Volltext: Zeitschrift des Münchener Alterthums-Vereins XIV und XV Jahrgang (XIV. / XV, Jahrgang / 1903/04)

10 
EIN BISHER UNBEKANNTES SCHROTBLATT. 
Abkürzungsstrich über hs, bei semper unter p, 
auch sind die Sterne zwischen den einzelnen Wor¬ 
ten kleiner als beim Rosenheimer Blatt. 
Die Rosen ausserhalb der Kreise sind in W. 
meistens fünfblätterig, in R. alle vierblätterig, fer¬ 
ner bei ersterem Blatte häufiger als beim letzteren, 
so z. B. in dem Abschnitte rechts zwischen der Lanze 
und dem Kreissegment in W. 8, in R. nur 6. 
Ausserdem sind noch viele kleinere Abweichungen 
vorhanden, auch sind die Masse verschieden, 
nämlich: 
Rosenheim: 
Höhe, rechts und links: 
184 mm 
Breite, unten : 
126 mm 
„ oben: 
127 mm. 
Wien: 
Höhe, links: 
196 mm 
„ rechts: 
193 mm 
Breite, unten: 
131 mm 
„ oben: 
133 mm. 
Nach alledem haben wir es mit zwei verschie¬ 
denen Blättern zu tun; welches aber das ursprüng¬ 
liche ist, dürfte schwer zu entscheiden sein. Man 
könnte vielleicht behaupten, dass das Rosenheimer 
Blatt das ältere sei, weil bei ihm der Hintergrund 
des Monogrammes einfacher gestaltet ist, ferner, 
weil die drei Striche zwischen den Wolken fehlen 
und weil weniger Sterne und Rosen vorhanden sind, 
alles Zeichen, die mehr auf Ursprünglichkeit hin¬ 
deuten; doch möchte ich es dahingestellt sein lassen. 
Jedenfalls haben wir zwei an Ort und Zeit nicht 
weit voneinander entfernte Erzeugnisse vor uns. 
Wo sind sie aber entstanden? Aus stilkritischen 
Merkmalen und aus der Art und Weise der In¬ 
schrift lässt sich nichts erkennen. Wir wissen nur, 
dass das eine ehemals in einem südbayerischen 
Kloster sich befand, das andere aber mag auch 
aus einem solchen in die Salzburger Stadtbibliothek 
gekommen sein. Das Rosenheimer Blatt gehörte 
nach handschriftlicher Bezeichnung im Jahre 1484 
einem Nikolaus Neumayr, da nun dieser Name mit 
seiner Schreibweise ohne e am Schlüsse ebenfalls 
auf Südbayern hinweist, so werden wir seinen Ur¬ 
sprung mit Fug und Recht in diese Gegend setzen 
können. Das Wiener Blatt aber dürfte wegen seiner 
Aehnlichkeit mit dem Rosenheimer ebenfalls dort 
entstanden sein. Beide Blätter könnten ihre Ent¬ 
stehung dortigen Klöstern verdanken und zwar aus 
Anlass von Fronleichnamsfesten, worauf ja die Dar¬ 
stellung deutet, die aus besonderen Gründen gross¬ 
artig gefeiert wurden. Mit diesem Hinweise könnte 
es vielleicht einem in der Geschichte jener Klöster 
Bewanderten gelingen, Ort und Zeit des Ursprungs 
dieser zwei seltenen Blätter genau festzustellen. 
Vorläufig möge genügen, das Rosenheimer Blatt 
aus seiner Verborgenheit hervorgeholt zu haben.
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.