Volltext: Bruckner-Blätter Nummer 1/2 1932 (Nummer 1/2 / 1932)

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Die Bruckner-Orgel in St. Florian 
(Zum Feste ihrer Einweihung am 5. Mai) 
Am 5. Mai 1932 wird die große Orgel der Stiftskirche zu St. Florian 
in Oberösterreich najch Vollendung ihrer Erneuerung feierlich ihrer 
hehren Bestimmung wieder übergeben werden, der Religion und der 
Kunst durch ihre erhabenen Klänge zu dienen. 
Bei diesem Anlasse mag wohl ein kurzer Überblick über die eigen 
artige Geschichte dieser Orgel am Platze sein. Die große Orgel in 
St. Florian verdient ja nicht nur deswegen eine besondere Beachtung, 
weil sie lan,ge Zeit die größte Orgel Österreichs war und auch immer als 
eines der schönsten Werke unseres Landes galt, sondern auch daruin, 
weil sie durch ihren besonders innigen Zusammenhang mit dem großen 
österreichischen Tondichter Anton Bruckner ehrwürdig und interessant 
ist, der an ihr zum Meister heranwuchs, der sie dann zeitlebens innig 
liebte und schließlich unter ihr, seinem Wunsche gemäß, die letzte Ruhe 
stätte fand. Es soll daher in den folgenden Zeilen das Wesentlichste 
über die Entstehung und die späteren Änderungen der Orgel und über die 
jetzige Erneuerung mitgeteilt werden. Eine kritische künstlerische Wür 
digung der Erneuerungsarbeiten soll in dieser Schrift nicht vorgenommen 
werden. Sie ist vor der amtlichen Prüfung der Orgel nicht möglich imd 
soll einer größeren, für Orgelkenner bestimmten Monographie über 
die Orgeln des Stiftes St. Florian Vorbehalten werden. 
1. Die Krisman-Orgel. 
Das Stift St. Florian war schon seit dem 11. Jahrhundert von einer 
gewissen Bedeutung, die im Laufe der Zeiten immer stieg. Man kann daher 
annehmen, daß die Stiftskirche, die schon im Mittelalter ein großer Bau 
war, auch schon bald eine Orgel besaß. Bestimmte Nachrichten hierüber 
haben wir allerdings erst für das 15. Jahrhundert, denn wir wissen, daß 
einige Jahre vor 1475 in der Stiftskirche zwei Orgeln gebaut wurden. 
Wir wissen aber von der Beschaffenheit dieser Orgeln nichts. Als dann 
gegen Ende des 17. Jahrhunderts Stift und Kirche im Barockstil auf das 
Prächtigste umgebaut wurden, erhielt die Stiftskirche 1691 zwei neue 
Orgeln durch den Orgelbauer Remmer (es ist wohl der damalige Hof 
orgelbauer Ferdinand Römer in Wien gemeint), die auf den Seitenemporen 
im Presbyterium aufgestellt wurden und deren schöne Gehäuse heute noch 
erhalten sind, aber neue Werke bergen. Die Westempore hat beim Umbau 
der Kirche keine neue Orgel erhalten. Früher oder später mußte sich 
aber doch das Bedürfnis nach einer der Kirche an Macht und Größe 
entsprechenden Haupt- und Festorgel geltend machen. Es dauerte aller 
dings noch lange Zeit, bis diesem Bedürfnis entsprochen wurde; dafür 
aber erhielt die" Stiftskirche dann ein ihrer in jeder Beziehung würdiges 
Werk. Dieser Orgelbau geschah unter dem Propst Matthäus Go gl. Der 
Propst berief im Jahre 1770 einen damals bereits berühmten Orgelbau- 
Meister geistlichen Standes, den Abbate Franz Xaver Krismanfn] (auch 
Chrismann, Crisman[n] geschrieben) und übertrug ihm den Bau einer 
großen Orgel für die Stiftskirche. Krisman, der am 22. Oktober 1726 in 
Reifenberg in Krain geboren und 1750 zum Priester geweiht worden war, 
studierte dann theoretisch und praktisch den Orgelbau und war aller 
Wahrscheinlichkeit nach Schüler des gleichfalls geistlichen Orgelbauers 
Peter Nakic (genannt Nachini), der hauptsächlich in Venedig tätig war. 
Krisman hatte sowohl in seiner Heimat als auch im jetzigen Österreich, 
so in Admont, Steyr, St. Laurenz am Schottenfeld in Wien und Engels»- 
zelli Orgelwerke gebaut, von denen noch das von Engelszell später in 
die Jesuitenkirche in Linz, den alten Dom, gebrachte und dort noch 
stehende Werk am ursprünglichsten und besten erhalten ist, an dem 
Anton Bruckner auch einige Jahre Organist war. Krisman starb 
schließlich am 20. Mai 1795 in Rottenmann, wo er gerade eine heute nur
	        
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