Volltext: Innviertler Kalender 1936 (1936)

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Die Fahrt ging zwar langsam, aber ich, kam ho cf): nach jeder 
Station p der HaltesteM der Heimat näher. Nach der letzten Halten 
stelle Hagenau hatte ich schon vor freudiger Aufregung fortwäh¬ 
ren den Kopf beim Waggonfenster draußen, um schon aus der 
Ferne mein geliebtes! Heimatstädtchen zu erspähen. 'Und richtig 
grüßte milch schon ein alter Bekannter, der mächtige Kirchturm 
der Pfarrkirche. So wohltuend ich den Gruß dieses steinernen 
Riesen empfunden, so schmerzlich vermißte ich bei meiner An- 
kunft |in der Heimat den Gruß meiner längst verstorbenen 
Mutter. 
Die Eltern tot, die Schwester gestorben, der Bruder auf dem 
Felde der Ehre geblieben. 
Mit Tränen in bett Augen machte ich mich auf dem Weg 
zu dem alten Heim. 
f In der Linzergasse beim „alten Weinhans", einer Weinstube, 
blieb .ich Werst stehlen irnb gebachte b/er längst heintgegang en'en^ 
ehemaligen Besitzer, der „Gradingerleut", meiner ständigen Ab« 
ttehtnier der von mir igesammelten „Küahfoz'n^ (HerrenMM 
Ebenso fchllies der Käufer meiner Erdbeeren und der „Mviwa" 
(Himbeere), der Zuckerbäcker Wolf vom Stadtplatz seit lanaeut 
den ewigen Schlaf. 
Der Wald gab tnitir im Sommer intimer einen kleinen Verl- 
dienst und was der Wald nicht geben konnte, gab die Heimat* 
Kchie Erbe an Fe kb frucht. So b alb iber Schnitt vorüber, resp es 
tche die Getreideernte unter Dach gebracht, dann gings auf die 
Felder zum „Aehren" (AchrenKauben), die Nachernte nach der 
am Felde liegen gebliebenen Korn- und Gerstenähren. Diese 
Feldfrucht röstete die Mutter als Kaffee-Ersatz. Die Herrschaft 
Werthetrner vom Schiloß Ranshofeu gestattete, auf ihrem aus¬ 
gedehnten Besitz auch die Nachernte der Erdäpfel. Diese Nach¬ 
ernte war so einträglich, daß wir für den Winter mit Kartoffeln 
nahezu versorgt waren. Für Heizmaterial sorgte der Wald mit 
„Klaubholz" und die Anen des Inn durch „Schwemmholz." 
Nur mit der Beschuhnng für den Winter war es schlecht 
bestellt. Aber der Herr Lehrer hatte mir zur Christbescherung 
armer Schulkinder ein Paar Schuhe ausgeschrieben, wozu der 
Herr Gscheidlinger „Schuasta" ant Kirchenplatz mir Maß nahm. 
Endliche kam der freudig ersehnte Tag der 'Weihnacht^ 
beteilung. 
Im Tanzsaal beim „Stögerbräu" erstrahlte der Christbaum 
tn einer Unmenge von Lichtern und wir Kinder fangen das er¬ 
hebende Lied „Stille Nacht, heilige Nacht." Mit kindlicher Freude 
erwartete jedes das Weihnachtsgeschenk. Aber wie enttäuscht 
war ich, als ich statt der erhofften Schuhe eine „Pudielhaulbe" 
und einen gemusterten gestrickten „Schlips" bekam. 
Die für mich bestimmten Schuhe erhielt ein anderer Schüler, 
der über einen wirksameren Fürbitter verfügte, als mein guter 
Lehrer war. Aus Kränkung über die als ungerecht empfundene 
Zurücksetzung lies ich, vom seelischen Schmerz überwältigt, wei¬ 
nend aus dem Festsaal und damit hatte ich mir durch mein „un¬ 
dankbares Benehmen" die Gunst für eine weitere Weihnachts- 
beteilung vollständig verscherzt.
	        
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