Volltext: Nr. 30 (30. 1919)

Nr. 30 
Jüdische Nachrichten 
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»ehr starke Bautätigkeit notwendig werden, um diese 
Bedürfnisse zu befriedigen. 
t . Es wird sich bei ihr handeln: 
1. um Schnellbauten in massenweiser Herstellung, 
welche von der Leitung des Ansiedlungswerkes in Auf¬ 
trag gegeben werden müssen, für die große Schar der 
armen Einwanderer aus dem Osten Europas, 
f<: 2. um Wohnhausbauten für den wohlhabenderen 
T$il der Einwanderung, 
3. um Anlage von Siedlungen, wie Kolonien, Garten¬ 
städten, Dörfern und Städten, nach einem vorher zu 
bestimmenden Plane, darunter wahrscheinlich vielen für 
Genossenschäften von Einwanderern oder von solchen 
Gruppen, welche gemeinschaftlich ihre Übersiedlung 
vorbereiten wollen (Achusoth usw.), 
4. um öffentliche Bauten, Schulen, Hochschulen, 
Theater, Krankenhäuser, Staats- und Gemeindeverwal¬ 
tungsbauten, Sakralbauten, W egebauten, Eisenbahn¬ 
bauten, Hafenbauten (in Jaffa und Haifa), Kanalisa¬ 
tionen und Bewässerungen, Stauwerke usw.), 
5. um Errichtung von Bauten für industrielle Unter¬ 
nehmungen, für welche in vielen Ländern, besonders in 
Rußland, England, Amerika und Palästina bereits Mil¬ 
lionenkapitalien bereitgestellt sind, Baumaterialfabriken, 
Grubeiiunternehmungeii, Kraftwerke, Webereien, Spin¬ 
ae-reien, Mühlen-, öl-, Seifen-, Glas-, Zucker- und che- 
nische Fabriken, Gemüse- und andere Konservenfabriken, 
Marmeladefabriken, Keltereien, Druckereien, Hotels 
und Kuranstalten (Tiberiassee, Karmelvorgebirge, Jaffa, 
Seebad Haifa u. a.), endlich Geschäfts-, Büro- und Kauf¬ 
häuser. 
Die „Palästina-Ballgesellschaft" ist von einigen 
Architekten und Kaufleuten nach eingehenden Vorbe¬ 
sprechungen und Vorarbeiten als G. m. b. IL gegründet 
worden. Die Gesellschaft legt ihr Hauptaugenmerk vor¬ 
erst auf die Vorbereitungen für die Errichtung der 
Bauten zu 1) obiger Aufzählung (Einwanderer-Wolin- 
bauten) und will diese Tätigkeit sofort nach ihrer 
Übersiedlung, die baldmöglichst nach Öffnung Palästi¬ 
nas für die Einwanderung beabsichtigt ist, in Angriff 
nehmen, da sie hierin die Hauptaufgabe für die Bau¬ 
tätigkeit der allerersten Zeit erblickt. 
Der Beginn des Betriebes in Palästina ist so ge¬ 
dacht, daß ein ausreichender Stab von hiesigen, beson¬ 
ders geeigneten und vorbereiteten Fachleuten und Lan¬ 
desexperten unmittelbar nach seinem Eintreffen im 
Lande die notwendigen vorbereitenden wirtschaftlichen 
und wissenschaftlichen Arbeiten, die Propaganda, die 
Organisierung des Einkaufs und schließlich die Bau¬ 
tätigkeit selbst in Angriff nimmt, 
Was an Materialien wird eingeführt werden müssen, 
wird sich nach Art und Lage der auszuführenden Bauten 
richten. Einfachere Bauten wurden bisher aus den im 
Lande vorhandenen Materialien: Kalkstein, Sandstein, 
Lehm, Gips, Ton, Sand, Asphalt errichtet. Für Bauten 
besserer Art ist die Einfuhr von Zement, Eisen, Holz 
und Materialien für die Be- und Entwässerung not¬ 
wendig. Ganz zu Anfang werden wohl auch fertige 
Baracken und Fenster und Türen noch bezogen werden 
müssen. # , 
Schon nach kurzer Tätigkeit im Lande wird sich 
erkennen lassen, ob es für die Baugesellschaft zweck¬ 
mäßig ist, sich eigene Baumaterialfabriken (Zementr, 
Ziegel-, Kalksandstein-, Zementwarenfabriken) und 
eigene Werkstätten (für Holzbearbeitung, Installation, 
Schmiede und alle sonstigen Bauhandwerke) zu schaffen. 
Soweit es sich von hier aus beurteilen läßt, erscheint 
nach Berücksichtigung der Rohmaterial- und der Be¬ 
darf sf rage die Errichtung von Zement- und Zement¬ 
warenfabriken, sowie von Holzbearbeitungswerkstätteii 
dringend geboten. 
Ob sich die Notwendigkeit und Geeignetheit auch 
noch zu sonstigen Nebenbetrieben ergeben wird, kann 
hier noch nicht gesagt werden, ist aber möglich. 
Die Zentrale der Gesellschaft wird voraussichtlich 
an einem der Küstenplätze eingerichtet werden müssen. 
Bei beginnender Entwicklung sind Zweigunternelimun- 
gen an den Punkten der Hauptbautätigkeit zu eröffnen. 
Eine ausgedehnte Vertreterorganisation in den Ländern 
der jüdischen Auswanderung sorgt für die ständige Füh¬ 
lung der Gesellschaft mit Auswandererkreisien, sowie 
für die M'aterialeinkäufe im Auslande. 
Der weitere Ausbau der Gesellschaft, die Gründung 
von Tochterunternehmungen, die Teilnahme an Be¬ 
strebungen, die auf Zentralisierung des Bauwesens in 
Palästina gerichtet f^ind, bleiben späterer Zeit vorbe¬ 
halten. 
Neben der praktischen Arbeit der Gesellschaft sollen 
einhergehen wissenschaftliche und technische Arbeiten 
zum Studium der allgemeinen Bauverhältnisse und des 
Marktes, der Frage der Baumaterialien (Vorkommen, 
Gewinnungs-, Herstellungs- und Verwendungsmöglich- 
keiten) der speziellen Bauformen und Baueriahrungen, 
der Schaffung von Normalien und der Schaffung von 
geistigen und technischen Grundlagen für alle Gebiete 
des neuen Bauwesens in Palästina. — Diese Arbeiten 
werden entweder von einer besonderen Studienabteilung 
der Gesellschaft geleistet, oder, falls sie von anderer 
Seite ausgehen, von ihr gefördert werden. Auch die 
Ausführung von Versuchen mit Materialien, Grundriß- 
und Bauformen ist in Aussicht genommen. Auf diese 
Weise soll die Gesellschaft sich zum Kernpunkt aller 
fortschrittlichen Bestrebungen im Bauwesen Palästinas 
zu machen versuchen. 
Die äußere Formgebung der Bauten soll vom Geiste 
guten Baues eingegeben sein, d. h. den Bedingungen 
des Materials, des Landes, der Bewohner bestens ent¬ 
sprechen. 
Der voraussichtliche Kapitalbedarf der Gesellschaft 
ist auch noch nicht annähernd zu übersehen. Doch ist 
im Hinblick auf die große in Palästina sofort zu erwar¬ 
tende Bautätigkeit und auf die bedeutenden im Auslande 
bereits für industrielle und landwirtschaftliche Er¬ 
schließungsarbeiten zur Verfügung gestellten Mittel un¬ 
zweifelhaft Kapital in jeder Llöhe nutzbringend im Bau¬ 
gewerbe anlegbar. 
Die Aussichten für die Zukunft scheinen uns ganz 
vorzügliche zu sein. Die Einwanderung wird aller \ or- 
aussicht nach von Jahr zu Jahr anwachsen, und wenn 
für die ersten Jahre mit einer Ziffer von einigen Zehn¬ 
tausenden jährlich gerechnet werden kann, so kann sich 
diese bei' fortschreitender landwirtschaftlicher Er¬ 
schließung und beginnender Industrialisierung leicht 
auf hunderttausend und mehr jährlich erhöhen. Wir 
glauben, daß die Bautätigkeit für Jahre und eventuell 
Jahrzehnte hinaus Schwierigkeiten haben wird, mit der 
Größe der Einwanderung Schritt zu halten, da die Trans¬ 
port-, Material- und Arbeiter Verhältnisse keine geringen 
Schwierigkeiten bieten werden. Keineswegs ist jedoch 
ein Beschäftigungsmangel oder ein Überangebot am 
Baumarkte zu befürchten. 
Aufruf. 
Wir fordern hiemit alle Juden und Jüdinnen auf, 
zu den jüdischen Feiertagen fur den „ J u d i-
	        
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