, der Herr aller Herren, der keinen Unter¬ 
schied der Person kennt, er liebt den Fremden, gibt ihm 
Brot und Kleid; so liebet auch Ihr den .Fremden!' 
(Deut 10, 17,) Der Talmud bemerkt dazu: „Wer des 
Fremden Recht beugt, beugt Gottes Recht" (Chagiga 5a), 
und weist darauf hin, wie groß die Bedeutung des Frem¬ 
den rechtes sein muß, wenn die Thora es für nötig fand, 
dasselbe an 36 Stellen zu betonen. (Baba mezia 59 b,) 
Selbstverständlich hatte der Fremde, der nicht die 
Absicht hatte, sich zu assimilieren, auch gewisse Pflichten 
gegenüber deYn Wirtsvolke. Im Talmud ist die Frage
	        
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