Volltext: Innviertler Kalender 1939 (1939)

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,,Na, seht Ihr, Nutzegger, — Ihr habt doch einen schweren 
Stern bannt im Brett, will sagen: ber Herrgott hat Euch bas nie 
vergessen. Vielleicht roitzt Ihr noch jene Worte im Evangelium, bie 
ba lauten: „Wer eines von diesen Kleinen aufnimmt, ber nimmt 
mich auf... Mich! Christus! ben Heiland! Versteht Ihr, Nutzegger?" 
- jjt eine Weile stille in ber Stube. Draußen vor ber Türe 
fahrt ftch eine mit ber Schürze übers Gesicht. Eine, bie trotz ihrer 
Verbitterung auch nicht gerabe schlecht war. .. Der Lenz aber gur¬ 
gelt auf. Das, was ihm ba ber Pfarrer sagt, war für ihn Neuland. 
Uln so etwas hat er nie gebacht. Den Heiland, den Herrn Mbet 
hatt er wirklich aufgenommen?... Ja, wär denn dies möglich? 
(Es wirbelt ihm im Kopf herum. Sein Herz zittert. Aber er bringt 
E Wort hervor. Da greift der Pfarrer nach seiner Hand und 
halt sie fest. ' 
„Nuszegger!“ 
„Hochwürden — ?" 
^Möchtet Ihr nicht Frieden machen mit unserem Herrn?" 
Wieder gurgelt er auf. 
„Es geht nicht, Pfarrer!" 
„Aber warum denn nicht?" 
„Bin ein zu großer Lump gewesen. . . schlechtes Beispiel in ber 
Gemeinde gegeben . . . kenn mich selber nimmer recht aus in ber 
Neltgton ... nie recht viel gekümmert barum . . . was hättet ^hi 
von solch einem alten Sünber. . . ?" 
Legt ber Pfarrer ben Arm um seine Schultern. „Schaut, Nich- 
egger: jhr habt burch bie Annahme jenes armen Kindes eine nicht 
geringe christliche Tat vollbracht! Jawohl, eine christliche Tat! Die 
hat Euch unser Herr nicht vergessen. All die Jahre her hat er Euch 
ntcht aus den Augen gelassen. Er ist Euch nachgegangen, hat gemahnt 
und geklopft, ^hr seid alt geworden, Nuszegger. Schwer drückt die 
Krankheit auf Euch. Man kann nicht wissen, wie es ausgeht. Und 
darum meine ich, es wäre halt doch gut, nicht länger dem Gnadenruf 
unseres Herrn zu widerstehen. Vertrauet Euch getrost mir an. AIs 
katholischer Priester bin ich Euer vertrauter Freund. Was Euch am 
Herzen liegt, was Euch drückt, sagt es mir getrost. Wollt Ihr Euch 
langer sträuben, wenn der Herr vor der Türe steht, bittet und an¬ 
klopft?" 
Nein, er sträubte sich nimmer länger. „Hochwürden. Ihr 
meint es gut mit mir . . . und wenn Ihr glaubt — ." 
®er Pfarrer stand auf und ging zur Türe. Die Nujzeggerin stand 
nicht mehr beim Schlüsselloch. Sie saß in einer Ecke und schälte Kar¬ 
toffeln. jn ihren Augen aber lag ein feuchter Glanz. Sie sah auf, 
als der Pfarrer an der Türe stand, und frug, ob sie ihn mit etwas 
helfen sollte. Gr verneinte. Nur das eine sagte er: „Nutzeggerin, Euer 
Mann will Abrechnung halten mit feinem Herrgott. Lasset uns eine 
Weile allein.“ 
Er war wieder ins Zimmer zurückgetreten. Der Nutzeggerin war 
zumute, wie schon lange nicht mehr. Wäre es denn möglich, datz ihr 
Mann, der so oft auf die Pfaffen geschimpft hat, sich nun doch eines
	        
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