Volltext: Nr. 40 (40. 1919)

gen zur Hebung des jüdischen Volksbewußtseins und 
Eindringen in jüdische Literatur und Geschichte, weitere 
Schaffung eines Jugendbundes, dessen Ziele, geistige und 
körperliche Regeneration sein soll, und nicht zuletzt, wenn 
auch zuletzt genannt, Ausgestaltung der Religionsübungen 
(Chor, regerer Tempelbesuch). Das sehr zahlreich er¬ 
schienene Publikum folgte den Ausführungen des Herrn 
Rabbiners Dr. Altmann mit großem Interesse, und wurde 
durch reichen Beifall der allgemeinen An erkennng Aus¬ 
druck verliehen. 
In der darauffolgenden lebhaften Diskussion beteilig¬ 
ten sich als Proredner unter anderen Herr Oberrech¬ 
nungsrat Pollak, der die Anregungen des Herrn Dr. Alt- 
mann sehr wünschenswert erachtete, jedoch die Ausfüh¬ 
rungen in der hiesigen Kultusgemeinde für schwer durch¬ 
führbar hielt. Als Kontraredner polemisierte Herr Eisen¬ 
berg lebhaft gegen den nationalen Standpunkt und 
empfiehlt als einzig segensreiche Betätigung für Juden 
die sozialdemokratische Partei. 
Den Schluß bildete die Einleitung zur Gründung des 
Jugendbunde». S. 
Innsbruck. 
Hebräischer Kurs. Unter Leitung des Ttabbiners 
Herrn Dr. Link wurde hier ein hebräischer Sprachkurs 
für Erwachsene eröffnet. Dank der interes-santen Vor¬ 
tragsweise erfreut sich der Kurs eines regelmäßigen 
Besuches. 
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Bücher und Zeitschriften. 
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Sämtliche hier besprochenen und angeführten Druck¬ 
werke sind am schnellsten zu beziehen durch das Litera¬ 
tur- und Kunstreferat des Volksvereines „Zion" in Linz 
(Max S o n n, Stockhofstraße 11, Sonntag 9 bis 11 Uhr 
Bethlehemstraße 26). 
Die Sexualethik der jüdischen Wiedergeburt. Ein 
Wort an unsere Jugend soll es sein, das Büchlein Hans 
Goslars — ein Mahnwort an die jüdische Jugend, die 
heute über das Streben, Zion für das jüdische Volk zu er¬ 
werben, beinahe zu wenig darauf bedacht ist, selbst, als 
einzelne Menschen jüdisch zu werden. Der Erneuerung 
des jüdischen Gemeinwesens in Palästina muß die Erneue¬ 
rund des jüdischen Menschen vorausgehen. Wenn wir 
von uns, eingestellt in das jüdische Volk, die tätige Mit¬ 
wirkung an der Verwirklichung des Zionsideals verlan¬ 
gen, so muß die völlige und entschlossene Umstellung 
unseres Lebens auf jüdische Grundlagen unsere Galuth- 
arbeit sein. Um diese aber vollständig zu leisten, dürfen 
wir vor nichts Halt machen, am wenigsten aber davor, 
wo unserer Jugend der schwerste Kampf bevorsteht : dem 
Kampf um die Heinigung und Heiligung unseres Ge¬ 
schlechtslebens, der Erziehung zur Verantwortlichkeit ge¬ 
genüber der kommenden Generation. In diesem Kampfe 
müssen wir nicht erst unser Ziel aufbauen wrie sonst, 
weshalb es uns ja so ungleich schwer fällt, eine spezi¬ 
fisch jüdische Kultur zu umschreiben, hier können wir 
schon auf festem, jüdischem! Grunde unseren Kampf be¬ 
ginnen. Die jüdische Sexualethik der alten, jüdischen 
Sittengesetze muß auch uns wieder erstarken lassen, wie 
auch unsere Ahnen stark waren, als sie an ihr festhielten, 
in Erez Israel und im Ghetto. Sie beobachteten die jüdi¬ 
schen Sittengesetze, deren sexual-ethischer Grundsatz, die 
Frühehe und Keuschheit beider Geschlechter bis zum 
Eheschluß, das Volk als Gesamtheit jung, frisch und pro¬ 
duktiv erhielt. Die moderne Gesellschaft fordert die vor¬ 
eheliche Keuschheit, wenn auch nur mehr theoretisch, 
vom Weibe allein, läßt aber diesen „moralischen" Ma߬ 
stab beim Manne, ja sogar schon beim Jünglinge gänzlich 
außer acht. Das Judentum kennt diesen Unterschied 
nicht, sondern verlangt von beiden Teilen die unbedingte 
voreheliche Enthaltsamkeit. Diese Forderung gründet 
sich auf der Auffassung des Judentums, die den Ge¬ 
schlechtstrieb harmonisch in den Dienst der Allgemein¬ 
heit stellt, ihn aber nicht zum Selbstzweck um des Sinnem 
rausches willen, erniedrigt. Dadurch ist auch die ehren¬ 
volle Stellung der jüdischen Frau als Weib und Mutter 
kommender Geschlechter bedingt. Für den Jüngling aber 
ist der Wille sich rein zu halten eine Feuerprobe für seine 
Charakterstärke und ist nur der Wille dazu vorhanden, 
so wrird auch der Trieb beim normalen Menschen nicht 
unwiderstehlich werden; ist es doch der Geist, der sich 
den Körper schafft. So wird auch der Enthaltsame, da das 
aufgespeicherte Quantum Sexualspannung der inneren 
geistigen Produktion zustatten kommt, mit um so stär¬ 
kerer Energie das zu erreichen suchen, was für ihn das 
Ziel ist, eine soziale Existenz, die ihm eine möglichst frühe 
Ehe erlaubt. In Erez Israel war der Jüngling mit 18 Jah¬ 
ren reif für die Ehe, die dann das erstrebte, aber nicht in 
allzu weite Ferne gerückte Ziel war. Infolge der Anpas¬ 
sung an das Klima aber wäre jetzt ein Aufschub von 
5—6 Jahren natürlich, so daß wir für europäische Ver¬ 
hältnisse eine männlicherseits mit 24 Jahren eingegangene 
Ehe als Frühehe bezeichnen können. Nun sind es aber 
soziale Hemmnisse, die den Mann meistens hindern, eine 
Friihehe einzugehen. Goslar glaubt nun dadurch, daß 
sich auch die Frau dem Manne im Erwerbsleben zuge¬ 
sellt, diese Hindernisse teilweise in den.Hintergrund zu 
stellen, besonders da noch ein anderer Umstand fördernd 
dazu kommt, die, man kann ?ast sagen allgemeine. Be¬ 
rufsumschichtung. Es ist eine Unterschätzung der Frau, 
beim Eingehen einer Ehe deren Mitarbeit von vornherein 
auszuschalten. Waren nicht die Frauen des Ghettos, die 
mitten im Erwerbsleben standen, dem Manne näher ge¬ 
rückt. als die heutigen? Unsere jungen Mädchen drän¬ 
gen sich heute mit ehrlicher Lust und Liebe zur Arbeit 
und warum sollen sie nicht tatkräftige Mitarbeiterinnen 
des Mannes werden und ihm auch in dieser Aufgabe zur 
Seite stehen. Um so enger wrird dann die Gemeinschaft 
sein, die sich auch auf Arbeit aufbauen kann. So entwirft 
uns Goslar in- srroßen Zügen sein sexual-ethisches Pro¬ 
gramm, das in besonderem Maße für die selten muß, die 
selbst an der Schaffung einer gesunden, jüdischen Land- 
arheiterschaft in Palästina tätig Anteil nehmen wollen. 
Was für die Galuthjuden als Programm, muß für die 
künftigen Palästinenser geradezu als Prinzip aufgestellt 
werden. Erst wenn sich die Juden von dem schädigenden 
Einfluß, den die Assimilation geübt hat, auch in dieser 
Hinsicht befreien, erst dann wird das zur Wirklichkeit 
werden, was uns allein Bürge für ein iüdisehes Palästina 
sein kann: der gesunde, aufrechte Jude. Zair. 
Erez Israel, Mitteilungen des Hauptbüros des Jüdi¬ 
schen Nationalfonda Der Haag; Heft 3. 
Mit einiger Verspätung erreicht uns diese Schrift, 
ohne im geringsten ihre Aktualität eingebüßt zu haben. 
Aufsätze berufener Autoren erschließen uns neue Gebiete 
der Palästinakolonisation. Ihr Studium kann jedem ern¬ 
sten Palästinafreund (auch dem Niehtzionisten) emp¬ 
fohlen werden. 
Aus dem Inhalt: Julius Simon: Das Kreditproblem 
bei der Erbpacht. Prof. Dr. H. Albrecht : Kleinsiedlung
	        
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