Volltext: Bruckner-Blätter Nummer 1/2 1932 (Nummer 1/2 / 1932)

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Göllerich, der sich neben dem technischen Studium eine umfassende 
literarische und philosophische Bildung angeeignet und auch Bruckners 
Vorlesungen über Harmonielehre und Kontrapunkt besucht hatte, machte 
in Wien durch einzelne kritische Veröffentlichungen bereits Mitte der 
Acht ziger jahre Aufsehen. 1884 schrieb er in den „Deutschen Worten“ 
einen Aufsatz über Anton Bruckner, in welchem e{* dessen künftige 
Stellung in der Musikgeschichte mit seherischer Sicherheit voraussagte. 
Schon damals wurde er von Bruckner zu seinem Biographen bestimmt. 
Mit dem Mut der Überzeugung trat er für alles ein, was ihm hoch 
und heilig erschien, auch wenn er gegen den Strom schwimmen mußte, 
und dies war in Wien, wo Hanslick sein allmächtiges kritisches Szepter 
schwang, in den meisten Fällen nötig. So brachte er mit August Stradal 
die in Wien fast verfemten Werke Liszts auf zwei Klavieren vor einer 
gewählten Zuhörerschaft zur Aufführung, trat für Bruckner in derselben 
Weise ein und verfocht seines Freundes, Hugo Wolfs, Kunst. Nach dem 
Tode Liszts führten ihn Reisen als Gast eines russischen Fürsten nach 
Rußland und in den Kaukasus, wo er mit seinem Klavierspiel Triumphe 
feierte. Zurückgekehrt, widmete er sich in Wien dem kritischen Kampf 
für die Meister der neudeutschen JSchule als Referent des Deutschen 
Volksblattes. Wie hoch er den Beruf des Künstlers und Kritikers wer 
tete, geht aus folgenden Sätzen hervor: „Der lebenslängliche Beruf des 
echten Künstlers verbleibt jener des Volkserziehers. Pflicht einer heil 
samen Kritik ist es, unter Auf Weisung aller Schäden dem Volke diese 
Erzieher in vollem Glanze zu zeigen, Kunstliebe zu stärken, in innerster 
Volksseele noch Gesunde aufzurufen zur tätigen Mithilfe an der Rettung 
vor wohleingeleiteter, schlau gepflegter Versumpfung. Künstler und Volk 
müssen wieder miteinander in Verkehr treten, soll die Kunst leben und 
bilden/' Diesen Grundsätzen treu widmete sich Göllerich künftig der 
musikalischen Erziehung desVolkes als Pädagoge, Dirigent und Schriftsteller. 
Er übernahm 1890 mit seiner Gattin, der Liszt-Schülerin Gisela 
Paszthory, die auf Lisztschen Grundsätzen aufgebaute Ramannsche Mu 
sikschule in Nürnberg und gründete mehrere Filialen. Nebenher war er als 
Pianist,Dirigent undLeiter einerKammermusikvereinigung künstlerisch tätig. 
Im Todesjahr Anton Bruckners 1896 berief man ihn als Direktor 
des Musikvereines in seine Vaterstadt Linz. In mehr als 25 jähriger, idealer 
Arbeit wirkte er hier und erhob die Landeshauptstadt zu dem, was sie 
sein sollte, zur Bruckner-Stadt, indem er die Stiftung von Bruckner- 
Konzerten veranlaßte. In zehn Festkonzerten führte er im Lauf der Jahre 
das ganze Lebenswerk Bruckners mit der ihm eigenen seelischen Ver 
tiefung mit faszinierender Wirkung vor. Unermüdlich sammelte er Ma 
terial für die großangelegte Biographie des berühmten Heimatsohnes, 
doch war es ihm nur gegönnt, den ersten Band derselben fertigzustellen 
(1923). Die weiteren drei Bände werden mit Benutzung der nachgelas 
senen Notizen von Max Auer weitergeführt. 
Seine literarische Tätigkeit begann Göllerich als Mitarbeiter des 
Wagner-Archivs von Österlein in Wien. Er schrieb 1884: A. Reißmann 
als Schriftsteller und Komponist; für die Bayreuther Festsjpielführer: 
Zur Charakteristik der Gestalten im Ring des Nibelungen (1896); Der Ring 
des Nibelungen (1897), eine Beethoven-Biographie in der von R. Strauß 
herausgegebenen Sammlung „Musik" (1907, 3. Aufl.); Erinnerungen an 
Franz Liszt (1906) mit vollständigem Verzeichnis seiner Werke und den 
ersten sowie teilweise den zweiten Band der großen Biographie Anton 
Bruckners. Eine große Zahl von Aufsätzen sind in zahlreichen Fach- 
und Tagesblättern erschienen. Zu allen von ihm aufgeführten Werken 
schrieb er gehaltvolle Einführungen. 
Die Sprache Göllerichs bewegt sich durchwegs auf dem hohen Ko 
thurn der Begeisterung, ist häufig aphoristisch, und gibt oft glitzernde 
Gedanken, die gelegentlich von beißender Ironie sind. Wiie sein ganzes 
Wesen ist auch sein Schrifttum stark von seinem Vorbild Franz Liszt 
beeinflußt. Max Auer.
	        
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