Volltext: Zeitschrift des Münchener Alterthums-Vereins XIV und XV Jahrgang (XIV. / XV, Jahrgang / 1903/04)

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EIN MUSIKALISCHER ABEND IM MÜCHENER ALTERTUMSVEREIN. 
Das Spinett war mit dünnen Drahtsaiten be¬ 
zogen, hatte einen Umfang von 3 Oktaven und 
stand in der Stimmung um eine Quinte oder Oktave 
höher als der gewöhnliche Flügel. Die Saiten wur¬ 
den durch Rabenkiele von der Seite her gerissen, 
welche auf den (an der Taste angebrachten) Holz¬ 
stäbchen befestigt wurden. Der Klang dieser In¬ 
strumente, die in vielfacher Art und Vervollkomm¬ 
nung als Klavicymbel, Virginal, Klavicitherium, 
Spinettino erscheinen, war ein klirrender, näselnder, 
weniger singend als beim Klavichord, aber rau¬ 
schender, weshalb das Klavicymbel auch im Or¬ 
chester Aufnahme fand. 
Bei unserem Instrumente, das nach seinem 
Charakter ein Spinett ist, findet sich nun hinsicht¬ 
lich der Technik folgendes Charakteristische: Der 
Umfang ist erweitert, denn es hat statt 3, 4x/2 Ok¬ 
taven; die Saitenbespannung ist noch die durch 
dünne Drahtsaiten; auf der Taste ist hinten ein 
Holzstab aufgestellt, der in Gabelform endet; aber 
in dieser befindet sich nicht eine Vorrichtung mit 
einem dornartig hervorragenden Kiel, sondern ein 
Lederstück, welches die Saite bei der Bewegung 
der Taste anreisst. Das ist das Neue an der Tech¬ 
nik dieses Spinettes. Da hier ein hartes, breiteres 
Lederstück und nicht ein dornartiger Kiel die Saite 
anriss, war die Wirkung wahrscheinlich ein kräf¬ 
tigerer Ton. Es sei bemerkt, dass auch bei un¬ 
serem Instrument das Stäbchen auf der Taste nicht 
direkt auf die Saite, sondern neben derselben herauf¬ 
bewegt wird und diese seitlich anreisst. 
Wenn man die heutigen Konzertflügel mit 
ihrer Wucht von niederschmetternden und doch auch 
wieder feinen und einschmeichelnden Tönen hört, 
mag man sich freuen über die vollendete Technik 
unserer Klavierindustrie, aber das Intime, Herzer¬ 
quickende der alten Instrumente ist uns verloren 
gegangen mit allem Zauber der Einfachheit und 
Sinnigkeit. Alles geht jetzt bei uns ins Ungemes¬ 
sene; die Instrumente, auf denen „Bach“ und „Mo¬ 
zart“ ihre unsterblichen Tondichtungen vortrugen, 
würden heute Mitleid und Lachen erwecken. 
Ich wende mich der Ausstattung unseres In¬ 
strumentes zu. Wenn diese auch ohne figurale 
Darstellungen ist und nicht wie bei dem Spinett 
des Meisters Martinus von der Bist 1580 im 
Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg u. a., 
auf der Innenseite des Deckels einen reichen 
Schmuck von figürlichen und ornamentalen Male¬ 
reien, vergoldeten Medaillons etc. aufweist, so zeich¬ 
net sie sich doch durch angenehme, reiche und ge¬ 
schmackvolle Ornamente aus. Zunächst fällt uns 
auf dem Resonanzboden eine grosse, durchbrochen 
gearbeitete, hervorragend fein ausgeführte Rosette 
auf, ebenso eine kleinere gegen die linke Ecke zu, 
auch von schönster Arbeit. Die Holzwände des 
Kastens haben dunklen Grund, darauf in Gold eine 
reiche ornamentale Bemalung im Stil der Ornamen¬ 
tik venetianischer Bucheinbände. Im Schimmer der 
Tageshelle macht dieser glänzende Schmuck einen 
vornehmen Eindruck. Der orientalische Einfluss 
ist in diesen Verzierungen genau ersichtlich. 
Charakteristisch, wenn auch nicht mehr ganz deut¬ 
lich hervortretend, finden wir das Wappen, in der 
Mitte der Wand hinter der Klaviatur angebracht. 
Der Schild trägt oben den Herzogshut, an den 
Seiten links unten und rechts oben den springen¬ 
den Löwen, die bayerischen Rauten, in der Mitte 
den Reichsapfel. Das ist der Schild der baye¬ 
rischen Herzoge, wenn auch die heraldischen For¬ 
men etwas freier behandelt sind. — Die Untertasten 
sind weiss, die Obertasten schwarz, sogar die zwei 
Längsseiten und die vordere Querseite finden sich 
mit Ornamenten verziert. Besonders reichen orna¬ 
mentalen Schmuck trägt auch die Spannleiste, welche 
quer über die Saiten geht und unter welcher das 
Anreissen derselben durch den angegebenen Mecha¬ 
nismus stattfindet. An diesem Balken steht der 
Name des Meisters, Ort und Zeit der Anferti¬ 
gung des Instrumentes: Joannis Celestini Veneti 
MDXCIIII (1594). Durch diese genauen Angaben 
und durch den aus dem Wappen hervorgehenden 
Bestimmungsort wird uns dieses Instrument beson¬ 
ders interessant. Die Spinette hatten keinen Fuss, 
auch dieses nicht, man pflegte sie beim Spiel auf 
einen Tisch oder auf eine erhöhte Bank zu legen. 
Es ist noch der Originalkasten zu diesem Instru¬ 
mente vorhanden, der innen die Spuren von Bema¬ 
lung, vielleicht eines Monogramms trägt. 
Unzweifelhaft ist das Instrument für den 
bayerischen Hof angefertigt worden, wie das 
Wappen beweist. Zu dieser Zeit regierte Herzog 
Wilhelm V. 1579—97. Der direkte Beweis für 
diese Annahme lässt sich zwar nicht liefern. In 
den Mailänder Briefen zur bayer. und allgemeinen 
Geschichte des 16. Jahrhunderts, mitgeteilt von 
Professor Dr. Simonsfeld1) sind alle Kunst¬ 
gegenstände verzeichnet, welche für die bayerische 
Kunstkammer aus Italien geliefert wurden: Anti¬ 
quitäten, Medaillen, Münzen; kunstgewerbliche Ge- 
q Abhandlungen der k. b. Akademie der Wissenschaft 
III Kl. XXII. Bd. III. Abt.
	        
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