Volltext: Aus dem Garten Österreichs (Oberösterreich). (Folge 7 / 1926-27)

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klm Ende meines zweiten Lehrjahres traute mir Herr Kiesel 
schon sehr viel ju; eines schönen Tages sollte ich ihm in aller 
Form aushelfen, das heißt ihn in seiner klbwesenheit vertreten, 
und dies noch dazu bei einer höchst feierlichen Gelegenheit. Ein 
Patenkind des Meisters Kiesel, die „Stern"-Marie, hatte nämlich 
Hochzeit und der Herr Pate muhte dabei natürlich in Frack und 
Zylinder als Trauzeuge fungieren. Organist und Trauzeuge zu 
gleich konnte ec nicht machen, und so wurde ich beauftragt, an 
seiner Stelle das feierliche Hochzeitsamt zu spielen- jedoch vorher 
muhte ich das ganze klmt wohl ein halbdutzendmal mit ihm 
durchprobieren. Mit einer gewissen Zufriedenheit äuherte der 
Meister: „Es geht prächtig!" 
Mir stieg der Dunst in den Kopf und am selbigen klbend 
spazierte ich so hochnäsig durch die Gassen von Krondorf, als ob 
ich einen Fixstern anbohren wollte, klm nächsten Tag war ich 
schon zeitig auf dem Lhor und mit einer klmtswürde wie ein 
alter General traf ich meine Vorbereitungen. Die Sänger und 
Sängerinnen schauten mich groh an, ich hielt ihre fragenden 
blicke für nichts anders als ehrfürchtiges Staunen und purlautern 
NespeKt vor meiner großmächtigen Person. Und sie sollten noch 
mehr staunen! heute wollte ich mein Licht einmal gründlich 
leuchten lassen, heute sollte mein Meister erfahren, was ich gelernt 
hatte, aber auch ganz krondorf sollte einmal hören und fühlen, 
was eigentlich in ihrer Grgel steckt. 
wie ihr wiht, spielt man aus der Grgel nicht nur mit den 
Händen, sondern auch mit den Füßen. Nun war aber der Grgel- 
bock (der Sitzstuhl) sehr hoch und meine Zwiefelwurzen, will sagen, 
meine kleinen, dicken veinchen, reichten nur mit Not bis an die 
Fußtasten (das Pedal), kluch erreichte ich beim Spielen die Negister- 
Knöpfe nicht mehr, weshalb ich die nötigen Negister schon jedes 
mal vor veginn eines Stückes herauszog. 
heute war Hochzeit und darum die passendste Gelegenheit, 
als Vorspiel des klmtes die volle Grgel oder das Plenum der 
andächtigen Lhristenschac zu Gemüte zu führen. — während 
drunten am klltar die Kopulation vor sich ging, traf ich meine 
letzten klnstalten. Ich legte die Noten auf, stieg stegesgewiß auf 
meinen Thron, zog alle zweiunddreißig Negister der großen Grgel 
und schaute erwartungsvoll in den Spiegel, ob ich die Pracht 
und Herrlichkeit bald könne tuschen lassen. Links zum Balgtreter 
hinüber kommandierte ich noch: 
„Stoff! druck' — ich brauch wind, viel wind!" 
Und der Stoff! drückte. Er trat und stampfte am Valg, als 
ob ec klaftertief im Schnee trete. Und jetzt war der große 
Moment gekommen — ich fuhr mit Füßen und Händen in das 
Spielwerk hinein. Da ging es auch schon los: kluiaui eiou äiuiauiö 
— wie ein zugebundener Sack voll Katzen .. . Mixtur und Kornett, 
Scharf- und vauschquinte, der Kuckuck und die Trompete, die 
großen und Kleinen Schreier, alle gräßlich verstimmt, lärmten und 
quiekten zusammen. Es war unbeschreiblich, sinnbetörend, herz 
zerreißend, steinerweichend — ein winseln und kreischen, ein
	        
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