Volltext: Aus dem Garten Österreichs (Oberösterreich). (Folge 7 / 1926-27)

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und ein Jahr unsere Hochschule — sprich Feiertagsschule — stand 
bereits im sechzehnten Jahre meines klltecs, war aber nichts desto- 
weniger noch immer ein käshoher Knirps, so daß sie mich daheim 
den „Zwergl" heißen. 
was der Herr Dekan beschloß, das wurde jedesmal mit 
Vamps betrieben. So befand ich mich über vierzehn Tage schon 
im Städtchen krondorf beim alten Herrn Kiesel, der sich als Lhor- 
meister und Organist über drei Landgerichte hinaus einer großen 
IZerühmtheit erfreute. Ich war bei Herrn Kiesel nicht nur in der 
Lehre, sondern in kost und Guactier. Dort erhielt ich den zierlichen 
Namen „Pampers denn was mir an höhe mangelte, war reichlich 
an meinem Leibesumfang zugesetzt, und ich muh annehmen, daß 
schon in jener Seit der Grundriß zu meinem späteren respektablen 
wänstchen sich vordrängte, lm übrigen hatte ich es angenehm, 
denn ich wurde bald als zur Familie gehörig betrachtet und 
durfte an allen Freuden und Leiden derselben teilnehmen. Herr 
Kiesel war durchaus kein Unmenschi etwas ernst und wortkarg, 
hie und da ein bißchen mürrisch, war ec doch herzensgut, er 
peinigte niemand über die Notwendigkeit, und man lernte bei 
ihm ebenso rasch als gründlich. Der Mann hatte sich meine Liebe 
erworben und ich bewahre ihm heute noch ein dankbares An 
denken. 
Nach einem Jahre konnte ich schon einige „werktags- 
Meßlein", einige schmalzige Vespern und unterschiedliche Segen 
spielen. Lin halbes Jahr später durfte ich schon an gewöhnlichen 
Sonntagen den Meister Kiesel auf der Orgel vertreten, aber aller 
dings nur in seiner Anwesenheit und unter peinlichster Über 
wachung. 
vie Orgel in krondorf war ein altehrwücdiges, geheimnis 
volles Werk mit zweiunddreißig Negistern. So oft ich den Grgel- 
bock bestieg, schaute ich in einer gewissen Ehrfurcht zu dem großen 
Tier mit den blinkenden Mesenpfeifen empor und eine fast 
drückende klhnung beschlich mich vor dem Meer der Töne, welches 
in dieser gewaltigen vrust schlummern mußte, klber das ganze 
Werk habe ich niemals klingen gehört, wenn ich spielte, zog mir 
Meister Kiesel von all den zweiunddreißig Negistern höchstens 
zwölf bis fünfzehn heraus, die übrigen waren mir verschlossen 
wie ein Buch mit sieben Siegeln, kluch wenn der Meister selbst 
spielte, sogar an den höchsten Festtagen, zog er nie mehr als 
sechzehn Negistec, die andern sechzehn ließ er stecken, als ob sie 
verleimt und vernagelt wären. Bis ich ihm einmal an einem 
Ostersonntag eines" der verpönten Negistec herausgezogen hatte, 
stieß er es mit einem wilden knurren hinein, und dabei schaute 
er mich so grimmig an, als ob er mich noch im selben klugen- 
blicke mit haut und haar zu Halbmittag verspeisen wollte. Ich 
dachte mir aber in meinem hoffnungsgrünen Hirnkasten: „Nha, 
der Meister ist auch nicht gar so einer! ver getraut sich nicht 
einmal, mit allen Negistern zu spielen . . . Man sollt' meinen, er 
könne mehr — der Patzer!"
	        
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