Volltext: Nr. 37 (37. 1919)

Jüdische Nachrichten 
Nr. 37 
g § Aus der jüdischen Welt. B g 
Der jüdische Nationalrat für Deutschösterreich hat 
eine Stiftung für Pogrom-Waisenkinder in der Höhe von 
100.000 Kronen errichtet. Die diesjährigen Zinsen wer¬ 
den zu je 1000 Kronen an vier jüdische Pogrom-Waisen¬ 
kinder verteilt, 
General Watson, das neue Oberhaupt der britischen 
Verwaltung in Palästina, ist- nunmehr in Jaffa einge¬ 
troffen und wurden bereits am zweiten Tage seiner An¬ 
wesenheit die diesjährigen Abschlußprüfungen am dor¬ 
tigen hebräischen Gymnasium in seiner Gegenwart ab¬ 
gehalten. Als Vertreter der zionistischen Organisation 
war I)r. Ed er erschienen. Auf Befehl des Generals hat 
die Justizverwaltung das Hebräische als Sprache der 
Friedensgerichte nunmehr genehmigt: alle Schriftstücke 
sind in dieser Sprache zulässig. 
Folgende Eisenbahnlinsen in Palästina sind im Be¬ 
trieb: Kantara—Haifa 415, Hud—Jerusalem 69, Hud— 
Jaffa 20, Tiafa—Berseba 50. Haifa—Dera 164, Damas¬ 
kus1—Dera—Haan 460, Haifa—Akko 17 Kilometer. 
(„Jewish Daily News.") 
Dit all weit liehe Zionistisch# Jahrestonferenz dürfte, 
einer Meldung der „Jüdischen Preßzentrale Zürich'' nach, 
hu Dezember oder Jänner in Basel oder Bern stattfinden. 
Arnold Zweigs schon 1917 erschienenes Drama 
„Ritualmord in Ungarn" gelangte am 18. Oktober an der 
Neuen Wiener Bühne zur Erstaufführung, nachdem ein 
knapp vorher erlassenes Aufführungsverbot auf dring¬ 
liebe Vorstellungen hin aufgehoben worden war. Das 
Stück bat den bekannten Ritualmordprozeß von Tisza- 
Eszlar im Jahre 1887 zum Vorwurf, paralell mit der 
Handlung auf der Erde spielen sich auch Szenen im 
Himmel ab. Das Verbot war erlassen worden, weil Kund¬ 
gebungen befürchtet wurden. 
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Aus dem antisemitischen Lager 
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Der ukrainisch Ministerrat bat auf Antrag des 
Ministers für jüdische Angelegenheiten beschlossen, die 
Todesstrafe gegen alle der Beteiligung an Judenpogromen 
Schuldige ni verhängen. 
Keine Jud#n in «ier österreichischen Armee. Der 
Abgeordnete Dr. Gimpl und Genossen verlangten in 
einem Antrage, daß die Juden nicht in der künftigen 
österreichischen Armee dienen dürfen. Man muß wirk¬ 
lich sagen: Sorgen haben unsere christlichsozialen steier- 
märkischen Abgeordneten! Und das war gerade am Page 
der Ratifizierung des Friedensvertrages. 
(„Wr. Mgztg/0 
Herr Dr. Wtkerl«, der stets der liberalste Magyar 
war und für den die ungarischen Juden durchs Feuer 
gingen, macht nunmehr die zur Genüge bekannte'Politik 
Herrn Friedrichs mit und hat die ungarische Judenschaft 
ganz merkwürdig im Stich gelassen. Er äußert sich einem 
Interviewer gegenüber wie folgt: Er sei zwar nicht der 
Meinung, daß die Oktoberrevolution sowie der Bolsche¬ 
wismus den Juden in die Schuhe geschoben werden könne 
irnrl er gl«übe auch, dsß das ungarische Wirtschaftsleben 
jetzt noch des Unternehmungsgeistes bedürfe, dem man 
nicht von heute auf morgen ersetzen könne. Aber die 
Juden dürften an führende Stellen nicht 
zugelassen werden und man müsse trachten, sie 
m it der Zeit zu ersetzen. Deshalb halte er es 
für nötig, daß sich die Söhne des La n d e s prak¬ 
tischen Laufbahnen zuwenden. 
Nichts erweist deutlicher den Zusammenbruch der 
jüdisch-assimilatorischen Politik in Ungarn als diese 
Äußerung Wekerles. Die ungarische Judenschaft, die in 
ihrem magyarischen Chauvinismus so weit ging, daß ein 
Budapester Rabbiner den Nachweis führte, die ungarische 
Judenschaft stamme von Arpad ab, die in der Unter¬ 
drückung der nationalen Minoritäten leider so großen 
Anteil nahm, erntet nunmehr die Früchte ihrer durchaus 
verfehlten Politik: Ihr größter magyarischer Freund, 
Wekerle, will seine Juden aus dem ganzen öffentlichen 
Leben ausschließen und stellt sie, diese übermagyarischen 
Juden, den „Söhnen des Landes" gegenüber. 
(„Wr. Mgztg.") 
Von unserer Schande. Die Berliner Zeitschrift „In> 
Deutschen Reich", Organ des Zentral Vereines deutscher 
Staatsbürger jüdischen Glaubens, das Blatt der jüdischen 
Assimilation und des Kampfes gegen das Nationaljilden- 
tum schreibt: 
„Angabe der Religion in Abgangszeugnissen. Die 
Schulverwaltung unter der alten Regierung hatte den 
Brauch, die Abgangszeugnisse mit der Angabe der Reli¬ 
gion zu versehen. Auf ein Ersuchen wurde nun in einem 
speziellen Falle vor kurzer Zeit ein neues Zeugnis ohne 
diese Formel ausgestellt. Diese Tatsache sei zur Nach¬ 
achtung allen jüdischen Interessenten nahegelegt." 
Die Jüdischnationalen predigen stolzes, offenes Be¬ 
kenntnis und kämpfen unentwegt dafür, daß die Zuge¬ 
hörigkeit zum Judentum den Bürger im vollen Genüsse 
der Staatsbürgerrechte nicht beeinträchtigen dürfe. Die 
jüdischen Assimilanten, „die deutschen Staatsbürger 
mosaischen Glaubens", machen sich die Sache bequem. 
Sie kämpfen dafür, daß die Juden das Recht erhalten, ihr 
Judentum zu verstecken und sich auf Hintertüren ein¬ 
zuschleichen. Sie erteilen dem jüdischen Jüngling den 
Rat, sein Judentum zu verschweigen. Das genügt iür 
den Anfang. Was aber dann? Der Jude, der solcherart 
einen Posten erlangt hat, muß doch, um sich zu behaupten, 
weiter den Anschein aufrecht halten, Niclitjude zu sein. 
Und schließlich kommt es zum Abfall. Wir können nicht 
nachdrücklich genug dieses würdenlose Treiben verur¬ 
teilen und vor aller Welt erklären, daß wir Juden solcher 
Gesinnung als Schädlinge betrachten, die abzuweisen eine 
Pflicht, der jüdischen und ein Recht der nichtjüdischen 
Gesellschaft ist. 
Jüdische Margenpost" 
Wien II., Taborstrasse 52 b 
ist die einzige Tageszeitung in jüdischer Sprache, in 
Österreich und in allen Nationalstaaten wie auch im 
Auslande stark verbreitet. 
Die „Jüdische Morgenpost" bringt die ausfuhr- 
lichsten Nachrichten über jüdische Angelegenheiten 
in Palästina und in der ganzen Welt, und Aufsätze 
von den besten, jüdischen Schriftstellern. 
Die „Jüdische Morgenpost" ist ein ausgezeich¬ 
netes Organ für Insertionszwecke.
	        
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