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des Bayreuthers verschaffte, der doch seinen schaffenden Zeitgenossen
zurief: „Kinder, macht Neues!“.
Die Symphonie war für damals so unerhört neu, daß sie bei ihrer
Uraufführung 1868 in Linz unter Bruckner nur einen Achtungs
erfolg erzielte. Alle Musiker, die das Werk durchsahen, waren über
die unerhörten Kühnheiten geradezu entsetzt, und die Folge war, daß der
Meister wieder auf seine frühere, zahmere Symphonie in D moll zurück
griff und sie revidierte.
Erst auf der Höhe der Meisterschaft wurde die Erste von den Schülern
des Meisters unter verstaubten Notenstößen wieder entdeckt. In einer Klavier
bearbeitung von Ferd. Löwe wurde sie dem Meister vorgeführt, der
sich über die Kühnheit dieser Linzer Symphonie selbst nicht genug
wundern konnte und ihr nun den Spitznamen „’s kecke Beseirl“ gab.
Nach einer nicht sehr eingreifenden Umarbeitung widmete Bruckner die
Symphonie der Wiener Universität zum Dank für die Verleihung der
Doktorwürde und am 13. Dezember 1889 erlebte sie unter Hans Richter
durch die Philharmoniker in Wien ihre bejubelte Wiedererweckung.
Es ist reizvoll, die beiden so gegensätzlichen Werke in einem Konzert
zu hören, die Nullte mit ihrem auf den späteren Meister vorausschau/en-
den „Ethos“ und die Erste mit ihrem noch stark in Beethoven wur
zelnden Pathos! i
Max Auer.
Dem Andenken August Göllerichs
(* am 2. Juli 1859 in Linz, f am 16. März 1923 in Linz.)
August Gölierich war einer der edelsten Paladine dreier ganz großer
Meister des 19. Jahrhunderts, einer der selbstlosesten und treuesten Vor
kämpfer Wagners, Liszts und Bruckners. Das Bewußtsein, mit den
Besten seiner Zeit auf der Menschheit Höhen zu wandeln, gab seinem
Lebensweg den idealen Zug, so daß er zeitlebens nur bedacht war, von
den geistigen Gütern mitzuteilen, die er selbst so unmittelbar empfangen
durfte. Seine künstlerische Selbstlosigkeit ging so weit, daß er für seine
eigene Person und sein Vorwärtskommen kaum etwas unternahm, er
wollte nur dienen, den verehrten Meistern, ihrer hehren Kunst und denen,
welche aus seiner Hand jene hohen geistigen Güter empfangen wollten.
So war die Selbstlosigkeit sein hervorragendster Charakterzug.
Vom Vater zum technischen Beruf bestimmt, bezog Gölierich nach
Absolvierung der Realschule in Linz die technische Abteilung der Wiener
Universität mit Mathematik als Hauptfach.
Schon als Mittelschüler war er aber mit Leib und Seele für Musik
begeistert, und Wagners Schriften begleiteten ihn auf allen Wegen. In
Wien nun kam er mitten in den Hochbetrieb eines Musiklebens, das
ihn ganz erfaßte, mit dem er sich aber auch bald kritisch auseinander
zusetzen begann. Nach dem Tode des Vaters 1883 gab er die technischen
Studien, die er zwar pflichtgetreu, aber ohne innere Anteilnahme be
trieben hatte, auf, um dem Zug seines Herzens zu folgen und sich ganz
der Musik zu weihen. Von Anton Bruckner, der ihm in einer unvergeß
lichen Stunde das in Entstehung begriffene Adagio der VII. Sinfonie
anvertraut hatte, empfing er sozusagen die „Einweihung“. Bei den
ersten Parsifal auf führ ungen in Bayreuth wurde er Franz Liszt vorge
stellt und in den Wagner-Kreis aufgenommen. Bald darauf führte ihn
seine Klaviermeisterin in Wien, Toni Raab, Liszt als Schüler zu.
Nicht nur durch sein pianistisches Talent, sondern vor allem durch
sein inneres Verhältnis zur Musik erwarb er sich bald dile Zuneigung
Liszts in so hohem Maße, daß Gölierich ihn als Sekretär auf seinen
Reisen begleiten durfte und ihn bis zu seinem Tode treu umsorgte. Als
Cosima Wagner ihrem Vater die Augen schloß, war Gölierich der ein
zige Zeuge.