Volltext: Nr. 21 (21. 1919)

Nr. 21 
Jüdische Nachrichten 
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und Stolz der Gemeinde ist, konnte daher ohne' wesent¬ 
liche Belastung des Budgets geschaffen werden. 
Erst im Jahre 1918 mußten die Steuerbeträge um 
30 Prozent erhöht werden, um bei den Beamten und An¬ 
gestellten der Gemeinde durch ausgiebige Teuerungsi- 
zulagen der allgemeinen Teuerung Kechnung tragen zu 
können. Wie allen anderen Gemeinden der ehemaligen 
Monarchie, brachten die Kriegsereignis»se auch der Sankt 
Pöltener Kultusgemeinde eine Unsumme von Arbeiten, 
Sorgen und Kosten, die aber gerne in dem Bewußtsein 
geleistet wurden, damit den ärmsten Glaubensbrüdern, 
den Kriegsflüchtlingen und Kriegsopfern zu helfen. Den 
in St, Pölten stets stationierten jüdischen Soldaten wurde 
die regelmäßige Teilnahme am Gottesdienste und an den 
durch hiesige Frauen geschaffenen Sederabenden er¬ 
möglicht. 
Mitteilungen 
des Jüdischen Nationalfonds 
I Dr. Karl Meiseis. j 
Am 18. Juni 1919 verschied in einem Sanatorium in 
Graz Dr. Karl Meiseis im 26. Lebensjahre. 
Er führte im Jahre 1918 das Sekretariat der Landes¬ 
sammelstelle des Jüdischen Nationalfonds für Österreich 
und erzielte organisatorisch und propagandistisch bedeu¬ 
tende Erfolge. 
Zeitlehens widmete er sich der zionistischen Bewe¬ 
gung, für die er in vielfacher Hinsicht segensreich wirkte. 
Die Linzer Ortskommiission hatte während einem 
Jahre Gelegenheit mit Dr. Karl Meiseis in regem Ver¬ 
kehre zu stehen, den sie als Vorbild selbstlosester Pflicht¬ 
erfüllung schätzte. 
Die zionistische Organisation errichtet einen ölbaum- 
•uiin in Erez Israel auf seinen Namen P. St. 
Die Lage Palästinas. 
Während' ein Aufsatz in der vorigen Nummer dieses 
Blattes die Größe des vom jüdischen .Volke als Heim¬ 
stätte erstrebten Landes zum Inhalt hatte, so sei heute 
von der Lage desselben die Hede, die uns allein schon Ga¬ 
rantien bietet, daß die jüdische Siedlung auf festen wirt¬ 
schaftlichen Grundlagen ruhen wird können. 
Palästina ist kein entlegenes Territorium, das erst 
\"]'t wenigen Jahrzehnten in den Gesichtskreis der zivi- 
' vierten Welt gekommen ist, sondern es gehört zu jenen 
1 andstrichen, die in den ersten geschichtlich bekannten 
Epochen der Menschheit der Schauplatz kulturellen Le¬ 
bens gewesen sind. 
An der Kante Asiens gelegen, bildet es einen Teil 
('er Ostküste des Mittelmeeres, um das sich die Wohn- 
f 5"c der historischen Völker des Altertums gruppierten. 
■! >viiden des Landes liegt die schmale Brücke, die Asien 
lfUt Afrika zusammenhält, während die Landverbindung 
wischen dem Erdteil, der die Wiege des Menschen- 
3schlechtes war, und dem alten Europa, im Norden nicht 
H'br fern ist. ,,So lag Palästina wirklich im Schnitt- 
T'Uufet der drei^Veltteile, die bis zur Entdeckung Ameri¬ 
kas die Welt waren." 
Noch mehr! Die ältesten Zentren menschlicher Kul¬ 
tur, die beiden fruchtbaren Stromgebiete Ägypten und 
Babylonien, hatten einen Weg, auf dem sie miteinanr 
der in Verbindung treten konnten und so sehen wir das 
alte Kanaan seit Jahrtausenden in der leidvollen Rolle 
eines strategischen Aufmarschraumes im Kampfe zwi¬ 
schen den beiden Mächten des orientalischen Altertums 
und in der günstigen Situation eines vom Weltverkehr 
durchzogenen Landes, wo ebenso die Produkte mensch¬ 
licher Arbeit wie des menschlichen Geistes vermittelt 
werden. Der erste Teil unserer Geschichte erzählt uns 
ja viel von dieser wichtigen Stellung von Erez Israel. 
Auch im Mittelalter hat der Ostrand des Mittel¬ 
meeres nichts von seiner Bedeutung eingebüßt und erst 
als die Entdeckung neuer Erdteile den wirtschaftlichen 
Schwerpunkt der Erde verschob, erstarb das rege Leben 
in den syrischen Gebieten, während gleichzeitig der Okzi¬ 
dent den Orient an Errungenschaften der Zivilisation 
weit überholte. So erklärt sich, daß uns in unseren Tagen 
Palästina vor Augen tritt als ein Land, auf dessen grauer 
Öde und Verlassenheit nur der Schimmer einer großen 
Vergangenheit glänzt. 
Und doch sind die Aussichten in eine ebensolche Zu¬ 
kunft nicht schlechter. Das historische Empfinden sagt 
uns, daß die Weltwirtschaft immer größere Erdgebiete 
erfassend, sich wieder neue Wege unci Zentren schaffen 
wird; und diese werden parallel mit den politischen Ver¬ 
schiebungen im Osten gefunden werden. Ungeahnte Mög¬ 
lichkeiten stehen vor uns, wenn wir z. B. den Aufstieg der 
gelben Rasse ins Auge fassen, wenn wir an ein Er¬ 
wachen der islamitischen Völkerschaften denken. Unge¬ 
heure kulturelle Aufgaben erwachsen dann einer jüdi¬ 
schen Gemeinschaft, die im Schnittpunkt der westlichen 
und östlichen Erdhälfte siedelt. Schon heute bildet eine 
der wichtigsten Wasserstraßen unserer Zeit, der Suez¬ 
kanal, die natürliche Südgrenze Palästinas. Durch das 
Land führt der Schienenweg von Konstantinof)el nach 
Ägypten, von wo aus bald die Eisenbahnverbindung durch 
ganz Afrika bis zum Südkap gebaut sein wird. Ein Bahn¬ 
netz, das der Krieg nur gefördert hat, macht Arabien und 
das zukunftsreiche Mesopotamien zum Hinterlande 
Syriens, während die Westgrenze des Judenlandes das 
Mittelmeer ist, das große Wasserbecken, das mit seinen 
mehrfach ins Innere Europas eingreifenden Armen, den 
schönsten und besten Weg nach Erez Israel darstellt. 
Sicherlich wird diese günstige Lage des Landes für 
die jüdische Kolonisation von Vorteil sein. Trotzdem 
natürlich unwiderlegbar feststeht, daß die jüdische Ab¬ 
siedlung in Palästina, soll sie auf kräftigen Grundlagen 
fußen, unbedingt einer starken, gesunden Landwirtschaft 
bedarf, so wird eine Einwanderung in größeren Massen 
doch möglich sein dadurch, daß eine Reihe von wirt¬ 
schaftlichen Positionen geschaffen werden können, die 
der heutigen Beruf Schichtung der Juden mehr entspre¬ 
chen. Die bedeutsame Stellung, die Palästina schon in 
naher Zukunft in der Weltwirtschaft wird einnehmen 
können, bietet hiezu manchen günstigen Ausblick. 
Ortskommission Linz. 
(Adr.: Linz, Franz Josefplatz 29.) 
Sammelbüchsen. 
Wir wiederholen unseren dringenden Appell an 
alle in Linz und in der Provinz, die bisher noch nicht im 
Besitze einer Sammelbüchse des Jüdischen Nationalfonds 
sind, uns die Adressen bekanntzugeben ; es wrird unseren 
Mitarbeitern so viel Zeit erspart, die wir sonst für die 
Agitation von Haus zu Haus aufwenden müßten.
	        
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